Foodsharer bitten zum Kartoffelstecken
Foodsharerin Christin Wegner will künftig mit Gleichgesinnten auf einem Feld bei Bautzen Kartoffeln und anderes Gemüse anbauen und ernten. Foto: RK
Sie wollen der Wegwerfgesellschaft entgegentreten und haben sich deshalb das Retten von Lebensmitteln und eine faire Verteilung auf die Fahnen geschrieben – die Food-sharer von Bautzen. Über einen Stützpunkt in der Innenstadt, in dem Waren wie Obst und Gemüse zum kostenfreien Abholen bereitstehen, verfügt der Verein bereits seit Längerem. Künftig wollen dessen Mitstreiter in puncto Landwirtschaft aber auch selbst aktiv werden.
Christin Wegner im sogenannten Fairteiler am Postplatz in Bautzen. Vor Ort gelten bestimmte Regeln. So sollten beispielsweise lediglich Lebensmittel dort landen, die einjeder auch selbst verzehren würde. Foto: Archiv
Bautzen. Berufssoldatin Christin Wegner steht Mistgabel bei Fuß. Irgendwo auf einem Feld vor den Toren der Spreestadt. Der rund 700 Quadratmeter große, umgepflügte Acker ist bereit für eine ganz spezielle Mission. Die 33-Jährige hat sich vor einiger Zeit dem sogenannten Foodsharing verschrieben und opfert einen Teil der Zeit dafür, in der sie sich nicht in die Uniform werfen muss. Erst neulich haben sich die junge Frau und eine Mitstreiterin die Gummistiefel übergezogen und Schafsmist auf dem Feld verteilt. Dort sollen wie schon im vergangenen Jahr bald eine Menge Kartoffeln wachsen. „Der Vater unserer Helferin ist Landwirt und Besitzer des Anwesens“, erzählt Christin Wegner. „Aus gesundheitlichen Gründen fühlt er sich aber nicht mehr in der Lage, die Arbeit allein auszuführen. Wir haben davon erfahren und mit ihm das Gespräch gesucht. Außer den Stromkosten für die Betreibung der Wasserpumpe eines Brunnens brauchen wir für keine weiteren Kosten aufzukommen.“ Darauf hätten sich beide Seiten einigen können. Im Übrigen sei die Idee der Eigenbewirtschaftung aufgekommen, als die Bautzenerin und mit ihr 14 weitere Foodsharer im letzten Herbst zum Abernten des Feldes anrückten. „In dem Rahmen hat die Tochter des Bauern das Areal ins Gespräch gebracht. Sie klärte ihren Vater über unsere Initiative auf und konnte ihn somit für uns begeistern.“ Anders als ursprünglich angedacht werden vor Ort jedoch keine Landwirtschaftsprojekte mit Schulen über die Bühne gehen. „Der Eigentümer hatte uns darum gebeten, aus Unfallschutzgründen darauf zu verzichten“, erinnert sich Christin Wegner. Dafür soll es fortan eine andere Form der Zusammenarbeit geben.
Landwirtschaft wie bei den Maya
Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN), dem wiederum einige Frauen und Männer der Bautzener Stadtbegrüner angehören, will in die Fußstapfen der Maya treten und auf dem Acker ein Milpa-Beet herrichten. Dafür stehen etwa 200 Quadratmeter der Gesamtfläche zur Verfügung. Die drei Pflanzen Mais, Bohne und Kürbis, die in dem Zuge gemeinsam angebaut werden, bilden eine Symbiose. Der Mais dient laut einem Wikipedia-Eintrag den Bohnen als Rankhilfe, die Bohnen wiederum liefern dem Mais Stickstoff, während die großen Blätter des Kürbisses den Boden bedecken und so Erosion durch Regen und Austrocknung verhindern.
Nicht nur Christin Wegner ist schon mächtig gespannt, inwieweit das Vorhaben am Ende aufgeht und Früchte bringt. Für sie steht fest, dass auf der Hauptfläche, also dort, wo der Traktor zehn Reihen für die zu steckenden Kartoffeln zieht, sich noch zweimal Erdäpfel anbauen lassen. Dann muss zur Abwechslung eine Alternative her. „Alle vier Jahre ist eine Wechselfrucht notwendig, um den Boden fruchtbar zu halten“, hat sie in Erfahrung gebracht.
Eigentlich wollte die Spreestädterin bereits zu Ostern mit dem Stecken von den geschenkt bekommenen Saatkartoffeln starten. Doch auch in dem Punkt hat sie etwas lernen dürfen. So benötigt der Boden eine gewisse Kerntemperatur, damit die Erdäpfel keimen können. Diese wird nunmehr für die kommenden Tage erwartet. Dann erfolgt ein neuer Versuch. Und für den braucht Christin Wegner Unterstützer. Auch für die Pflege des Feldes und die anschließende Ernte werden helfende Hände gern gesehen. Aufgrund der andauernden Corona-Pandemie sollten es jedoch nicht allzu viele sein. „Unser Ziel besteht darin, zunächst zehn Leute zu finden, die sich ums Feld kümmern. Dabei geht es vor allem darum, mögliches Unkraut zu zupfen.“
Und noch etwas liegt ihr auf dem Herzen. „Auf einer weiteren, etwa 150 Quadratmeter großen Fläche lässt sich außer Kartoffeln, Mais, Bohnen und Kürbissen anderes Gemüse anbauen. Wer dafür Verwendung hat, darf sich gern mit uns in Verbindung setzen.“ Auch Spenden in Form von Lebensmitteltüten zum Abpacken der Früchte und von Brötchen oder andere hilfreiche Utensilien können die Foodsharer gut gebrauchen. „Wir freuen uns über jede Unterstützung, die uns zuteil wird“, betonte die 33-Jährige. Dabei ließ sie nicht unerwähnt, dass für den Stützpunkt am Bautzener Postplatz, der in Vereinskreisen auch Fairteiler genannt wird, Geldspenden benötigt werden. Um so die Betriebskosten zu decken, meint die Spreestädterin.
In Kürze wird sie wieder in ihre Gummistiefel schlüpfen und auf dem Kartoffelfeld aktiv sein. Sie hofft bereits auf eine ertragreiche Ernte, von der auch bedürftige Menschen profitieren sollen. „In der Vergangenheit wurden aufgrund des nährreichen Bodens gute Ergebnisse eingefahren“, hat sie sich sagen lassen. Für das zweite Jahr im tristen Corona-Ausnahmezustand wäre das zumindest eine vielversprechende Aussicht.