Fürchtet sich der Landkreis vor den Bauern?
„Ideologie macht nicht satt“ und „Die Ampel muss weg“ – Traktoren bei der Demo am 8. Januar in Dresden. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Region. Die Akzeptanz für die Bauernproteste ist in der Bevölkerung hoch. Dies sicher auch, da viele Menschen spüren, dass die Streitpunkte Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung in der Landwirtschaft nur eine Spitze des Eisberges bilden.
Eine Branche nach der anderen scheint im Mittelstand zu fallen, in der Landwirtschaft steht im Hintergrund der Wegfall bäuerlicher Betriebe hin zu Agrarfabriken mit „Smart Farming“. Drohnen und Arbeitsroboter, selbstfahrende Landwirtschaftsfahrzeuge und „vertical Farming“ in sterilen Hochhäusern mit Pflanzen, die in Nährlösungen statt Erdreich heranwachsen lösen die bäuerliche Landwirtschaft ab.
Doch der Landkreis Görlitz hat nun zum 16. Januar eine rigide „Allgemeinverfügung zur Beschränkung für nicht oder nicht rechtzeitig angezeigte Versammlungen unter freiem Himmel während der Aktionswoche zu Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung“ bis zum 31. Januar erlassen.
Die Redaktion wollte in einer Presseanfrage wissen, wieso entsprechende Regeln nicht auch für die latente Klimaklebergefahr erlassen wurden. Während die Antworten dazu mit dem Nichtvorhandensein entsprechender Aktionen im Kreis Görlitz versucht wurden auszuräumen, wird es bei der nun bei Bauernprotesten vorgenommen Untersagung des Mitführens von Arbeitsmaschinen etwas griffiger:
„Leib und Leben“ könnten in Gefahr geraten. Zum Beispiel würde ein Rangieren schwieriger werden. Ja, aber ist nicht die Einschränkung gewöhnlicher Abläufe das Wesensmerkmal von Protesten schlechthin?
Wie steht die Behörde also zum Vorwurf, potenzielle Proteste diesem Wesen entkleiden zu wollen, um damit eine Zermürbungstaktik zu fahren?
Hierzu heißt es: „Die Landkreisverwaltung weist den Vorwurf zurück. Das Handeln der Versammlungsbehörde des Landkreises Görlitz ist ausschließlich darauf ausgerichtet, jedwede Protestkundgebung, die sich im Rahmen des Versammlungsrechts bewegt oder bewegen will, ohne unzumutbare Beschränkungen zu ermöglichen.“
Die von der Redaktion geäußerte Annahme, Bundes- oder Landesbehörden hätten Wünsche für eine entsprechende Allgemeinverfügung geäußert, wird damit entgegnet, diese hätten den Kreis nicht gedrängt. „Weitere Bundes- oder Landesbehörden wurden nicht hinzugezogen.“ Doch wieso machte Landrat Dr. Stephan Meyer beim Bauernprotest in Ödernitz bei Niesky noch am 12. Januar keine Andeutungen zum Erlass der Allgemeinverfügung?
Hierzu betont die Pressestelle: „Bei der Versammlung in Ödernitz (habe Meyer) keine Kenntnis von der Empfehlung des Fachamtes zur Allgemeinverfügung“ gehabt, diese sei erst am Montag, dem 15. Januar, erfolgt – also gerade einmal einen Tag vor der detaillierten Verfügung! Im Allgemeinen stellten unangemeldete Versammlungen eine Gefährdung für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, so Kevin Schlei, der die Beantwortung in Abstimmung mit dem Fachamt vornahm.
Die Allgemeinverfügung ist auf www.kreis-goerlitz.de unter > Amtliches > Amtliche Bekanntmachungen zu finden.
Kommentare zum Artikel "Fürchtet sich der Landkreis vor den Bauern?"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Die Akzeptanz für die Bauernproteste mag in der Bevölkerung hoch sein, wenn die Bevölkerung sich denn informiert hat und die Probleme der Agrarpolitik der letzten 30 Jahre sieht. Da ist wirklich manches im Argen, vor allem für kleinere Betriebe. Die Akzeptanz für unreflektierte Proteste gegen "die da oben" oder die Ampel im Allgemeinen mag in der AfD-Wählerschaft, zu der leider auch die Redaktion des Oberlausitzer Kuriers zu gehören scheint, vielleicht hoch sein. Entsprechend entbehren die Artikel gut recherchierte Hintergründe, degradieren die Bauernproteste zu Protesten gegen die Ampel und schwafeln von der latenten Klimaklebergefahr. Viele Bauern selber wehren sich gegen die Vereinnahmung ihrer berechtigten Forderungen durch derartige undifferenzierte und polemische Aussagen, die oft genug aus dem rechten Lager kommen. Viele Landwirte wissen: eine Partei, die die Agrarsubventionen komplett abschaffen will, wie die AfD, ist bestimmt nicht das, was ihnen hilft, ihre Höfe zu retten. Auch hier sind die Artikel im Kurier peinlich und tendenziös.
Dass ein Firmenchef oder Behördenleiter an Freitag Abend Versprechen macht, welche seine Mitarbeiter am Montag negieren ist eigentlich unvorstellbar. Und doch ist dieser Vorgang mit 3 Voraussetzungen möglich. 1. Es handelt sich um einen Frühstücksdirektor. 2. Man verspricht einfach, das was die Menschen hören wollen. 3. Es fragt keiner nach, welche Garantien es für die Versprechen gibt. PS: Die Bauern haben am Freitag, bei der Rede von Herrn Meyer, weder widersprochen noch nachgefragt - sondern applaudiert.