Gefährlicher Keim zwingt Osterreiter in die Knie
Auf diesen Anblick müssen in diesem Jahr auch die Bautzener verzichten. Die Auswirkungen des Corona-Virus führten zu einer Absage des traditionellen Osterreitens. Foto: Archiv
Region. „Uns erreichen viele Anfragen, ob in diesem Jahr die Tradition des Osterreitens stattfinden darf.“ Mit diesen Worten begann eine Pressemitteilung des Bautzener Landratsamtes, die am Dienstagabend versandt wurde. Auch Dawid Statnik, Vorsitzender des sorbischen Dachverbandes Domowina, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, zu welcher Entscheidung die Behörden in Anbetracht der ausuferndern Corona-Krise inzwischen gelangten. „Ich bin sehr traurig, wenn ich daran denke, dass uns der gewohnte Anblick der Osterreiter dieses Jahr fehlen könnte“, sagte er. „Bisher war das für mich – wie für viele Menschen – unvorstellbar. Weder Krieg noch Diktaturen vermochten diesen Ausdruck unseres Glaubensbekenntnisses zu verhindern. Haben wir uns nun dem Corona-Virus zu fügen?“
Die Antwort aus der Kreisverwaltung folgte prompt. „Die Landesdirektion Sachsen informierte uns darüber, dass das Osterreiten in diesem Jahr untersagt ist“, erklärte eine Sprecherin. Damit zerstreute sie auch die letzten Hoffnungen, dass zumindest diese Traditionsveranstaltung zum Osterfest stattfinden kann.
Generalvikar Andreas Kutschke vom katholischen Bistum Dresden-Meißen vernahm den Beschluss mit gemischten Gefühlen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass Anweisungen staatlicher oder kommunaler Behörden in jedem Fall Folge zu leisten ist. „Das Osterreiten und auch das Saatreiten sind althergebrachte, wertvolle Traditionen und ein lebendiges Glaubenszeugnis, besonders in den katholischen Pfarreien des sorbischen Sprachraums und der Oberlausitz. Als Osterreiter habe ich mit sehr großem Bedauern die vom Landkreis Bautzen bekanntgegebene Entscheidung der Landesdirektion Sachsen zur Kenntnis genommen, dass das Osterreiten in diesem Jahr untersagt ist. Man bezieht sich dabei auf die Allgemeinverfügungen, die eine strenge Ausgangsbeschränkung regeln und öffentliche und nichtöffentlichen Veranstaltungen sowie Versammlungen von Menschen untersagen. Eine Auslegung dieser Bestimmungen obliegt nicht dem Bistum, sondern den Behörden.“ Und weiter: „Ich kann nur alle ermutigen, sich im derzeit möglichen Rahmen auf das Osterfest vorzubereiten, der inneren Haltung entsprechend. Osterreiter ist man das ganze Jahr, Ostern auf dem Pferd und sonst im Alltag: Zeuge des österlichen Glaubens an die Auferstehung. Wie wichtig gerade auch in diesen Tagen. Aber natürlich wird uns allen mit einem Ostern ohne Osterreiten sehr viel fehlen.“
Dawid Statnik, der, wie er einräumte, selbst am neuartigen Corona-Virus erkrankt ist, verfolgt die Entwicklung aus der häuslichen Isolation heraus. „Ohne vollständige Heilung wäre ich als Osterreiter für meine Familie, die Gemeinde, die anderen Osterreiter, Freunde und Zuschauer eine Gefahr, zumal Ostern nicht auf dem Pferd, sondern in der Kirche beginnt. Wie viele von uns aber haben einen medizinischen Beweis, dass sie das Virus nicht in sich tragen? Wir wissen, dass sich das Corona-Virus auch in unserer Heimat immer mehr ausbreitet. Daher müssen wir eine Entwicklung wie in Italien abwenden, wo das Gesundheitswesen längst überfordert ist und jeden Tag Hunderte Menschen an den Folgen des Erregers sterben.“ Er hofft, dass es mit Hilfe der modernen Technik gelingt, die Osterbotschaft, also die umfassende Liebe Gottes zu den Menschen, zu verkünden. „Gerade auch wir Sorben haben in den letzten Wochen gezeigt, dass wir in dieser Krise mit kreativen Ideen bestehen können, zum Beispiel mit Gottesdiensten über Livestream und Radio, mit gemeinsamem Beten auf der Basis digitaler Technik oder mit Chorproben übers Internet. Wie viele wünsche auch ich mir, dass die Botschaft der Osterreiter in diesem Jahr ebenfalls öffentlich lebendig ist.”
Hintergrund: Bis vorerst 5. April gilt eine Allgemeinverfügung des Sozialministeriums, die eine strenge Ausgangsbeschränkung regelt. Darüber hinaus hat ein am 19. März in Kraft getretener Erlass zur Untersagung von öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen sowie von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum eine vorläufige Gültigkeit bis 20. April 2020. Auch in Anwendung dieser Allgemeinverfügung sei eine Veranstaltung wie das Osterreiten nicht möglich, hieß es vonseiten der Landesdirektion.