Geglückter Drahtseilakt: Bautzens Stadtetat steht
Bautzens Finanzbürgermeister Robert Böhmer. Foto: N. Paeth
Bautzens nächster Millionenhaushalt steht. Darin verankert sind zahlreiche Baumaßnahmen, die die Stadt in der Perspektive angehen möchte. Im Oberlausitzer Kurier erklärt Finanzbürgermeister Robert Böhmer das Zahlenwerk.
Welche Besonderheiten weist der Stadtetat für dieses Jahr auf?
Robert Böhmer: Besonders erscheint mir, dass wir in schwieriger werdenden Zeiten nach wie vor einen soliden Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen können. Wichtige Eck-punkte sind dabei: Es gibt keine Anhebung der Hebesätze. Wir kalkulieren mit gleichbleibenden Steuereinnahmen. Die Aufwendungen im Haushalt sind aber gegenüber dem Vorjahr erneut um 4,5 Millionen Euro angewachsen. Wir sind damit stärker abhängig von Landeszuweisungen aus dem Finanzausgleich. Das Risiko, bei einer Krise die eigene Handlungsfähigkeit zu verlieren, wird größer. Die ungebundene Liquiditätsreserve für Investitionen sinkt nach Abfinanzierung des Mittelfristplans auf zwei Millionen Euro.
Mit welchen Einnahmen und Ausgaben rechnet die Verwaltung?
Robert Böhmer: Der Gesetzgeber verlangt: Der kommunale Haushalt muss ausgeglichen sein. Wir kalkulieren für das laufende Haushaltsjahr mit Gesamterträgen von rund 86 Millionen Euro. Dem stehen entsprechende Aufwendungen gegenüber. Wichtige Erträge sind die Grundsteuer B mit 4,1 Millionen, die Gewerbesteuer mit 16,1 Millionen, die Anteile an der Einkommenssteuer mit 12,1 Millionen und Schlüsselzuweisungen in Höhe von 18 Millionen Euro. Laufende Aufwendungen sind dagegen beispielsweise mit 17,1 Millionen Euro die Kreisumlage oder auch der Personalaufwand inklusive der Kita-Beschäftigten in Höhe von 26,3 Millionen Euro. Das Volumen bei der Kindertagesbetreuung beträgt ungefähr 18,6 Millionen Euro. Für die Bauunterhaltung fallen rund 5,2 Millionen Euro an. Zudem zahlen wir als Sitzgemeinde einen Theaterzuschuss von fast einer Million Euro. Im sogenannten Finanzhaushalt 2020 sind darüber hinaus neue investive Auszahlungen von fast elf Millionen Euro vorgesehen. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von „alten“ Vorhaben, vor allem Investitionen, noch nicht vollendet. Dieses Mittelvolumen mit einer Größenordnung von bis zu 20 Millionen Euro wird zusätzlich ins laufende Haushaltsjahr übertragen.
Welche Investitionen sind in dem Papier für die kommenden Jahre neu verankert?
Robert Böhmer: Hinzukommende Schwerpunkte sind die Sanierung der Allende-Oberschule, die Planung eines Feuerwehrgerätehauses in Salzenforst, der Neubau einer Dreifeldsporthalle für die Gymnasien, die Sanierung des Schiller-Kindergartens, eine Toilettenanlage am Stausee, die dringend notwendige Modernisierung des IT-Netzes der Verwaltung, die Digitalisierung der Schulen, außerdem Investitionen im Rahmen des Stadtumbauprogramms am Lauengraben. Des Weiteren zählen umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen, Brücken und die Straßenbeleuchtung dazu sowie Ertüchtigungen im Hochwasserschutz. Bis 2023 werden allein in dem Rahmen rund 57 Millionen Euro verbaut. 26,5 Millionen davon sind über Eigenmittel zu finanzieren.
Inwieweit werden beispielsweise Vereine fortan noch besser finanziell in ihrer Arbeit gefördert?
Robert Böhmer: Wir können uns natürlich viel und noch mehr wünschen. Das macht das Leben spannend. Unsere Stadt leistet jedoch im Vergleich zu Kommunen ihrer Größenordnung bisher ausgesprochen viel für Vereine – zumal dies nicht zu den Pflichtaufgaben gehört. Mit dem bunten Blumenstrauß der Wünsche verliert man schnell das Gefühl für das Machbare und den eigentlichen Erfolg, den wir in den Händen halten. Wir haben eine eigene freiwillige Sportförderung von 60.000 Euro, mit der wir jedes Jahr unter anderem vier investive Vorhaben der Sportvereine unterstützen. Der Kinder- und Jugendsport ist in unseren Sportanlagen und Hallen darüber hinaus komplett von Gebühren befreit. Wir unterstützen den Innenstadt- und den Tourismusverein mit insgesamt fast 50.000 Euro. Verschiedene Projektzuschüsse an Vereine umfassen weitere fast 25.000 Euro. Dazu kommen städtisch unterstützte Fördervorhaben wie Projekte des Europäischen Sozialfonds oder der „Partnerschaften für Demokratie“, bei denen die Stadträte im Sinne der Vereine erfreulicherweise sehr engagiert mitreden. Zudem werden auch sozial orientierte Vereine und Projektvorhaben mit 86.000 Euro direkt gefördert. Das betrifft inhaltlich unter anderem die Haftentlassenenhilfe, das ambulant betreute Wohnen, soziale Beratungsstellen, die Behindertenarbeit oder der Hospizdienst. Auch die Förderung von Jugendarbeit und ähnlichem – ohne Steinhaus – wird als Freiwilligkeitsleistung mit weiteren 45.000 Euro unterstützt. Kulturförderstrukturen habe ich jetzt nicht explizit aufgeschlüsselt, aber auch hier fordern viele noch zusätzlich Mittel für die Stadthalle Krone ein, wobei die jedoch primär eine Sache der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft BWB ist. Wir werden sehen.
Es gibt immer wieder Hilferufe aus dem Rathaus nach weiteren Verwaltungsstellen. Inwieweit ist eine Personalaufstockung angedacht und in welchen Bereichen?
Robert Böhmer: Die administrativen und rechtlichen Anforderungen und Auflagen werden für Kommunen immer größer, sodass die Kernverwaltung vielfach tatsächlich am Limit des Leistbaren ist und Personalbedarf besteht. Zusätzlich müssen wir Altersabgänge erfahrener Kollegen kompensieren. Dennoch werden Stellen im Wesentlichen lediglich im Bereich der Feuerwehr bezüglich des Brandschutzbedarfsplans und der Kindertagesstätten aufgestockt. Gestiegene Kinderzahlen, die Personalausstattung der Kita am Schützenplatz, deutlich verbesserte Betreuungsschlüssel und notwendiges, technisches Personal wie Reinigungskräfte und Hausmeister schlagen im Kita-Budget deutlich zu Buche. Leistung und Qualitätsverbesserungen kosten Geld. Zeitlich befristet wird außerdem gefördertes Personal für die anstehende Zensus-Statistik benötigt. Die Zensus-Kollegen sind Bestandteil des Stellenplans.
Wie haben sich die Personalkosten im Rathaus und auch bei den Tochterunternehmen entwickelt beziehungsweise welche Tendenz zeichnet sich für dieses noch recht junge Jahr ab?
Robert Böhmer: Die Personalkosten umfassen seit vielen Jahren stabil ungefähr 30 Prozent des Mittelvolumens im Ergebnishaushalt. So weit, so gut. Die absoluten Zahlen steigen aber stetig durch allgemeine Tarifanpassungen und Personaleinstellungen. Wie schon gesagt, waren dies in der Vergangenheit hauptsächlich Kita und Feuerwehr. Der gesamte Personalaufwand der Stadt beträgt 2020 26,3 Millionen Euro. In den Beteiligungen ist die Entwicklung ähnlich. Ursächlich für Steigerungen sind primär Tarifanpassungen aber auch neue Aufgabenübernahmen.
Unterm Strich wird die Verwaltung auch für 2020 einen ausgeglichenen Etat vorlegen?
Robert Böhmer: Es gerät schnell in Vergessenheit, was für ein Drahtseilakt sich dahinter verbirgt. Eigentlich war der Haushaltsausgleich trotz strikter Budgetanpassungen und Einfrieren jeglicher Zusagen lange Zeit in weite Ferne gerückt. Eine mehr als deutliche Warnung für die Zukunft. Erst die, entgegen der Prognosen aus Dresden, deutlich gestiegenen Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleich haben uns im Herbst 2019 noch einmal ausgeholfen.
Eine Warnung?
Robert Böhmer: Die Situation im vergangenen Jahr sollte dem neugewählten Stadtrat im Bewusstsein bleiben. Wir haben keine Verteilungsmasse, um mit immer neuen Diskussionen, Wünsche zu wecken oder gar die Verabschiedung des Haushalts zu gefährden. Vorlegen konnten wir den Etat im Dezember. Die Stadträte haben sich nun mehrheitlich gewünscht: Eine zweite Lesung und der Haushaltsbeschluss sollen im Februar erfolgen. Gleichwohl wäre dies im Januar bereits möglich gewesen. Mit einer weiteren Verzögerung würde natürlich auch die Handlungsfähigkeit der Verwaltung eingeschränkt.
Herr Böhmer, gestatten Sie uns noch zwei Fragen, um die wirtschaftliche Situation besser einordnen zu können. Arm, gutbetucht oder reich: Welcher der drei Kategorien wird Bautzen gerecht und welche Möglichkeiten bieten sich vor diesem Hintergrund für die Zukunft?
Robert Böhmer: Mit Blick auf die Finanzierung der mittelfristigen Investitionsvorhaben würden viele kommunale Kollegen sicher sagen, Bautzen ist gutbetucht. Mit einer klaren Prioritätensetzung der Vorhaben, die nicht ständig neu aufgemischt wird, können wir deshalb viel erreichen. Probleme gibt es aber bei der Deckung des laufenden Geschäfts im Ergebnishaushalt, also beim Unterhalt der Investitionen, der Erwirtschaftung der Abschreibungen, bei Personal, Kita, diversen Freiwilligkeitsleistungen, Zuschüssen, Projekten etc. Hier agieren wir am Limit. Wir sind nicht arm, aber wir haben unsere Spielräume gebunden und verkonsumiert. Für neue Wünsche und politische Gesten fehlt langsam die Luft zum Atmen.
Was gilt es zu unternehmen, damit die Spreestadt weiterhin ein wichtiger Akteur in der Region bleibt?
Robert Böhmer: Die wichtigste Grundlage einer weiter erfolgreichen Entwicklung ist, den Pfad besonnener Haushaltspolitik nicht zu verlassen. Ausgaben müssen erwirtschaftet werden. Das versteht eigentlich jeder. Dafür müssen Erträge – also Beiträge, Steuern und Gebühren – erhoben werden. Und wie im Privaten muss man sich entscheiden, welchen Traum man verwirklicht und nicht immer und überall „Ja“ schreien. Außerdem müssen wir künftig Entwicklungsimpulse geschickt aufnehmen können, wenn sie sich ergeben – möglicherweise am Güterbahnhof. Noch orientieren sich die Städte Ostsachsens vielfach an uns. Das betrifft die Kontinuität, die Verlässlichkeit, wie wir schwierige Entscheidungen durchstehen und unproduktiven Kleinkrieg vermeiden. Dafür stand Bautzen jahrzehntelang, darauf gründet unser Erfolg. Ich setze mich ein, dass dies so bleibt. Einfacher wird es mit Sicherheit nicht.