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Gemeinsame Hochwasserhilfe für Polen und Tschechien

Gemeinsame Hochwasserhilfe für Polen und Tschechien

Glatz zeigt derzeit ein Bild der Verwüstung. Foto: DFK Glatz

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Die deutsche Minderheit versorgte an der Glatzer Neiße auch das polnische Militär während der Aufräumarbeiten. Foto: DFK Glatz

Görlitz / Niesky / Glatz. Während an der Lausitzer Neiße in Deutschland die Hochwasserschäden dieses mal glimpflich geblieben sind, hat es andere Teile Niederschlesiens erheblich erwischt. Besonders schwer in Polen ist die Grafschaft Glatz (Hrabstwo Klodzkie), also das obere Einzugsgebiet der Glatzer Neiße getroffen. Zwei Staudämme brachen dort am 14./15 September, mehrere Brücken wurden durch die Gewalt des Wassers mitgerissen. Weite Teile des Glatzer Kessels, der erst durch die Schlesischen Kriege im 18. Jahrhundert von einem böhmischen zu einem schlesischen Land wurde, wurden überflutet, zahlreiche Menschen verloren ihr gesamtes Hab und Gut und sind nun auf schnelle Hilfe angewiesen. Betroffen sind besonders die Stadt Glatz (Klodzko) sowie die Orte Seitenberg (Stronie Slaskie), Ullersdorf (Oldrzychowice Klodzkie), Eisersdorf (Zelazno), Rengersdorf (Krosnowice), Wartha (Bardo) und Bad Landeck (Ladek Zdroj).

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Horst Ulbrich bei der Hilfe in Glatz Foto: Till Scholtz-Knobloch

Hilfstransporte aus Görlitz seit dem 20. September

Letzte Woche hatte der Niederschlesische Kurier bereits berichtet, dass das Schlesische Museum zu Görlitz am 20. September Hilfslieferungen aufgenommen hatte. Ein Nieskyer Mitglied des Fördervereins des Museums, der nicht genannt werden möchte, hat die Aktion auch nach Niesky getragen und dort Sachspenden von Edeka Schulze, Obi und BHG Hagebau akquiriert.

In Görlitz hat ebenso die katholische Gemeinde St. Wenzel Sachspenden gesammelt und zwar mit Partnern aus der polnischen Stadthälfte, etwa den polnischen Pfadfindern (ZHP), die ihren Sitz in der Stacja Zgorzelec, dem Bahnhof im Ortsteil Moys (Ujazd) haben. Mit der Stadt Zittau hat der Rotary Club Görlitz mit seinen Schwester-Rotarier-Clubs in Zittau und Reichenberg (Liberec) ein Spendenkonto eingerichtet. Das dort eingehende Geld wird in schwerbetroffenen Gebiete in Polen und Tschechien weitergeleitet. Bei der Überweisung bitte „Fluthilfe 2024“ angeben. Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien DE76 8505 0100 3100 0138 82, Sozialfonds e.V.

Ein weiteres Spendenkonto DE84 8505 0100 0232 0785 64 mit dem Verwendungszweck „Hochwassernothilfe Schlesien“ hat hingegen die Gemeinschaft evangelischer Schlesier (Hilfskomitee) e.V. bei der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien eröffnet. Dessen Vorsitzender, der Görlitzer Generalsuperintendent i.R. Martin Herche, betont im Telefonat mit der Redaktion, dass hier wohl vornehmlich die guten Kontakte nach Teschen zu Bischof Tomas Tyrlik von der Schlesischen evangelischen Kirche augsburgischen Bekenntnisses in Tschechien greifen. Das zwischen Polen und Tschechien geteilte Teschen (Tesin/Cieszyn) meldete Bedarf zum Beispiel für ein evakuiertes Wohnheim für Demenzkranke in Ostrau (Ostrava) sowie für Jägerndorf (Krnov) – beides Tschechien.

Ein Anruf der Redaktion bei den Görlitzer Maltesern erreicht diese auf der Rückreise von einem Hilfseinsatz in Bad Landeck im Glatzer Land, etwa 60 nordwestlich von Jägerndorf. Der polnische Kurort Bad Landeck sei den Helfern als Einsatzort von der Woiwodschaftsverwaltung von Niederschlesien vermittelt worden, berichtet der in Görlitz gebliebene Görlitzer Dienststellenleiter Bernhard Wittig. Vier LKW und eine Feldküche seien auf dem Rückweg aus Polen.

Glatzer Kessel in Polen besonders heimgesucht

In Bad Landecks Kreisstadt Glatz ist im nicht überfluteten Sitz des Deutschen Freundschaftskreises (DFK), der Organisation der deutschen Minderheit, nun ein Hilfsraum eingerichtet, in dem weitere Hilfsmaßnahmen organisiert werden. Dessen Chef, Horst Ulbrich, ist im Organisieren von Hilfen ein geübter Mann. Erst im vergangenen Monat wurde der 77-Jährige vom polnischen Kultusminister mit dem Orden der Republik Polen für sein Engagement für Bedürftige Glatzer ausgezeichnet.

Es war 2010, als Ulbrich sich klarmachte, dass den Deutschen in Glatz und Umland zu allererst soziale Hilfe zukommen müsse, bevor man sich der Kulturarbeit widme, sagt er. Horst Ulbrich ist bereits in der Bundesrepublik als Vertriebenenkind geboren und aufgewachsen. In die Heimat seiner Eltern, Eckersdorf (Bozkow), kehrte er nach der politischen Wende mit seiner Famile zurück. Zusammen mit zwei anderen Rückkehrern, Heinz-Peter Keuten und Joachim Straube, reaktivierte er den aus Altersgründen fast vor der Auflösung stehenden Deutschen Freundschaftskreis in Glatz. Dieser bestand damals faktisch nur noch aus sieben älteren Damen, die der Vertreibung entgangen waren.

Weil Ulbrich in Deutschland Sozialarbeiter gewesen ist, konnte er bald deutsche Partner für seine Hilfsaktionen gewinnen. „Wir bieten Hilfe für Medikamentenkauf, finanzieren Kohlekäufe für den Winter, wir haben ein Lager von Gehhilfen bis zu Pflegebetten und allem, was Ältere und Kranke bedürfen, egal, ob Polen oder Deutsche. Wir kümmern uns um diejenigen, die unsere Hilfe brauchen“, stellt Ulbrich klar. 

Jetzt gilt sein ganzes Engagement der Unterstützung der Überschwemmten und dem Wiederaufbau. „Ja, es ist eine Katastrophe und wir konzentrieren uns zunächst auf alte Menschen und auf Familien mit kleinen Kindern, die nichts mehr haben. Am Sonntag etwa meldete sich in der Geschäftsstelle eine betroffene Familie mit einem behinderten Kind. Ich habe wunschgemäß sofort Karre, Schaufel, Besen und ähnliches besorgt. Auch Taschenlampen und Campingkocher, da sie weder Strom noch Gas haben, und das bestimmt für länger nicht“, so Ulbrich. Mit 300 Grillwürsten haben die Glatzer Deutschen am Franziskanerkloster die ehrenamtlichen Helfer, darunter auch das Militär, versorgt. Auch er hat einen Aufruf: „Ich bitte inständig um Spenden auf unser Konto: Schlesienhilfe DE02 4945 0120 1112 5511 79“. Die scheint noch eine ganze Zeit notwendig zu sein. Glatz’ Bürgermeister Michal Piszko hatte im deutschen Fernsehen berichtet, dass die Aufräumarbeiten teurer werden als der gesamte Jahresetat der Stadt.

Klaudia Kandzia / Till Scholtz-Knobloch / 30.09.2024

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