Geschäfte mal auf die polnische Art anbahnen
Die zumeist polnischen Geschäftsleute stellten ihre Produkte und Branchen vor. Foto: M. Wehnert
Deutsche scheitern auf dem polnischen Markt mitunter, weil sie sofort einen Vertragswunsch äußern. Der Pole will erst einmal persönlich ein gutes Gefühl für den Kontrakt haben. Ein polnischer Unternehmerverband hat seine Fühler in Görlitz ausgestreckt und könnte Deutschen auch bei diesem Verständnis helfen.
Görlitz. Samstagabend. Das Obergeschoss der auch kulinarische Kleinigkeiten anbietenden Galerie Borwoski in der Neißstraße 28 füllt sich mit Gästen. Doch diese wollen keine Kunstwerke kaufen. Es sind vorwiegend polnische Geschäftsleute aus Hamburg, Berlin, Danzig und vielen kleineren Orten Niederschlesiens und aus unterschiedlichsten Branchen. Sie alle wollen in Deutschland investieren, suchen neue Absatzmärkte und möchten Kontakte stärker auch auf dem deutschen Markt knüpfen. Eingeladen hat der polenweit agierende Partnerbusinessklub (Partnerski Klub Biznesu).
Für das erste Treffen in der Galerie von Kasia Wasieleska nahe des Neißeufers hatte Katarzyna Hübner gesorgt. Auf der Leinwand sieht man alle Standorte des Klubs der Geschäftsleute in ganz Polen – nun also auch in Görlitz. Einerseits also erstmals in Deutschland und gleichzeitig auch die polnische Stadthälfte und ihr Hinterland abdeckend! Die Geschäftsfrau Katrzyna Hübner aus Leopoldshain (Lagow) hatte 2005 die erste deutsch-polnische DPFASchule direkt an der Grenze, im polnischen Teil der Neißestadt, gegründet. Ihre Schule begleitet Kinder und Jugendliche vom Vorschulkindergarten bis zum Abitur. Das Modell hat sich bewährt, 2022 kam eine weitere Schule im 100 km entfernten Liegnitz (Legnica) hinzu, die zudem mit Mercedes-Benz Polen zusammenarbeitet und den Schülern Praktikumsplätze in Aussicht stellt.
„Durch Katarzyna Hübner habe ich ihren Ehemann, den Bäckermeister in vierter Generation Armin Hübner aus Horka, kennengelernt“, so Michal Huzarski. Der gebürtige Liegnitzer hat durch sein Studium die ersten geschäftlichen Schritte in Danzig gemacht, eine Kaschubin geheiratet und betreut im Rahmen des Partnerbusinessclubs Unternehmer in Liegnitz und Umgebung. „Katarzyna hatte mich und unseren Chef für die Woiwodschaft Niederschlesien in die Bäckerei ihres Mannes nach Horka gebracht. Bäckermeister Armin Hübner fragte uns ganz pragmatisch: ‚Was könnt ihr für mich tun?‘
Ich schaute mich um und sah, dass Armin Liegnitzer Bomben herstellt.“ Und die ist der polnischen Bevölkerung als deutsches Erbe nicht bekannt.
„Armins Bombe war die Erste, die ich, ein 47-jähriger Liegnitzer, im Leben probiert hatte! Das Zweite, was unser Interesse weckte, war Armins Dosenbrot. Weil unser Partnerklub auch karitativ unterwegs ist, kam mir sofort in den Sinn: Brot in Büchsen lässt sich wunderbar in Notgebiete verschicken. So entstehen Netzwerke“, sagt Huzarski. Zu einem nächsten Treffen in Görlitz möchte er OB Octavian Ursu einladen, damit er sieht, wie Netzwerke und Ideen in einer ungezwungenen Atmosphäre purzeln. Das funktioniert in Polen eben ganz anders als in Deutschland, wo erfolgreiche Unternehmer gerne hinter hohen Mauern leben, den Erfolg still und dezent genießen, aber bei der Suche nach Geschäftspartnern mit ihrem Anliegen gerne mit der Tür ins Haus fallen. Der Pole hingegen baut erst lange Vertrauen auf, lädt avisierte Geschäftspartner daheim zum Grillen ein und kommt dann am vierten Abend vielleicht mit einer Idee an, wenn der Deutsche längst sein Hirn matert, wieso denn immer noch kein Vertrag unterschrieben wurde. Diese Unterschiede verstehen zu lernen, könnte also ein interessanter Aspekt sein, dass erstmals ein Partnerbusinesstreffen in Deutschland auftritt – und Görlitz ganz vorne!
Für Bäckermeister Armin Hübner ist es das fünfte Treffen, bei dem er mitmacht. Er freut sich, dass die polnischen Partner so locker darauf sind, bei ähnlichen Treffen deutscher Unternehmer geht es besagt zugeknöpft zu, sagt er. Das Mitgliederwerben auf den Leinwandpräsentation setzt so auch stark auf Mehrwerte. Gemeinsame Urlaubsreisen sollen Geschäftspartner auch in der Freizeit zusammenbringen. Oft werden Provisionen bei Vertragsabschlüssen abgezweigt, die wiederum ambitionierten Fußballklubs wie Slask Breslau, Miedz Liegnitz (Legnica) oder Zaglebie Lüben (Lubin) zugute kommen.
Es wird zwar viel geredet, aber bloßes Palaver sei es für ihn nicht, sagt der Horkaer: „Zum vorherigen Treffen in Liegnitz hatte ich einen deutschen Bekannten mitgenommen, der am Anfang skeptisch war. Doch danach musste er feststellen, dass er seit zehn Jahren in Deutschland nach einem Geschäftspartner gesucht hatte, den er letztendlich in Liegnitz fand“, so Hübner, der auch nach Görlitz nicht alleine kam. Er brachte den Geschäftsführer des Bürgerhauses Niesky, Jörg Kalbas, mit. Dieser sucht in erster Linie Mitarbeiter für sein Haus, aber in Anbetracht der durch die Decke gehenden Baukosten hörte er sich auch nach Partnern in der Baubranche um. Er streckte seine Fühler nach Baufirmen aus, die schnell und effektiv bauen: „Dass ich mich heute als Abfallprodukt auf Baufirmen konzentrieren würde, habe ich so auch nicht erwartet. Für mich ist das hier, wie eine Messe“, lacht er.
Armin Hübner ist zufrieden, denn nächste Woche geht sein Dosenbrot zum ersten Mal in die Vereinigten Arabischen Emirate – über Polen: „Mit deutscher Hilfe ist das nicht passiert. Ich spreche zwei Sprachen fließend, kenne den polnischen Markt und ich kann auch gut als Zwischenhändler agieren“, so Hübner, der an diesem Abend gleich mehrere Unternehmer mit Tipps oder gar konkreten Firmenkontakten bedienen kann.
„Görlitz ist unsere Tür in die westliche Welt des Business“, sagt Huzarski. „Unsere Vision ist es, eine starke Gemeinschaft von Unternehmern zu schaffen, die ihre Erfahrungen teilen, sich gegenseitig unterstützen und dauerhafte Geschäftsbeziehungen aufbauen“ und er ruft mantrahaft auf: „Denke an Beziehungen, nicht an Transaktionen, denn diese kommen mit der Zeit von selbst“.