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Geschichte ist oftmals brüchig wie das Glas

Geschichte ist oftmals brüchig wie das Glas

Arbeitet wie Graveure vor hundert Jahren – Glaskünstler Marcin Zielinski Foto: Klaudia Kandzia

Görlitz / Altenberg. Künstler und Orte ihres Schaffens sind Stationen einer Exkursionsreihe durch Niederschlesien, die vom Schlesischen Museum Görlitz im Rahmen des Projektes Satelliten organisiert werden. Der Name Satelliten fiel Initiatorin Agnieszka Bormann ein, weil Künstler um die es geht, meist Absolventen der Breslauer Kunstakademie sind und der Metropole den Rücken kehren. „Sie schwärmen aufs Land aus und wie Raumpioniere erschließen sie ihre neuen Orte, gestalten sie und ziehen andere mit“, erläutert sie. An einer Satellitenbeobachtung hat der Niederschlesische Kurier teilgenommen. Im höchstgelegenen Ort des Bober-Katzbachgebirges, in Altenberg (Radzimowice), hat sich Marcin Zielinski niedergelassen. Der Glaskünstler, Bildhauer, Schleifer und Graveur wollte von Kindesbein an, wie sein Vater Konstanty, mit Glas arbeiten. „Mein Vater hat mich zu seinem Arbeitsplatz in die Graveurwerkstatt der Glashütte Sudety (Sudeten) mitgenommen. Das war in Rückers (Szczytna)“, so Zielinski. Diese Glashütte produzierte um 1870 kunstvoll geschliffenes Kristallglas. Zielinski weist stolz auf eine Schleifmaschine, die sogar noch von den Gründern der Glasschleiferei in Rückers, den Rohrbachs, signiert ist. „Mein Vater war immer bemüht, altes Werkzeug zu retten“, sagt er. Als die alten Hütten zu kommunistischen Zeiten modernisiert wurden und viele dann nach der politischen Wende in Polen geschlossen wurde, machten sich Konstanty und sein Sohn Marcin auf, die Werkzeuge vor ihrem Gang auf Müllhalden zu bewahren. Selbst ausgehärtete Glasfragmente aus den demontierten Öfen hatten die beiden gesammelt. „Mein Vater sagte: ‚daraus werden wir Skulpturen schaffen’. Und so habe ich diese schweren Glasbrocken nach Hause geschleppt. Zwei Tonnen. Das Glas stammte hauptsächlich aus den Hirschberger (Jelenia Gora) Optischen Werken. Dort wurden auch Visiere für russische Panzer produziert”, sagt er. „Mein Vater meinte, wenn Du es mit dem Glas ernst meinst, musst du anfangen, alte Glasbrocken zu sammeln. Wir kauften die Bestände schließender Hütten auf und lagerten alles im Keller. Irgendwann hatte meine Mutter keinen Platz für ihre Einmachgläser mehr“, lacht er. Aus diesen Glasbrocken entstehen in seinem Glasatelier Skulpturen.

„Ich habe von den Besten gelernt: von meinem Vater, der wiederum bei Irena Wedziagolska – einer Schülerin von Meister Ressler – lernte. Ressler war einer der allerbesten Graveure der 30er Jahre in Schlesien. Nach Kriegsende behielt man ihn in Breslau. Er musste erst einmal sein Können an einen Polen weitergeben. Es war Wedziagolska, der Ressler auch seine Werkstatt vermachte. Und diese Werkstatt sehen sie jetzt hier bei mir“, erzählt Zielinski. In dieser Werkstatt findet man ausschließlich Werkzeuge, mit dem bereits vor hunderten Jahren gearbeitet wurde.

Im 13 Kilometer von Altenberg entfernten Kleinhelmsdorf (Dobkow) hat Krzysztof Rozpedowski und seine Ehefrau Ewelina das Gasthaus Villa Greta aus Ruinen geschaffen. Villa Greta ist eine Hommage an Krzysztofs Grußmutter Margarethe, die einzige verbliebene Deutsche im Ort. Greta ist durch die Heirat mit einem Polen nach Kriegsende nicht wie die anderen vertrieben worden. Sie lernte polnisch und richtete sich so gut sie konnte in der neuen Ordnung ein. Seit drei Jahren lebt und arbeitet auf dem Villa-Greta-Hof ein weiterer Enkel Gretas, Dawid Kowalski aus Osnabrück. 2020 hat Kowalski aus einer Scheune eine Keramikwerkstatt geschaffen. Nun bietet er Kurse für Erwachsene und Kinder an und erzählt dabei auch die eine oder andere Anekdote über seine Oma. „Man sagte im Dorf, Greta wäre ganz besonders fromm gewesen. Ständig wollte sie beichten. Der Grund ihrer häufigen Beichtstulbesuche war, dass der Pfarrer im Dorf der einzige war, mit dem sie deutsch sprechen konnte“, erzählt Kowalski. „Sie hat es nicht leicht gehabt, als einzige Deutsche im Ort“, sagt er, aber sie hätte aus ihrem Leben das Beste gemacht und das versuchen ihre Enkel in der Villa Greta jetzt auch. Zu solchen Menschen und Orten führt das Projekt Satelliten.

Im September streckt das Museum die Fühler geografisch etwas näher aus – dann dreht sich alles um Glas- und Keramikkunst im polnischen Teil der Oberlausitz. Informationen gibt es auf der Internetseite schlesisches-museum.de.
 

Klaudia Kandzia/tsk / 04.08.2022

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