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Glosse: Ey, Alter ey, Löwenberg in Schlesien, ey!

Glosse: Ey, Alter ey, Löwenberg in Schlesien, ey!

Der Moment, in dem Christoph Maria Herbst als Behördenleiter klar wird, dass türkische Tänzerinnen „sein“ Schlesienzimmer in Beschlag genommen haben. Screenshot ZDF: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz. Man sieht sich immer zwei mal im Leben heißt es, und das bewahrheitet sich nun wohl wieder. Bevor ich als schlesischer Vertriebenenspross über ein Geschichts- und Politikstudium im Journalismus landete, hatte ich mein Berufsleben beim Landkreis Hannover begonnen. In der ersten Ausbildungsabteilung im Hauptamt schlurfte mein Abteilungsleiter damals völlig widerwillig – ohne vorher etwas zum Ziel zu sagen – mit mir durch die Gänge zu einem entlegenen Raum. Ein Anrufer hatte um den Schlüssel gebeten, um sich die im Kreishaus untergebrachte Löwenberger Heimatstube anzuschauen. Die ganze Widerwilligkeit meines Chefs dokumentierte den schäbigen Umgang mit der Geschichte schon damals und korrespondierte mit der unwürdigsten letzten Ecke für die Ausstellung in der Behörde. Nach dem lästigen Besuch wurden Kollegen beim Kaffee noch informiert, dass seit langem mal wieder jemand doch ernsthaft dieses „verstaubte schlesische Gruselkabinett“ sehen wollte. Einen ganz anderen Zugang zum Thema hatte ich, nachdem mein Vater – Redakteur im nahen Neustadt am Rübenberge – mich Jahre zuvor noch als Dreikäsehoch zu einer Berichterstattung in die dortige Seidenberger Heimatstube mitgenommen hatte; Seidenberg (Zawidow) – der so nahe Geburtsort Jacob Böhmes. Das Erleben der Gegensätze beider Besuche traf mich später als Auszubildender bis ins Mark!

Das alles liegt nun fast vierzig Jahre zurück, doch am Dienstag kam die Meldung vom Schlesischen Museum: „Die Unterzeichnung des Schenkungsvertrages zwischen dem Heimatbund Kreis Löwenberg e. V. und dem Schlesischen Museum zu Görlitz findet am 12. November, 11.00 Uhr, statt. Zugleich unterzeichnen Museumsdirektorin Dr. Agnieszka Gasior und der Bürgermeister von Gemeinde und Stadt Löwenberg (Lwowek Slaski) Dawid Kobialka den Leihvertrag.“

Mit dem Aussterben der Erlebnisgeneration sind manche Sammlungen bereits über die Vermittlung oder längere Sachwaltung im Schlesischen Museum Görlitz in ihre Ursprungsgebiete zurückgekehrt. Die Löwenberger Sammlung soll nun in öffentlichen Einrichtungen in Löwenberg, in Greiffenberg (Gryfow Slaski) und Liebenthal (Lubomierz) aufbewahrt und präsentiert werden. Die Lade der Greiffenberger Kaufmannschaft, eine mit Intarsien verzierte Truhe, ist das einzige Objekt, das zunächst im Schlesischen Museum zu Görlitz bleiben wird. Sie enthält bedeutende Archivalien wie Protokollbücher, Mitgliederverzeichnisse und Korrespondenzbücher ab 1794. Die Lade wird zunächst vom 13. November bis zum 5. Januar 2025 in der Dauerausstellung des Schlesischen Museums zu Görlitz gezeigt.
Doch zurück zur schwierigen Erinnerungskultur um Schlesien in Deutschland. Meine Erinnerung an den Umgang mit den verstaubten Schlesischen Heimatstuben erfuhr 2013 eine „Auffrischung“ durch den Film „300 Worte Deutsch“, in dem Christoph Maria Herbst (Stromberg) einen natürlich latent „rechten“ Leiter der Ausländerbehörde in Köln spielt, der ’sein’ Schlesienzimmer in seiner Behörde in Ehren hält. Und um die Klischees auf die Spitze zu treiben, wird gegen seinen Willen das meist brachliegende Zimmer auf einmal kulturell umfunktioniert. Sympathische junge Türkinnen in Kopftüchern dürften den Raum zum Ärgerndes Behördenleiters für ihre Türk-Pop-Tanzübungen in Beschlag nehmen. Einerseits rührselig, nur eben durch die Art der Abwicklung mit schmerzenden „Lachern“ gespickt – Ey, Alter ey, Schlllesien, was isch das, ey? 

Till Scholtz-Knobloch / 11.11.2024

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