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Görlitz: Demos für und gegen Flüchtlinge

Görlitz: Demos für und gegen Flüchtlinge

Für Samstag, 3. Oktober, wurde auf dem Postplatz eine Demonstration gegen Ãœberfremdung angemeldet, auf Marien- und Wilhelmsplatz wird zur gleichen Zeit für ein Willkommen der geflüchteten Menschen demonstriert. | Foto: Archiv/DRK

Görlitz. Der Tag der Einheit wird in Görlitz offenbar nicht nur ein Feiertag zu Ehren der deutschen Wiedervereinigung, sondern auch ein Tag, an dem das Thema Flüchtlinge eine ganz besondere Rolle spielt. Mehrere Parteien, Bürgerinitiativen und Organisationen haben Kundgebungen angemeldet, über deren Zulassung im Landratsamt intensiv beraten wurde.

Ausschlaggebender Punkt der Aktivitäten am Tag der deutschen Einheit ist der Aufruf der Facebook-Community „Görlitz wehrt sich – Eure Stimme gegen Überfremdung“, am 3. Oktober, 18.00 Uhr, auf den Postplatz zu kommen und dort unter dem Motto „Grenzen sichern, Gewalt und Kriege stoppen“ zu demonstrieren. Wer sich konkret dahinter verbirgt, lässt sich aktuell schwer einschätzen. Aus dem Landratsamt, der Genehmigungsbehörde, gibt es keine Auskünfte dazu.

Auf der Facebook-Seite wird die in Deutschland aktuell betriebene Flüchtlingspolitik kritisiert und aufgerufen: „Lasst uns friedlich in unserer Stadt Gesicht zeigen. Dabei ist es egal ob man arm, reich, jung oder alt ist. Erlaubt sind anerkannte Landesfahnen, Deutschland-Fahnen, Sachsen-Fahnen sowie andere Fahnen der Bundesländer. ... Glasflaschen und Gegenstände, die als Waffe benutzt werden können, sind ausdrücklich verboten. ... Während der Veranstaltung herrscht absolutes Alkoholverbot. Bereits alkoholisierte Teilnehmer werden von der Veranstaltung ausgeschlossen. Desweiteren sind Transparente mit ausländerfeindlichen Inhalten sowie Rufe dieser Art zu unterlassen.“

Inzwischen haben sich etliche Facebook-Nutzer mit der Community „Görlitz wehrt sich – Eure Stimme gegen Überfremdung“ solidarisiert und ihr Kommen angekündigt. So auch der „Widerstand Bautzen“, der auf seiner eigenen Facebook-Seite das gleiche aufgeschnittene W als Logo hat wie die Görlitzer. Und wie „Oppach wehrt sich“, „Widerstand Sachsen“ oder „Widerstand NRW“. Welche Initiatoren sich dahinter verbergen ist auch auf der Bautzner Facebook-Seite nicht herauszubekommen.

Stattdessen gibt es dort ein „Offizielles Statement“, das die Zielrichtung vorgeben soll: „Wir sind eine Widerstandsbewegung, die gegen das politische Fehlverhalten unserer Regierung und anderer Parteien ist. Wir stehen gegen Ausnutzung des Asylrechts, politisches Fehlverhalten unserer Politiker, in der Asylpolitik und deren Äußerungen gegen das eigene Volk. Wir unterstützen weder fremdenfeindliches Gedankengut, noch irgendwelche volksverachtenden Äußerungen, egal von welcher Seite kommend.“Im Landratsamt liegt die Anmeldung der Demonstration seit Längerem vor. „Am Donnerstag vergangener und am Montag dieser Woche fanden mit allen Anmeldern unter Beteiligung der Polizeidirektion und der Stadt Görlitz Kooperationsgespräche statt“, erklärt Sprecherin Marina Michel. Dabei seien mit den Versammlungsleitern der Ablauf und eventuelle Abweichungen zur jeweiligen Anmeldung besprochen worden. „Da es keine gravierenden Abweichungen gibt, können die Versammlungen wie angemeldet durchgeführt werden.“

Kooperationsgespräche mit allen relevanten Partnern seien üblich, erklärt sie, mit dem Ziel, sämtliche Aktionen sicher durchzuführen. Tatsächlich sind am 3. Oktober neben der Veranstaltung auf dem Postplatz und dem Demonstrationszug über Berliner und Jakobstraße mehrere weitere Aktivitäten geplant. So sind nach jetzigem Informationsstand der ideenfluss e.V. und das Görlitzer Willkommensbündnis ab 14.00 Uhr mit einer Feier zum 25-jährigen Jubiläum der deutschen Einheit auf dem Marienplatz aktiv. In einem bis 22.30 Uhr dauernden Programm treten die Neue Lausitzer Philharmonie, die Newcomer-Band „Summer Rock“, „Topic Today“ und als Hauptact „Sons of Settlers“ aus Kapstadt auf. Zwischendurch gibt es ein moderiertes Podiumsgespräch mit Akteuren aus den Bereichen Stadtentwicklung, Denkmalpflege und Wirtschaft.

Alternativer Text Infobild

Die südafrikanische Band "Sons of Settlers" ist am 3. Oktober bei der Feier des ideenfluss e.V. und des Willkommensbündnisses Görlitz auf dem Marienplatz zu hören. | Foto: PR

Die ebenfalls für den Marienplatz angemeldete Kundgebung der Partei Die Linke wurde inzwischen abgesagt. Kreisvorsitzender Mirko Schultze begründet dies mit der inhaltlich übereinstimmenden Veranstaltung auf dem Wilhelmsplatz, an der man sich nun beteiligen wolle: „Es kommt jetzt darauf an, allen Menschen, die Solidarität, Humanismus und Nächstenliebe nicht nur für eine Worthülse halten, einen gemeinsamen Raum zu bieten.“

Auf den Wilhelmsplatz lädt ab 17.00 Uhr das Bündnis „Görlitz weltoffen“ ein, zu dem unter anderem DGB, Studierendenclub Die Maus, Augen auf – Zivilcourage zeigen, Willkommensbündnis Görlitz, Piratenpartei und Bündnis 90/Die Grünen gehören. Auf der Bühne werden mehrere lokale Bands auftreten, außerdem stellen alle Bündnispartner ihre Positionen zur derzeitigen Flüchtlingsproblematik dar. Initiatorin Carolin Mahn-Gauseweg: „Es soll eine Art politisches Straßenfest werden. Nach Möglichkeit wollen wir die Aktivitäten vom Wilhelmsplatz und Marienplatz verbinden.“ Die Stimmung unter den Görlitzern zum derzeit meistdiskutierten Thema Flüchtlinge kann sie nur bedingt einschätzen: „Das Echo in den sozialen Netzwerken ist ein ganz anderes als wenn man mit Menschen aus dem Dunstkreis des Stadtrates spricht.“

Auch Mirko Schultze, der für Die Linke im sächsischen Landtag sitzt, äußert sich differenziert: „Ich denke, in Görlitz ähnelt die Situation der in ganz Sachsen. Es gibt Menschen, die sind wegen des Flüchtlingszustroms skeptisch, weil ihnen die Informationen fehlen. Die aber sagen, wir müssen diesen Leuten helfen. Eine andere große Gruppe will ihre ‚eigene Scholle‘ sichern und ist deshalb nur wenig an der Problematik interessiert.“ Die Gefühlslage, dass durch die fremden Menschen eine Bedrohung entsteht, sei diffus. Und in Görlitz eigentlich lächerlich: „Wir reden hier über rund 300 Flüchtlinge, die jetzt in unserer Stadt leben. Eine solche Größenordnung sollte für eine Kommune wie Görlitz wirklich keine Schwierigkeit sein.“

In einer gemeinsamen Erklärung hatten sich Oberbürgermeister Siegfried Deinege und die Fraktionen des Stadtrates für eine „weltoffene und tolerante Stadt“ ausgesprochen. Die Europastadt sei seit Jahrhunderten ein Ort, der verschiedene Menschen, Religionen und Kulturen zusammenbringt. Görlitz stehe für gelebte Solidarität und Hilfsbereitschaft. Populismus, Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hätten keinen Platz in der Stadtgesellschaft. Der OB und die Stadtratsfraktionen stünden für eine „aufgeschlossene, menschenfreundliche und herzliche Stadt, die Heimat für alle Menschen sein will, die unsere Verfassung und unsere demokratischen Werte achten.“

Frank-Uwe Michel / 02.10.2015

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