Görlitzer Arzt will Impfverweigerer nicht mehr behandeln
Vor der Praxis von Dr. Hedrich in der Joliot-Curie-Straße wirbt dieser auch für eine Impfung in seiner Praxis. Foto: T. Scholtz-Knobloch
Görlitz. „Aufgrund des niedrigen Infektionsgeschehens ist das Bürgertelefon im Gesundheitsamt des Landkreises Görlitz am Mittwoch eingestellt worden“, hieß es letzte Woche in einer Pressemitteilung aus dem Landratsamt. Während dieses zumindest eine Pause eingelegt hat, sorgte Dr. Henry Hedrich in Görlitz für einen Höhenflug der Emotionen rund um den Umgang mit Corona.
In Internetforen waren Bilder eines Aufstellers in seiner Praxis zu sehen, auf dem es hieß: „Wegen persönlicher Befangenheit kann ich keine Corona-Leugner oder Impfverweigerer behandeln! Sollten Sie zu dieser Personengruppe gehören, wenden Sie sich bitte an Dr. Tinzmann oder Frau Abidi. Fragen oder Zweifel zur Corona-Schutzimpfung kläre ich jedoch gern mit ihnen!“
Dr. Ralph Tinzmann bestätigte der Redaktion des Niederschlesischen Kuriers auf Anfrage, dass er unter anwaltlicher Einschaltung den Kollegen zur Unterlassung des Aushangs aufgefordert habe. Weit überraschter über den Angriff als solchen zeigte sich Dr. Sabrina Abidi. Trotz gewisser Nähe beider Praxen hätte es zwischen ihr und Dr. Hedrich bislang keinen engeren Kontakt gegeben. „Ich kann mir nicht erklären, wieso der Kollege gerade mich unter Beschuss genommen hat“, sagte sie der Redaktion. Dies sei umso unverständlicher, sofern der Groll auf reinem „Hörensagen“ über ihre Einstellung beruhen würde. Sie habe Dr. Hedrich also angerufen und ebenso eine Unterlassung verlangt, im Gespräch habe es jedoch seitens ihres Kollegens kein Wort einer Entschuldigung gegeben. Im Gegensatz zu Dr. Tinzmann, der Proteste gegen den Maskenzwang auf dem Postplatz angeführt hatte, trat Dr. Abidi öffentlich bislang nicht hervor.
Dr. Henry Hedrich teilte auf schriftliche Anfrage des Niederschlesischen Kuriers mit, dass er seinen Aufsteller in seiner Praxis als Beitrag gesehen habe, eine ins Stocken geratene Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu befördern. In seiner Praxis habe er festgestellt, dass eine Impfmüdigkeit besonders unter 20-bis 50-jährigen zu verzeichnen sei.
Zweifelsohne hat die Nervosität in Sachen Erhöhung der Impfquote zugenommen. Die Stadtverwaltung hatte am Donnerstag letzter Woche mitgeteilt: „Um ein niederschwelliges Impfangebot bieten zu können, wird es am kommenden Wochenende (17./18. Juli) auf dem Schlesischen Tippelmarkt zu Görlitz eine mobile Impfstation geben. In der Schenkendorffhalle soll ein entsprechender Termin noch einmal am 14. und 15. August stattfinden. Ein mobiles Impfteam soll auch diesen Sonnabend und Sonntag bereits zwischen 9.00 und 13.00 Uhr auf dem Marienplatz den Impfstoff des Herstellers Biontech/Pfizer verimpfen.
Den provokanten Rundumschlag des Görlitzer Arztes prangerten Internetdiskutanten als Verleumdung von Kollegen und vor allem als einen Verstoß gegen den Hippokratischen Eid an – Ärzte sollten nicht selektieren, sondern unvoreingenommen helfen. Die Sächsische Zeitung schenkte Dr. Hedrich Anfang der Woche viel Raum für einen „Weckruf“. Unter anderem betonte Hedrich hier: „Einerseits sind es die sozialen Medien, die auf anonymer Basis Unwahrheiten verbreiten dürfen – ein eklatanter Missstand unserer Gesellschaft!“. Liest sich hieraus auch noch die Infragestellung letzter Refugien einer demokratischen Gegenrede? Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass gerade unter medizinisch Vorgebildeten Skepsis gegenüber Impfungen oft groß ist. Eine Krankenschwester, die aus Angst vor Konsequenzen nicht mit Namen und Krankenhaus genannt werden will, sagte der Redaktion: „Unter meinen Kolleginnen ist die Verweigerungshaltung gegenüber einer Impfung enorm. Ich selbst bin jung und habe vor allem Angst um meine Fruchtbarkeit.“
In der Facebookdebatte hatte ein Diskutant erklärt, er habe den fragwürdigen Aufsteller der Sächsischen Landesärztekammer gemeldet. Gegenüber dem Niederschlesischen Kurier betonte deren Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Knut Köhler, zunächst am Montag, dass zum Sachverhalt noch noch keine Aussage getroffen werden könne, da die Prüfung der Hinweise aus der Bevölkerung erst begonnen habe. Eine solche Prüfung könne auch mehrere Wochen dauern, so Köhler weiter telefonisch.
„Grundsätzlich darf ein Arzt einen Patienten abweisen, wenn z.B. die Arzt-Patienten-Beziehung nachhaltig gestört ist. Davon ausgenommen ist ein Notfall. Dort muss der Arzt behandeln. Ob tatsächlich ein Notfall vorliegt, stellt der Arzt fest“, relativierte Köhler jedoch in der Bevölkerung gehegte Annahmen zum Hippokratischen Eid. So erklärte Dr. Hedrich dem NSK auch, ein Impfverweigerer würde ihm gegenüber zum Ausdruck bringen: „Ich vertraue Deiner ärztlichen Empfehlung nicht!“.
„In § 7 Abs. 2 Satz 2 der Sächsischen Berufsordnung für Ärzte ist geregelt, dass – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch der Arzt frei ist, eine Behandlung abzulehnen. Von dieser Ablehnungsmöglichkeit mache ich bei beharrlichen Impfgegnern aus oben genannten Gründen Gebrauch“, so Hedrich, der weiter erklärt: „Selbstverständlich behandeln wir auch weiterhin Notfälle, ungeachtet der Gesinnung, Herkunft oder Sprache etc.“ Immerhin, möchte man fast sagen...
Die Landesärztekammer teilte der Redaktion dann jedoch bereits am Dienstag mit: „Auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung bzgl. eines Aushanges in einer Arztpraxis in Görlitz hat die Sächsische Landesärztekammer gestern den Vorgang geprüft. Die Prüfung hat ergeben, dass der besagte Aushang bereits am 16. Juli 2021 abgenommen wurde und daher keine weiteren Schritte unternommen werden müssen.“
Dieser Schweinsgalopp dürfte Dr. Tinzmann und Dr. Abidi indes kaum zufriedenstellen, denn über die Fragwürdigkeit einer eventuellen Rufschädigung wurde damit gar nicht geurteilt.