Görliwood - Von der Filmkulisse zur Filmindustriestadt
Beim Wolfslanddreh mit Yvonne Catterfeld auf dem Görlitzer Demianiplatz Foto: Matthias Wehnert
Über den Stettiner Dokumentarfilmer Michael Majerski bei Dreharbeiten in der Region berichtete der Niederschlesische Kurier im September 2020. Auch Dokumentarfilme sollen künftig von der Görlitzer Filmakademie profitieren können.
Foto: Michael Majerski
Görliwood will bei sich die Filmindustrie mit der jüngst gegründeten Filmakademie entwickeln. Doch wird die Ankurbelung dieses Wirtschaftszweiges auch das Image als touristische Perle fördern?
Görlitz. Die Sächsische Filmakademie GmbH hat sich mit ihren drei Gesellschaftern, der Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e.V. (Produktionsallianz), der Hochschule Zittau/Görlitz und der quasi städtischen Europastadt GmbH gegründet und am 19. August der Presse vorgestellt.
Conrad Clemens, der familiär aus Herrnhut stammende Chef der Staatskanzlei und Sächsische Medienminister richtete seinen Dank „für die Hartnäckigkeit“ bei der Entwicklung des Projekts an Oberbürgermeister Octavian Ursu und kritisierte, dass große deutsche Filme zu oft im Ausland gedreht würden. „Um den Produktionsstandort Deutschland auch international wieder wettbewerbsfähig zu machen, setzen wir uns neben der Nachwuchsförderung für eine große Filmreform ein. Wir müssen für deutsche und internationale Produktionen mit der Neuordnung der Filmförderung und einem attraktiven Steueranreizmodell bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit filmische Geschichten nicht nur über Deutschland erzählt werden, sondern auch hier entstehen.“
Die politische Begleitmusik schwebte letztlich dann doch über der Pressekonferenz, denn eine so enge Partnerschaft aus öffentlicher Hand, Wissenschaft und Privatwirtschaft klingt in Zeiten einer beängstigenden Staatsquote eher nach einem neuen Impuls, aus der freien Marktwirtschaft immer weiter in Korporatismus zu gleiten. Oder auf Deutsch: Der Rubel rollt nur noch dort, wo die öffentliche Hand initiiert, den Markt nicht mehr machen lässt und kaum mehr erkennbar ist, ob eine private Idee ihren Lauf nimmt oder doch jemand reguliert, wohin die Reise gehen soll.
Der Frage des Niederschlesischen Kuriers, ob diese Entwicklung sich hier nicht ebenso abzeichne, hielt Hochschulrektor Prof. Alexander Kratzsch entgegen, dass es ja gerade darum ginge, ein Produkt in den freien Markt zu transferieren und mit einer öffentlichen Förderung sei das eben attraktiv. So hatte Octavian Ursu in seinen einführenden Worten das Projekt auch als einen verlängerten Arm der Wirtschaftsförderung beschrieben. Im fünfköpfigen Aufsichtsrates der Sächsischen Filmakademie GmbH wird so auch Kerstin Gosewisch vom Filmbüro der Europastadt GmbH vertreten sein.
Die Problematik der Interessenverquickung förderte Alexander Kratzsch eher noch, als er hervorhob, dass Görlitz unter anderem dank Deutschem Zentrum für Astrophysik (DZA) und Senckenberg Potenzial hat, um hier etwa Wissenschaftsfilme zu etablieren. Es werde ja zunehmend die Frage gestellt, wie glaubhaft Wissenschaft heute sei und dies verlange erklärt zu werden. Doch spricht diesen Rechtfertigungsdruck aufzunehmen nicht eher dafür, dass Wissenschaft tatsächlich zunehmend in der Zwitterstellung steckt, freie Lehre anzustreben und öffentliche Erwartungshaltungen wissenschaftlich unterfüttern zu sollen?
Dass die Hochschule mit dabei ist – dies betonte auch der OB – läge einfach daran, dass man mit ihr Bildungsangebote nun gleich auch zertifizieren könne und nicht jahrelange Zertifizierungsprozesse abwarten müsse. Filmproduzentin Grit Wißkirchen, die die Filmakademie als Geschäftsführerin leiten wird, schweben ab Jahresanfang 2025 vor allem auch Abendschulangebote vor, denn viele Filmjobs sprächen vorrangig Studenten oder Berufstätige an. Während etwa Kulturwissenschaftler kreative Köpfe der Filmindustrie werden könnten, sei im Handwerk viel Potenzial für die Kulisse. Beides verdichtete sich in der Bemerkung von Prof. Kratzsch, der bei der Wirtschaftsförderung durch die Filmwirtschaft auch viele Sekundäreffekte sieht, in der Aussage, Görlitz strebe nun danach von einer Filmkulissenstadt zur Filmindustriestadt zu werden.
Das veranlasste die Redaktion nachzufragen. Als Kulissenstadt nimmt der Kinobesucher oder Fernsehzuschauer in der Regel nicht wahr, dass die prächtige historische Bebauung im Bild Görlitz zeigt. Sie wird als Berlin, London oder sonst etwas angeboten. Hingegen vermittle die einzige Görlitz als Handlungsort zeigende TV-Produktion ’Wolfsland’ Görlitz als Stadt düsterer Ecken und mit unterbelichteter Bevölkerung. Das Podium war sich einig, dass man Filmindustrie zunächst einmal in ihren Erwartungen bediene, aber die ständige Gegenwart in Görlitz die Hirnzellen quasi arbeiten lasse. Grit Wißkirchen beschrieb sich selbst als als echte Netzwerkerin mit guten Kontakten insbesondere nach Kanada, aber auch nach Tschechien, während ihr Draht nach Polen noch ausbaufähig sei. Vielleicht hängt manches am Ende einfach davon ab, wie warm sie selbst mit Görlitz wird.