Großer Festakt zur Denkmalseinweihung in Zittau
Seit mehreren Jahren thront der lange verschollene Adler wieder auf dem Denkmal der 102er im Bereich der ehemaligen Baugewerkeschule am Zittauer Stadtring. Foto: Steffen Linke
Zur Einweihung des Denkmals der 102er war der große Platz von den Festteilnehmern völlig gefüllt. Es war ein bewegender Moment, als die Salven verhallt waren. Foto: Sammlung Uwe Preuß
Zittau. Die im puren Sonnenschein wehenden Fahnen an den Häusern und öffentlichen Gebäuden von Zittau grüßten am Samstag, 27. August 1921, die zu Tausenden aus allen Himmelsrichtungen anreisenden ehemaligen Offiziere und Soldaten des 3. Königlich Sächsischen Infanterie-Regiments Nr. 102 „König Ludwig III. von Bayern“. Alle Jahrgänge waren vertreten. Offiziere und Soldaten aus den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis zu den jüngsten von 1918. Sie alle kamen, um bei der Einweihung des Ehrenmals für die gefallenen Kameraden ihres Regiments dabei zu sein. Es war das erste Treffen der ehemaligen 102er, denn das Regiment gehörte seit drei Jahren der Geschichte an.
Das von einer Leinwandhülle verdeckte Denkmal hob sich hell gegen das dunkle Grün der Bäume hervor. Foto: Sammlung Uwe Preuß
Zittau hatte sich schon im Vorfeld ehrenvoll auf das Treffen vorbereitet. Den Bewohnern der Stadt wurden große Mengen Reisig zur Verfügung gestellt, um an den Festtagen Häuser und Straßen mit Kränzen und Girlanden schmücken zu können. Bereits am 24. August wurde die Ausstellung der 102er in der Höheren Webschule eröffnet, die schon vor Beginn der Festlichkeiten auf großes Interesse stieß und ein Glanzpunkt der Festtage werden sollte. Kunstmaler und Zeichner stellten aus, aber auch viele Erinnerungen an Kriegs- und Friedenszeiten des Regiments waren zu sehen. Aufnahmen und Stellungspläne bedeckten unter anderem Tische und Wände. Der alte Schellen-baum des Regiments war ausgestellt und viele Bilder aus Friedensjahren des Regiments weckten wehmütige Erinnerungen bei den Besuchern. Besonders von Interesse war das Kriegstagebuch von Wilhelm Fröhlich mit den vielen Zeichnungen und Bildern aus dem Krieg 1870/71. An jenem 27. August rief Oberbürgermeister Dr. Külz, Major d. R. a. D. in den „Zittauer – Nachrichten“ im Namen der Stadt allen Festgästen ein herzliches Willkommen zu.
Er drückte den Wunsch aus, dass sich die alten Kameraden in ihrer ehemaligen Garnisonstadt in jeder Weise recht wohl fühlen – und dass alle schöne Erinnerungen an die drei Tage mit nach Hause nehmen. Für die schon vielen angereisten „Ehemaligen 102er“ war am Vormittag die Kranzniederlegung an der Gedenktafel im Hof der Mandaukaserne einer der ersten Höhepunkte des dreitägigen Festes.
Feldgottesdienst auf der Schießwiese
Am Sonntag erfolgte bereits um 6.00 Uhr das große Wecken durch die Militärkapelle und der Gewehrabteilung des Militärvereins ehemaliger 102er, die gemeinsam durch das Stadtinnere marschierten und für laute Unterhaltung sorgten. Pünktlich 8.15 Uhr begann in geschlossenen Abteilungen der Abmarsch zum Feldgottesdienst auf die Schießwiese, diesem großen Platz, auf dem schon im 16. Jahrhundert Freihand- und Vogelschießen und vor allem die beliebten Bogenschützenfeste veranstaltet wurden. Im Schatten der alten Bäume stand der in purpur ausgeschlagene Feldaltar. Unter den Teilnehmern mit glänzenden Uniformen befanden sich auch zahlreiche Ehrengäste, Vertreter der Behörden, aber auch viele auswärtige Vereinigungen waren durch Fahnenabordnungen vertreten. Von weitem rückte die Militärkapelle mit den alten Regimentsfahnen an. Der Feldgottesdienst begann mit dem gemeinsamen Gesang des alten Luthertrutzliedes „Ein’ feste Burg...“. Danach ergriff Pastor Gocht in seiner Eigenschaft als ehemaliger Garnisonsgeistlicher das Wort und hielt seine Predigt. Nach dem der Schlusschoral verklungen war, ordneten sich die zu Tausenden zählenden Teilnehmer zu einem gewaltigen Zug, der durch die Grottauer- und Reichenberger Straße, über den Rathausplatz und Markt, durch die Bautzner Straße und Augustusallee sich zum Denkmalplatz schlängelte, wo die Hauptfeierlichkeit der Weihe des Ehrenmals auf dem Promenadenplatz begann. Der große Platz, der völlig von den Festteilnehmern gefüllt war, bot einen bewegten Anblick, denn ringsherum war viel Flaggenschmuck angelegt. Das von einer Leinwandhülle verdeckte Denkmal hob sich hell gegen das dunkle Grün der Bäume hervor. Umrahmt war alles von den Fahnen der zahlreichen Vereine, die um den Standort des Denkmals herum Aufstellung genommen hatten. An der Straßenseite hatte die Gewehrabteilung des Militärvereins 102er Zittau Aufstellung genommen, an deren rechten Seite auch die Ehrenabteilung mit den Fahnen des Regiments. Nachdem die Militärkapelle das Niederländische Dankgebet gespielt hatte, bestieg Oberstleutnant a.D. Baumfelder, der das Regiment zuletzt geführt hatte, das Rednerpult und hielt die Ansprache. Nach seiner Rede fiel die Leinwandhülle und das schlicht gehaltene, aber wuchtig wirkende Denkmal kam zum Vorschein. Ein Sarkophag, der oben einen Adler trägt und vorn die Inschrift „UNSERN GEFALLENEN 102 ERN.“ Darunter ist ein ruhender Toter abgebildet. Der Schöpfer dieses Ehrenmals war der Zittauer Architekt Richard Schiffner. Die anschließende Weihrede hielt der ehemalige Divisionspfarrer der 32. Infanterie-Division, Pfarrer Barchewitz. Nach seinen Worten marschierte die Gewehrabteilung vor das Denkmal und gab drei Ehrensalven ab. Es war ein bewegender Moment, als die Salven verhallt waren und die Musikkapelle das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“ spielte.
Herr Böhmer, der Vorsitzende des Militärvereins 102er Zittau, übergab nun das Denkmal mit treffenden Worten an die Stadt. Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Külz übernahm in einer ergreifenden Rede im Namen der Stadt Zittau das Denkmal. Nach seinen Worten schloss sich die Kranzniederlegung an. Zum Abschluss der Feier spielte die Militärkapelle das Gebet aus „Lohengrin“.
Als die letzten Töne verklungen waren, ordneten sich die Bataillone in Gruppenkolonne und es erfolgte der Vorbeimarsch am Ehrenmal, an den Feldzeichen und den anwesenden, ehemaligen Regimentskommandeuren auf der Augustusallee. Nach dem der Vorbeimarsch beendet war, lösten sich die Bataillone auf und die Gewehrabteilung brachte die Bataillonsfahnen am Denkmal an. Die offiziellen Momentaufnahmen vom Feldgottesdienst, von der Denkmalseinweihung und vom Vorbeimarsch machte das Photografische Atelier Hausschild in der Reichenbergerstraße 28.
Großer Festumzug am Nachmittag
Am Nachmittag, 13.45 Uhr, begann am Webertor, vor dem Hospital St. Jakob, das Aufstellen für den großen Festumzug. In ihm marschierten der Militärverein, der Kriegsverein, die Kameradschaft ehemaliger 102er, die Vereinigung ehemaliger 102er, die Kavallerie, der Deutsche Offiziersbund, der Bund deutscher Militäranwärter, die Artillerie, ehemalige China- und Afrikakrieger sowie Jäger- und Schützenvereine. An den vielen Uniformen glitzerten die Orden, Ehren- und Vereinsabzeichen im grellen Licht der Sonne. Auf die Minute genau, um 14.30 Uhr, setzte sich der Festzug in Bewegung. Farbenprächtig war der Zug, den Reiter über die Weberstraße, den Markt, die Frauenstraße, das Frauentor, die Görlitzer Straße zum Parkfest in die Weinau anführten. Viele Ehrengäste befanden sich mit im Festzug, der bataillonsweise geordnet war und von vier Musikkapellen begleitet wurde. Tausende von Besuchern wollten bei der vielseitigen Unterhaltung dabei sein, die der Nachmittag bot – unter anderem Belustigungen mit Musik, Verlosungen, Schaukeln, Karussells, Rutschen sowie Adler- und Scheibenschießen. Die Stadt- und Militärkapelle, die auf 40 Musikanten verstärkt wurde, spielten den ganzen Nachmittag. Bei Eintritt der Dunkelheit erstrahlten der Weinau-Teich und die alten Bäume im magischen Buntfeuer. In größeren Gruppen mit Fackeln und bunten Lampions, begleitet mit Musik, marschierte man über die Bismarck-Allee und Görlitzer Straße auf den Markt, wo Oberlehrer Pflug die Schlussrede hielt und nach dessen Worten die Stadtkapelle den Zapfenstreich spielte. Damit war der Abend noch nicht beendet, denn Veranstaltungen fanden in den Standquartieren der einzelnen Kompanien statt, wo bis weit in den frühen Morgen gefeiert und alte Lieder gesungen wurden.
Festprogramm auch im Zittauer Gebirge
Der Montag, 29. August 1921, begann mit einer Führung durch die Stadt Zittau. Das Rathaus, der Marstall und auch die Kreuzkirche wurden stark besucht. Das 102er Denkmal, welches mit Blumen überschüttet war, auch die Klosterkirche mit Kloster, ebenso das Städtische Museum, wobei der Giebel des Heffterbaus von 1622 besonderes Interesse weckte, da er doch vom Fortleben der Renaissanceformen auch in Zittau zeugt.
Für viele war auch die Turmbesteigung der Johanniskirche eine gefragte Sehenswürdigkeit, ehe man sich in der anschließenden Fahrt mit der Kleinbahn in Sonderzügen nach Oybin begab.
Das Festprogramm beinhaltete für diesen dritten Tag Wanderungen durch das Gebirge, wo es viele auf den bewaldeten Sandsteinfelsen des Oybin zog, von dessen Schönheit sie wussten, aber auch von dem schönen Blick in die Weite der Natur. In 514 Meter Höhe über dem Meeresspiegel erwartete sie ein atemberaubender, reizvoller Blick auf das Zittauer Bergland, ein Blick über die Wipfel eines jahrhundertealten Mischwaldes.
Einen großen Menschenstrom zog es auch zum Besuch des Waldtheaters Oybin zur Festvorstellung „Die versunkene Glocke“ von Gerhart Hauptmann. In den sich anschließenden Gartenfesten der umliegenden Gastwirtschaften wurde reichlich getanzt, aber auch Wein und Bier getrunken.
Das dreitägige Treffen in der ehemaligen Garnisonstadt Zittau anlässlich der Weihe des Denkmals zu Ehren der gefallenen Angehörigen des ehemaligen 3. Königlich Sächsischen Infanterie Regimentes Nr. 102 „König Ludwig III. von Bayern“ und seiner Ersatz-Bataillone war ein großes Erlebnis für Einheimische und die vielen Gäste – bei drei Tagen purem Sonnenschein. Es war ein Großereignis, dem noch vier weitere in den Jahren 1925, 1930, 1934 und 1938 folgen sollten.
Seit mehreren Jahren thront der lange verschollene Adler wieder auf dem Denkmal der 102er im Bereich der ehemaligen Baugewerkeschule am Zittauer Stadtring.