Großes Azubi-Stühlerücken in der Lausitz geplant
Der Leiter des Beruflichen Schulzentrums in Bautzen, Uwe Richter, muss sich offenbar schon bald von seinen Bäcker-, Koch- und auch Friseurlehrlingen verabschieden. Foto: Archiv
Bautzen. Wenige Wochen nach seiner Gründung steht der Oberlausitzer Köche Verein vor seiner ersten Bewährungsprobe. Vor dem Hintergrund, dass die Kochausbildung mit dem Schuljahr 2021/2022 vom Bautzener Berufsschulzentrum ins Kilometer weit entfernte Görlitz abgezogen werden soll, läuft er Sturm gegen Pläne aus der Landeshauptstadt. Das Haus von Kultusminister Christian Piwarz hatte jüngst einen Entwurf vorgelegt, wonach künftig eine „landesweit ausgewogene Verteilung der Berufsschulzentren sowie der Schularten zwischen städtischem und ländlichem Raum“ gewährleistet werden soll.
Umzugspläne der Landesregierung stoßen auf breite Kritik
Indes bedeutet das für die Gastronomen an der Spree nur eines: „Wir verlieren auf diese Weise immer mehr Fachkräfte, dagegen wollen wir uns stemmen“, sagte in dem Zusammenhang Vereinschef Henry Wunderling. Er befürchtet, dass Lehrlinge aus dem Oberland beispielsweise nicht in ihre Heimat zurückkehren, wenn sie erst einmal anderswo die Berufsschule besuchen müssen. „Damit können wir uns nicht einverstanden erklären“, betonte er. Vielmehr müsste in Bautzen die Lehrlingsunterstützung vorangetrieben werden, damit sich mehr Azubis gewinnen lassen. Henry Wunderling bat Akteure und Entscheidungsträger in der Region um Unterstützung, um die Kochausbildung in der Spreestadt zu erhalten.
Ein ähnliches Umzugsschicksal droht derweil auch angehenden Bäckern und dem dazu gehörigen Verkaufspersonal. Auch sie sollen zu gegebener Zeit ans Neißeufer wechseln. Dagegen haben fraktionsübergreifend mehrere Landtagsabgeordnete protestiert. „Ich erachte es als äußerst wichtig, diese Ausbildung in der Region zu halten Die Voraussetzungen für eine exzellente Bäckerausbildung sind in Bautzen gegeben: Technik und Lehrpersonal sind auf herausragendem Niveau“, schrieb der CDU-Politiker Marko Schiemann in einem Brief an seinen Parteifreund Piwarz. „Die lokale Nähe der Ausbildung ist ein entscheidender Faktor für das regionale Handwerk.“
Ähnlich positionierte sich Frank Peschel von der AfD: „Der Entwurf des Kultusministeriums ist kein positives Signal für den Bildungsstandort Bautzen und muss in dieser Form abgelehnt werden. Es darf nicht sein, dass eine Oberlausitzer Stadt gegen eine andere ausgespielt wird.“ Bezogen auf das in der Spreestadt beheimatete Berufsschulzentrum betonte er: „Dieses steht mit seinen qualifizierten Berufsschullehrern für eine langjährige und erfahrene Berufsausbildung in dieser Branche.“ In Bautzen stehe zudem eine modern ausgestattete, ausreichend große Backstube zur Verfügung, welche stillgelegt werden würde. Frank Peschel ließ in dem Zusammenhang wissen, dass das BSZ Görlitz seinen Erkenntnissen zufolge gar nicht in der Lage ist, diese Berufe auszubilden. Ein Blick auf die Internetseite der Bildungseinrichtung genügt, um festzustellen, dass in der Neißestadt diese Berufsausbildung ebenso etabliert ist wie an der Spree.
Doch auch vonseiten des Dachverbandes der Sorben, der Domowina, hagelt es Kritik. „Wo kann die Sprache im Alltag bodenständiger verwurzelt sein als schon morgens beim Brötchenkauf? Und da spielen der Bäcker und die Fachverkäuferin Bäckerei eben eine Schlüsselrolle“, meinte deren Vorsitzender Dawid Statnik. Die Sorbische Fachschule für Sozialwesen am BSZ Bautzen sei bereits fester Bestandteil der regionalen Berufsausbildungsstruktur. Durch das Zusammenlegen der bisher vorhandenen BSZ „Wirtschaft und Technik“ sowie „Ernährung und Hauswirtschaft“ in Bautzen hätten sich bereits Chancen eröffnet, für das sorbische Siedlungsgebiet auch in anderen Ausbildungsprofilen auszustrahlen. Der Standort Bautzen sei als „Hauptstadt der Sorben“ daher auch bei der Berufsausbildung „von elementarer Bedeutung“.
Bautzen soll Technikberufe beherbergen
Sachsens Kultusministerium (SMK) verfolgt unterdessen andere Pläne für den Berufsschulstandort Bautzen, der vor wenigen Jahren hauptsächlich für technische Lehrberufe ausgebaut wurde. Der Landkreis als Träger der Einrichtung hatte in dem Zusammenhang rund 21 Millionen Euro investiert. „Vor Ort sollen Ausbildungsberufe aus den Branchen Metall- und Elektrotechnik sowie Wirtschaft und Verwaltung gestärkt werden“, erläuterte eine Sprecherin auf Anfrage. In dem Zusammenhang würden Azubis aus Löbau, Riesa und Dresden zum Unterricht nach Bautzen anreisen. Unterm Strich geht es der Landesregierung eigenen Angaben zufolge darum, einen „effektiven Ressourceneinsatz“ und Planungssicherheit zu garantieren. Ein Hauptaugenmerk legt sie dabei auf die Entwicklung der Schülerzahlen im ostsächsischen Raum. „Diese macht eine Konzentration in den genannten Ausbildungsberufen an jeweils einem Standort nötig“, meinte die Ministeriumsmitarbeiterin.
In Görlitz könnte es eng werden
Laut dem Sächsischen Schulgesetz braucht es an Berufs- und Berufsfachschulen jeweils 16 Schüler je Klasse. Um den Standort Görlitz zu stärken, sollen was das Bäckerhandwerk anbelangt, 39 Azubis von Bautzen dorthin wechseln. Außerdem ist im Gespräch, dass 21 angehende Bäckereiverkäufer mit ihnen an die Neiße umziehen. Dort erlernen aktuell zwölf Bäcker und sechs Bäckereiverkäufer ihren Job. Hinzukommen 55 Kochlehrlinge, die, geht es nach dem Willen des Kultusministeriums, künftig im Beruflichen Schulzentrum „Christoph Lüders“ in Görlitz die Schulbank drücken werden. Für sie könnte es dort im Vergleich zu jetzt recht eng zugehen. Dem unserer Zeitung vorliegenden Datenmaterial lässt sich entnehmen, dass aktuell in der Neißestadt 67 Koch-Azubis unterrichtet werden. Die Zahlen unterscheiden sich dabei nicht großartig von denen der vorangegangenen Jahre, wie die Statistik ausweist. Jedoch ist auch festzustellen, dass gerade die Kochausbildung in Bautzen in der jüngeren Vergangenheit Zulauf erfahren hat.
Deshalb dürfte der Oberlausitzer Köche Verein mit seinem Protest richtig liegen. „Wir hoffen, dass das Kultusministerium von den Plänen absieht“, betonte Henry Wunderling. „Dazu haben wir uns unter anderem an den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und an den Schulträger mit einen offenen Brief gewandt. Wir können auf keinen Fall nachvollziehen, warum das SMK so handelt. Dabei geht es doch darum, den ländlichen Raum zu stärken.“ Allerdings braucht er nicht länger die Sorge zu haben, dass die Kochlehrlinge nach Dresden abgezogen werden könnten. Das steht momentan nicht zur Diskussion, beteuerte wiederum der Kultusminister. Christian Piwarz geht davon aus, dass im Laufe des Herbstes ein verbindliches Ergebnis vorliegt, damit der sogenannte Teilschulnetzplan in Kraft treten kann. Bis zu einer Entscheidung dürfen weitere Einwände und Anregungen vorgebracht werden. In dem Zuge findet sich eventuell auch für angehende Friseure und Bankkaufleute doch noch eine andere Lösung. Denn die sollen laut den Ministeriumsplänen von Bautzen nach Görlitz beziehungsweise Dresden wechseln.