Hier entsteht die Energie der Zukunft
Klein aber oho: Der Ultrakondensator, den Taavi Madiberk (l.) im Beisein von Sebastian Pohlmann in der Hand hält, hat das Potenzial, die Energieerzeugung zu revolutionieren.
Mitarbeiter Richard Teize überwacht am Monitor die Produktion. Teile der Aufnahme wurden aus Gründen des Datenschutzes unkenntlich gemacht.
Seit sechs Jahren ist in Großröhrsdorf die Firma Skeleton ansässig. Jetzt stößt das Werk an seine Kapazitätsgrenzen, ein weiterer Standort muss her. Doch das Herz soll weiter an der Schücostraße schlagen.
Großröhrsdorf. Sie sind klein, zylinderförmig und leisten Großes: „Ultrakondensatoren starten im hohen Norden Kanadas Dieselfahrzeuge bei minus 40 Grad“, erklärt Dr. Sebastian Pohlmann. Eine Anwendung, die den Hightech-Produkten aus dem Hause Skeleton geradezu auf den dunkel glänzenden Leib geschrieben ist: „Ultrakondensatoren stellen ihre Leistung innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung“, so der Vizepräsident des in Großröhrsdorf ansässigen Unternehmens. Sie lassen sich schnell und in kurzen Zyklen aufladen, geben aber bei Gebrauch ebenso rasch ihre Kraft wieder ab. Ganz anders als „klassische“ Batterien, die über mehrere Stunden geladen werden müssen, dann aber auch über eine lange Betriebsdauer verfügen. „Ultrakondensatoren sind kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zur Batterie“, betont dann auch Sebastian Pohlmann. Wenn die Kraftpakete innerhalb von Sekunden ihre Arbeit getan haben – beispielsweise im hohen Norden Kanadas – können die Batterien den „Normalbetrieb“ übernehmen. Entsprechend sehe sich Skeleton nicht als Konkurrent, sondern als Partner der Batteriehersteller. Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet stellt die Energierückgewinnung beim Bremsen von Straßenbahnen dar, was den Stromverbrauch um bis zu 30 Prozent senken kann. Auch Hersteller von Windrad-Rotorblättern setzen für die Steuerung verstärkt auf diese Technologie. Selbst bei der Kernfusion, auf der hinsichtlich der Energiewende große Hoffnungen ruhen, könnten Ultrakondensatoren eine wichtige Rolle spielen.
Dass im Großröhrsdorfer Gewerbegebiet solche Spitzenprodukte der modernen Technologie hergestellt werden, ist in erster Linie Taavi Madiberk zu verdanken. Der wesentlich jünger wirkende 32-jährige Este mit der rotblonden Mähne gilt als Ideengeber und Gründervater von Skeleton. Heute fungiert er als CEO (Chief Executive Officer), was man mit „Vorsitzender der Geschäftsführung“ übersetzen kann. Sebastian Pohlmann kümmert sich als Vice President Business Development um den Aufbau von Geschäftsbeziehungen rund um den Globus. Und das offenkundig so erfolgreich, dass nunmehr bei Skeleton die nächste Erweiterungsrunde ansteht: „Unser Werk in Großröhrsdorf ist an seine Kapazitätsgrenzen gelangt, wir suchen nach einem weiteren Standort“, erklärt er. Bis zu 20 mal größer als die „Keimzelle“ könne der neue Betrieb werden, sagt Sebastian Pohlmann. Wo genau er gebaut wird, ist noch nicht entschieden. Fest steht jedoch, dass sich der Standort in Sachsen befinden wird. „Wir fühlen uns hier wohl und willkommen“, erklärt Taavi Madiberk mit einem strahlenden Lächeln.
Das „Herz“ von Skeleton soll aber weiterhin an der Großröhrsdorfer Schücostraße schlagen. Benannt nach jenem Unternehmen, das sich hier von 2010 bis 2012 an der Herstellung von Photovoltaikmodulen versuchte, aber ebenso wie zuvor schon Sunfilm scheiterte. Nach dem Betriebsende von Schüco siedelten sich in den markanten Gebäuden mehrere Hightech-Unternehmen an, Skeleton kam im Jahre 2016. „Damals gab es nicht viel mehr als eine Idee und eine leere Halle“, erinnert sich CEO Taavi Madiberk. Und weiter: „Wir haben unsere Produktion vom Material her aufgebaut.“ Will heißen: Am Anfang stand das Graphen – ein von der Fachpresse gern als „Wundermaterial“ bezeichneter Grundstoff, der im wesentlichen auf Kohlenstoff basiert.
Beim Rundgang durch die Produktionsanlage benötigt der Besucher weder Schutzbekleidung noch Ohrenstöpsel und auch keine Gesichtsmaske. „Die Herstellung von Ultrakondensatoren verläuft schadstoff- und weitgehend emissionsfrei“, versichert Sebastian Pohlmann. Und: Man benötige keine kritischen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Mangan, auf die Batteriehersteller angewiesen seien. Die Technologie auf der gesamten Wertschöpfungskette ist „made by Skeleton“ – „begonnen bei der Herstellung des Rohmaterials bis hin zum fertigen Produkt, das in der Regel aus Modulen mehrerer Ultrakondensatoren besteht“. Entsprechend großen Wert legt das Unternehmen auf Forschung und Entwicklung, die sowohl im Materiallabor in Leuna als auch in Großröhrsdorf betrieben werden. Hier soll auch nach der Fertigstellung des neuen Produktionsstandortes die Erprobung neuer Produkte und Prototypen stattfinden. Die Möglichkeiten des Materials sind nämlich noch lange nicht ausgereizt: „Wir arbeiten an der Entwicklung der ‚Super Battery‘, die mehr Leistung zur Verfügung stellen kann als der Ultrakondensator“, erklärt Entwicklungsleiter Dr. Oliver Osters.
Zu den derzeit 150 Beschäftigten in Deutschland – davon 130 in Großröhrsdorf – sollen möglichst bald 30 weitere hinzukommen, hauptsächlich aber nicht nur im Engineering. Davon zeigt sich selbst der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow, der unlängst auf Einladung des Landtagsabgeordneten Aloysius Mikwauschk (beide CDU) Skeleton besuchte, begeistert: „Genau solche Unternehmen wünschen wir uns für Sachsen, welche die Geschäftsfelder der Zukunft bearbeiten.“