Hochschule Rothenburg im Existenzkampf
So sah es vor etwa zwei Jahren auf der Baustelle der Polizeihochschule in Rothenburg aus. Foto: Archiv
Mehrere Professoren haben eine Verlegung der Polizeihochschule Rothenburg nach Meißen von Landespolizeipräsident Kubiessa gefordert. Eine Teilverlagerung nach Bautzen brachte der Hauptpersonalrat der Landespolizei ins Spiel. Zu allem Überfluss bezweifelt der Sächsische Rechnungshof, dass die Polizeihochschulplanungen dem tatsächlichen Bedarf entsprechen und erhebt weitere Vorwürfe.
Rothenburg. In den letzten Tagen braute sich einiges über dem Hochschulstandort Rothenburg zusammen. Die Seele der Niederschlesischen Oberlausitz trifft vor allem, wenn Professoren Meißen als „reizvoller“ ins Spiel bringen, wobei auch eine ungünstige Randlage im Freistaat gegen Rothenburg ins Feld geführt wird.
Das alles, wo großzügige Baumaßnahmen doch eher vollendete Tatsachen hätten erahnen lassen.
Vorwürfe des Sächsischen Rechnungshofes machen den Kampf um den Standort nicht einfacher. Ist die Erweiterung der Polizeihochschule am Standort Rothenburg in der bisher vorgesehenen Form ein Schildbürgerstreich? Nach Lektüre des Jahresberichtes 2021 des Sächsischen Rechnungshofes könnte man fast auf diesen Gedanken kommen. Baut doch der Freistaat Sachsen, wenn man dem Bericht Glauben schenkt, weitgehend am tatsächlichen Bedarf vorbei und hat sich noch nicht einmal gegen – durchaus nicht unwahrscheinliche – Eventualitäten abgesichert. Doch was halten die zuweilen hinter vorgehaltener Hand auch als ’Erbsenzähler’ bespöttelten Kassenwächter des Freistaates Sachsen dem federführenden Finanzministerium eigentlich vor?
1. Vorwurf: Zu viel Geld gezahlt
Für die Umsetzung des „erweiterten Flächenbedarfs“ am Standort Rothenburg hat der Freistaat Sachsen für insgesamt 9 Millionen Euro Flächen von der Stadt Rothenburg erworben. Auf diesen befinden sich die städtische Oberschule sowie Sportplatz und Sporthalle, die in den künftigen Polizei-Campus integriert werden sollen. „Bereits in den Verkaufsverhandlungen hat der Freistaat Sachsen signalisiert, dass der Erwerb der städtischen Grundstücke alternativlos sei und damit seine Verhandlungsposition erheblich geschwächt“, bemängelt der Rechnungshof. Der Kaufpreis sei dann auch drei mal höher als der gutachterlich ermittelte Wert ohne Abbruchkosten.
Das Finanzministerium entgegnet in seiner Stellungnahme, dass die Stadt Rothenburg einem Verkauf für weniger als 9 Millionen Euro nicht zugestimmt hätte und Wertgutachten aus dem Jahre 2017 mit noch höheren Zeitwerten vorgelegt habe.
2. Vorwurf: Der Freistaat trägt alle Risiken
Eigentlich hätte der Bau der neuen Oberschule an der Uhsmannsdorfer Straße schon begonnen haben sollen. Immerhin wurde jetzt vom Stadtrat der Bau einer Fernwärmeleitung zum künftigen Standort vergeben.
Wann die Hauptleistungen des Schulbaus erfolgen und vor allem wann die neue Schule fertig ist, kann aber heute noch niemand sagen. Und das kann auch kaum verwundern: Haben sich doch laut Medienberichten die Baukosten gegenüber den ursprünglichen Planungen um mehrere Millionen Euro erhöht. Helfen kann hier nur der Freistaat Sachsen mit einer erhöhten Förderung – und steckt in der Zwickmühle: Denn erst, wenn die neue Oberschule in Betrieb geht, kann er sein neu erworbenes Eigentum an der Friedensstraße auch tatsächlich nutzen, sprich die bisherige Oberschule in den Polizei-Campus integrieren.
So ist’s laut Sächsischem Rechnungshof vereinbart: „Unter anderem einigten sich die Vertragsparteien, dass die Stadt Rothenburg/O.L. den Standort der Oberschule bis zur Schaffung eines Ersatzes weiterhin unentgeltlich nutzen kann. Der Freistaat Sachsen verpflichtete sich außerdem, weiterhin ein Nutzungsentgelt für die von ihm erworbenen Sportanlagen (also Sporthalle und Sportplatz) an die Stadt Rothenburg/O.L. bis mindestens 2023 zu zahlen.“
Und weiter: „Erst mit Verlegung der Oberschule kann die staatliche Baumaßnahme vollständig realisiert werden. Bis dahin muss der Lehrbetrieb in Containern als Interim erfolgen. Mit einer Fertigstellung des neuen Oberschulstandortes vor 2024 ist indessen nicht zu rechnen.“ Und an diesem Punkt setzt auch schon der dritte Vorwurf an:
3. Vorwurf: Am Bedarf vorbei geplant
„Infolge der Erhöhung des Einstellungskorridors auf zunächst 400 und inzwischen 700 Anwärter jährlich sind die Studierendenzahlen der Polizeihochschule deutlich gestiegen. 2024 endet der Einstellungskorridor und damit der hieraus resultierende erhöhte Bedarf an Ausbildungsplätzen“, schreibt der Rechnungshof. Will meinen: Wenn die Erweiterung der Polizeihochschule abgeschlossen ist, werden die neu geschaffenen Plätze (vielleicht) gar nicht mehr gebraucht. Eine Entwicklungskonzeption über das Jahr 2024 hinaus gibt es nämlich nicht. Eine solche Konzeption, so der Hof, sei aber als „notwendige Grundlage für die Vermeidung teurer Fehlinvestitionen“ unverzichtbar.
Was sagt das Ministerium?
Die Rahmenkonzeption für die „Aus- und Fortbildung der sächsischen Polizei“ von 2014 könne derzeit nicht angepasst werden, hieß es in der Stellungnahme des Finanzministeriums vor einsetzender Standortdebatte. Politische Entscheidungen seien hierfür Voraussetzung und müssten erst getroffen werden. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die Ausbildung an der Polizeihochschule im jetzigen Umfang langfristig durchgeführt werde, „da die sächsische Polizei einen Anteil von 40 Prozent bei Polizeibeamten mit Fachhochschulabschluss anstrebe.“ Ein Rücktrittsrecht sei nicht in Betracht gekommen, da bereits „irreversible Vorbereitungen“ getroffen worden seien. Und schließlich hielt man es für „nicht interessengerecht, der Stadt Rothenburg/O.L. Risiken im Zusammenhang mit der Schulverlegung aufzubürden.“
Und so trägt der Freistaat auch alle Risiken im Falle einer „Rückabwicklung“ des Geschäfts. Der Stadt Rothenburg, noch unter der damaligen Bürgermeisterin Heike Böhm, bleibt hingegen zu attestieren: Clever verhandelt!
Ein Standortwechsel könnte nun vieles zunichte machen. Politiker im Kreis Görlitz sind alarmiert. Der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Tilman Havenstein erklärte für den sich jüngst konstituierten Kreisvorstand: „Die Bildungslandschaft hört nicht in Bautzen auf. Die Standortdebatte um die Polizeihochschule in Rothenburg muss beendet werden. Verfehlungen von Studenten oder Mitarbeitern muss die Polizei intern aufarbeiten. Sie liegen aber nicht an der Rothenburger Luft begründet. Der Standort und die Liegenschaft hier bieten beste Voraussetzungen für eine gute Ausbildung der angehenden Polizeikräfte. Zudem wurde bereits in den vergangenen Jahren viel in die Modernisierung investiert.“ Überdies sei die Ansiedlung von Landes- und Bundesbehörden ein ganz wichtiger Bestandteil bei der Bewältigung des Ausstiegs aus der Braunkohleförderung und der Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen von Stadt und Land.
Aber vielleicht könnte man fragen: Hat die Bundespolitik da vielleicht noch einen ganz anderen Trumpf für die Rothenburger Liegenschaften, denen eine Brache droht, im Ärmel? Die Strukturwandeldebatte könnte in ihrer Bizarrheit eine weitere skurrile Note sicher vertragen.