"Ich bin für das Impfen, aber gegen die Impfpflicht"
Dr. Jost Klippel sieht sich mit eigner Klinik in der komfortablen Situation, Kritik an geltenden Corona-Narrativen äußern zu können. Foto: Till Scholtz-Knobloch
In der Bild kündigte Kassenärzte-Chef Andreas Gassen an, seine niedergelassenen Ärzte würden eine Impfpflicht nicht gegen den Patientenwillen exekutieren. In Krankenhäusern am Tropf der öffentlichen Hand hört man solche Stimmen (offiziell) nicht. Zeit also einen Arzt zu befragen, der mit eigener Klinik weniger abhängig ist. Till Scholtz-Knobloch besuchte Dr. Jost Klippel, der in Holtendorf bei Görlitz die gynäkologische Tagesklinik betreibt.
Personal aus Pflegediensten, Altenheimen, Arzt- oder Dialysepraxen sowie Klinken trägt auch in Rothenburg montags den Protest gegen die Impflicht mit. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Herr Dr. Klippel, Sie gelten als Mediziner, der sich die Grundsatzfrage stellt, ob es mit der eigenen Praxis bzw. in Ihrem Falle sogar der eigenen Klinik im Zeichen eines Impfzwangs für medizinisches Personal weitergehen kann. Warum?
Dr. Jost Klippel: Ich bin 65 und könnte im Frühjahr 2023 in Rente gehen. Aber ich arbeite viel zu gern, um in Rente gehen zu wollen. Ich habe sieben Mitarbeiter und habe mir zumindest bis vor einem Vierteljahr sehr große Sorgen gemacht, wie es weitergeht, wenn eine Impfpflicht im Gesundheitswesen kommt. Weil nicht alle geimpft oder damals bereits erkrankt waren. Wer einen Impfnachweis nicht erbringen kann, könnte eventuell nicht mehr in meiner Klinik arbeiten. Wenn das auf mehr als zwei oder drei Angestellte zutrifft, könnte ich bereits die Klinik nicht weiterbetreiben. Ich hab das Glück, dass mittlerweile alle meine Mitarbeiter geimpft sind oder eine Corona-Erkrankung hinter sich haben, das heißt – soweit mir bekannt ist: Ich habe zumindest zeitweise Ruhe. Es werden aber noch viele Probleme kommen.
Welche Schlussfolgerung ziehen Sie aus einer solchen Ausgangslage?
Dr. Jost Klippel: Ich halte eine generelle Impfpflicht für einen puren Aktionismus. Wenn das Ergebnis der Impfpflicht wäre, dass es keine Pandemie mehr gibt, wenn alle geimpft sind, dann wäre eine Impfpflicht sinnvoll. Aber die Medizin ist eine Wissenschaft und die lernt aus eigenen Untersuchungen und Veröffentlichungen. Wir haben mittlerweile gelernt, dass die Impfung nicht das Allheilmittel ist, sondern dass auch Menschen, die geimpft sind, das Virus übertragen können.
Das klingt nach grundsätzlichem Zweifel an einer Corona-Impfung.
Dr. Jost Klippel: In meinen Augen ist eine Corona-Impfpflicht generell Unsinn, es sei denn man will sich selbst schützen. Ich finde es wichtig, sich impfen zu lassen – für sich selbst und seine Familie – ab vielleicht 16 oder 18 Jahren. Denn alle Kinderärzte, mit denen ich bislang gesprochen habe oder von denen ich etwas gelesen habe, sagen, es ist sehr selten, dass Kinder sich infizieren. Und wenn sie sich infizieren, haben wir es mit sehr leichten Infektionen zu tun. Warum soll man dann diejenigen mitimpfen, die am wenigsten davon profitieren?
Zuletzt gab es im Zusammenhang mit der Impfung von Kindern gehörigen Druck auf die Ständige Impfkommission (Stiko).
Dr. Jost Klippel: Das sind honorige Leute, ich traue denen. Ich habe allerdings Bauschmerzen, wenn man der Stiko aus Reihen der Politik vorschreiben möchte, wie sie zu entscheiden hat. Und das ging rauf bis zu Ministerpräsidenten. Man hat ihnen häufig vorgeworfen, dass sie ihre Arbeit ehrenamtlich machen. Doch genau das ist doch das Beste, was es gibt. Wenn ich etwas ehrenamtlich mache, dann bin ich unabhängig! Es ist dementsprechend auch normal, wenn die Stiko sich selbst korrigiert und neue Erkenntnisse zum Impfen oder Boostern verlautbart. Die Politik hat viel größere Probleme, sich selbst einmal zu korrigieren.
Was heißt das alles nun für das Zusammenspiel mit ihren Mitarbeitern?
Dr. Jost Klippel: Ich habe viele Gespräche geführt zur Impfung und meine Mitarbeiter wissen, dass ich einer Impfung positiv gegenüberstehe. Sie wissen aber auch, dass ich niemanden verurteilen würde, wenn er sich nicht impfen lässt. Medien und Politik haben es geschafft, Unsicherheiten zu verbreiten. Wenn einem ständig etwas eingepeitscht wird, dann führt das bei vielen zu einer Blockade. Anfang gab es einen Schlingerkurs um die Masken. Erst sollten sie nicht helfen, dann hieß es, sie sind doch nicht so schlecht und dann haben auch noch viele Politiker damit sehr viel Geld verdient. Das nächste: Gerade medizinisches Personal weiß, wie ausgiebig Medikamente getestet werden. Bei Impfstoffen vergehen Jahre dabei. Und jetzt präsentiert man einen Impfstoff innerhalb eines Dreivierteljahres, der sowas von toll ist und alles abdeckt. Da ist es doch kein Wunder, dass Skepsis gerade aus dem medizinischen Bereich kommt.
Wäre es also ehrlicher einzuräumen, dass über Langzeitwirkungen für das Immunsystem Prognosen nicht wirklich abgegeben werden können?
Dr. Jost Klippel: Persönlich habe ich solche Bedenken nicht. Ich habe mich selbst impfen lassen, aber ich kenne auch Menschen, die sich impfen ließen und trotzdem sterbenskrank geworden sind. Und auch so etwas wissen Menschen im Gesundheitssystem mehr als der Rest der Bevölkerung.
Sehen Sie also eine Abweichung zwischen veröffentlichten Statistiken und Erfahrungswerten medizinischen Personals?
Dr. Jost Klippel: Ja
Aber stimmt dann die Statistik oder die Wahrnehmung nicht?
Dr. Jost Klippel: Das ist sehr schwer zu beantworten. Die Darstellung von Statistiken ist vielleicht nicht immer das ehrlichste (Dr. Klippel überlegt lange). Naja, ‚ehrlichste‘ ist das falsche Wort. Aber es steht doch immer wieder in der Zeitung, es gibt keine Nebenwirkungen – es ist ja nur ein kleiner Piks. Das ist eine schlimme Formulierung, weil nicht der Piks, sondern die Reaktionen Beschwerden auslösen. Das Personal weiß doch, dass es nicht darum geht, ob die Impfung weh tut, sondern dass es auch zu einer Hirnvenenthrombose kommen kann oder zu einer Herzbeutelentzündung (Perikarditis), auch wenn das selten vorkommen mag. Für eine Thrombose ist es sicher risikovoller zu rauchen, adipös (fettleibig) zu sein, keinen Sport zu treiben, als sich gegen Corona impfen zu lassen.
Ich habe jedoch mit Blick auf die Intensivstationen den Eindruck, es werden immer die gleichen Bilder gezeigt, wie jemand beatmet wird. Ob derjenige, der beatmet wird, an Corona erkrankt ist, kann man nicht beurteilen. Es gibt unbestritten schwere Verläufe und schwer an Corona Erkrankte und es gibt unbestritten auch jüngere Coronatote, aber ob dies nun in der Summe so viel ist, um damit eine Bevölkerung zu spalten, bezweifle ich.
Im Gesundheitswesen treffen Mitarbeiter natürlich häufiger auf Infizierte. Das stellt immerhin besondere Anforderungen an das Personal.
Dr. Jost Klippel: Es gibt ja keinen Grund zu sagen, im Gesundheitswesen werden die Leute angesteckt. Menschen stecken sich im häuslichen Milieu an oder auf der Straße. Geimpft sind 60 bis 70% der Bevölkerung und wenn wir die Erkrankten hinzunehmen – dann sind wir bei vielleicht 80% und erreichen quasi eine Herdenimmunität. Also brauchen wir eigentlich keine Impfpflicht, egal für wen. Und: Warum sollen auch alle geimpft werden, die Antikörper haben? Warum soll man dann nicht gesellschaftsfähig sein? Es reicht doch nicht zu sagen, dass dies vielleicht besser sein könnte. Die Virologen sind sich uneinig und die Politiker behaupten es. Warum muss ich mich jetzt boostern lassen, weil ich sonst nicht Skilaufen könnte? Ich habe einen Haufen Antikörper, aber ich darf sonst nicht. Warum habe ich 2G beim Friseur und 2G+ beim Nagelstudio? Dabei komm ich beim Friseur dem anderen viel näher. Das sind Dinge, die der normale Mensch nicht mehr nachvollziehen kann.
Solche Zweifel werfen die Frage auf, wie sich Kollegen gegenseitig beurteilen.
Dr. Jost Klippel: Einem Großteil der Kollegen nehme ich ihren ehrlichen Eifer bei der Impfung ab, so wie Dr. Gottschalk. Es gibt aber auch Kollegen, die impfen nicht, weil sie der Bevölkerung etwas Gutes tun wollen, sondern weil sie kräftig Geld damit verdienen. Ich glaube, als niedergelassener Arzt erhält man so um die 30 bis 38 Euro pro Corona-Impfung, für eine normale Grippeschutzimpfung sind es fünf. Ich sage damit nicht, dass es zu viel gibt, aber man muss die Relationen beachten und jetzt nehmen viele Kollegen das Geld natürlich gerne mit. Da sitzt bei einigen schon das Dollarzeichen im Auge.
Jetzt machen Sie sich unter Kollegen Feinde. Der Umgang unter den Ärzten wird wie im Rest der Bevölkerung also auch schwieriger?
Dr. Jost Klippel: Ich bin vor allem irritiert, wenn gegen einen Kollegen aus Pirna, der sich selbst nicht impfen lassen möchte, nun ganz viele Kollegen schießen. Kann man nicht entscheiden, ich impfe mich, aber ich lasse den Kollegen seine eigene Entscheidung treffen? Es geht auch nicht, wenn in Görlitz Ärzte an ihre Praxis schreiben, ‚bei uns werden Ungeimpfte nicht behandelt‘. Das empfinde ich als eine Katastrophe und noch dazu hinzuzufügen, ‚wenn Sie ungeimpft sind, gehen sie zum Kollegen XY‘.
Kommentare zum Artikel ""Ich bin für das Impfen, aber gegen die Impfpflicht""
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Bisher konnten sich die Patienten im Krankenhaus ihre Multi Resistenten Keime abholen. Besonders meist vom Typ MRSA. Jetzt gibt es auch noch Coronaviren dazu, weil große Teile des Personals nicht geimpft sind und der leitende Mediziner das auch noch unterstützt. Dabei hatte ich gehofft, dass ich endlich im April meine Varizen (Krampfader) operieren lassen kann. Ohne Angst versteht sich. Schade, dass das Krankenhaus keinerlei Verantwortung gegenüber den Patienten erkennen lässt. Deren Sicherheit und Gesundheit scheinen egal zu sein.