Im Landkreis herrscht wenig Vorfreude in der Weihnachtsbäckerei
Aufgrund der hohen Energiepreise können sich die Mitglieder der Bäckerinnung Bautzen, rechts im Bild Innungsmeister Lutz Neumann, nicht so richtig auf den Stollen freuen. Foto: Bäckerinnung
Bautzen. „ Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“. Diesen Satz hat Marie Antoinette wahrscheinlich nicht wirklich gesagt, er ist aber zum Symbol für die Realitätsferne der französischen Königsherrschaft geworden, die während der französischen Revolution ihr vorläufiges Ende fand. Jetzt ist Deutschland noch weit davon entfernt, dass es kein Brot mehr gibt, aber gewisse Parallelen lassen sich heute vielleicht doch ziehen. Nicht nur, weil sich die Lebensrealität breiter Bevölkerungsschichten tatsächlich immer mehr vom politischen Tagesgeschehen unterscheidet. Auch das Grundnahrungsmittel Brot ist inzwischen nicht mehr ganz so selbstverständlich wie in vergangenen Zeiten. Im Gespräch mit Lutz Neuman, Innungsmeister der Bautzener Bäckerinnung, wurden dem Oberlausitzer Kurier die aktuellen Probleme des Bäckerhandwerkes geschildert.
„Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist bereits eine Minute vor zwölf“ gibt der Innungsmeister zu bedenken. Bis jetzt habe im Landkreis Bautzen noch keine Bäckerei schließen müssen, aber einige planen bereits diesen Schritt. Besonders Bäckermeister fortgeschrittenen Alters, die keinen Nachfolger haben, sind nicht bereit, ihr Erspartes in diesem Winter durch die Esse zu jagen, da hören sie lieber gleich auf. Auch Betriebe, in denen Investitionen anstünden, überlegen sich inzwischen zweimal, ob sich das noch lohne. Das wirkliche Sterben zahlreicher Betriebe befürchtet Lutz Neumann aber für das kommende Jahr.
Dabei spielt der gestiegene Energiepreis zwar die Hauptrolle, ist aber nicht das einzige Problem. Konkret sieht die Lage so aus, dass es bei langfristigen Versorgern eine Preissteigerung um das dreifache gäbe. Wer oft den Anbieter gewechselt hat und nun in die Grundversorgung muss, bezahle dann auch mal das fünffache des ursprünglichen Preises. Auch der Strompreis hat sich aktuell mindestens verdoppelt. Vonseiten der Anbieter komme dabei das Signal, dass es immer Gas geben werde. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Spartipps helfen dabei gerade den Bäckern nicht weiter. Denn der Ofen braucht nun mal die Temperatur, die zum Backen nötig ist. Höchstens bei den Abläufen könne man an der einen oder anderen Stelle optimieren, aber das sei sehr begrenzt. Rund 75 Prozent der Bäcker beheizen ihre Öfen mit Gas. Ein Umstellen auf Strom lohne sich dabei auch preislich nicht, abgesehen von den damit verbundenen Investitionskosten.
Hinzu kommt noch eine weitere Herausforderung für die Handwerksbetriebe, nämlich der neue Mindestlohn. Dabei betont der Innungsmeister, dass er ganz dafür ist, seinen Angestellten einen ordentlichen Lohn zu zahlen. Aber prinzipiell muss das Geld erstmal verdient werden und dann muss es auch gerecht zugehen. Schließlich kann nur das verteilt werden, was da ist und wenn dann der Facharbeiter nicht viel mehr bekommt als eine ungelernte Hilfskraft, ist das eben nicht sehr gerecht. Außerdem muss man ehrlicherweise sagen, dass es das Grundproblem, dass am Ende des Monats vom Lohn nichts übrig bleibt, nur zum Teil an den bisherigen Löhnen liegt. Denn ungefähr die Hälfte des Lohnes kassiert bei einem durchschnittlichen Einkommen der Staat. Den größten Teil direkt, den Rest über Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer und ähnliches. Der Innungsmeister möchte auch, dass die Angestellten gut über die Runden kommen mit ihrem Gehalt. Aber dafür fordert er in erster Linie „Mehr Brutto vom Netto“.
Die derzeitige Lage jedenfalls lässt den Bäckern keine andere Wahl, den Preis anzupassen. Auch wenn bereits jetzt ein verändertes Kaufverhalten zu beobachten sei. So stellt Lutz Neumann fest, dass die Kunden bewusster einkaufen. Diese höhere Wertschätzung findet er prinzipiell auch nicht ganz schlecht, denn dann wird weniger weggeworfen. Das ist vielleicht auch das einzig positive an der gegenwärtigen Situation, dass nämlich die Verschwendung von Lebensmitteln in Deutschland dadurch reduziert wird.
Dem Bäckermeister geht es aber nicht nur um sein Handwerk. Denn gerade im regionalen Lebensmittelhandwerk ist man eng vernetzt und dadurch auch im engen Austausch. Dass die Gewerke gemeinsam an einem Strangziehen ziehen, hat sich auch vor zwei Wochen in Dresden gezeigt, als rund 6000 Handwerker aus der Region in Dresden ihrem Unmut Luft machten.
Auf jeden Fall bleibe es notwendig, dass bald wieder preiswerte Energie zur Verfügung steht. Dazu erhofft sich Lutz Neumann auch von den Regierenden, Fehler einzugestehen und alte Denkmuster zu hinterfragen. Denn wenn der regionale Mittelstand, der nicht ins Ausland abwandern kann wie andere Wirtschaftszweige, sterbe, „Sägt der Staat am eigenen Stuhl“ betont Neumann. Von den Kunden erhofft er sich weiterhin die Treue zu den Handwerkern. Ansonsten kann man nur wiederholen, was bei dem (auch nicht mehr vorhandenem) Dorfbäcker des Autors über der Ladentheke stand: „Altes Brot ist nicht hart, kein Brot, das ist hart“.