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Kühltürme am Kraftwerk Boxberg gesprengt

Kühltürme am Kraftwerk Boxberg gesprengt

Am Nikolaustag wurden drei Kühltürme in Boxberg ohne Komplikationen gesprengt. Livestreams sorgten für viel Aufmerksamkeit. Fotos: Till Scholtz-Knobloch, Collage: Philipp Haufe

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V.l.n.r. Eduard Reisch, Stefan Gräßle und als Chef Jens Rapp von der Lothar Rapp Gmbh aus Vaihingen an der Enz hatten die Verantwortung für das Geschehen. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Die Skyline von Boxberg ist ärmer geworden. Am Nikolaustag wurden gleich drei Kühltürme im Kraftwerk gesprengt. Sie machen Platz für eine neue Zeit mit vielen Fragezeichen.

Boxberg. Drei Kühltürme mit je 113 Metern Höhe in drei jeweils 12.000 Tonnen schwere Haufen Schutt zu verwandeln geht ruckzuck. Nach wenigen Sekunden war alles vorbei und die Konzentration von Bediensteten, Sprengkommando und Medienschaffenden richtete sich auf die Gulaschkanone.
Als sich zuvor jedoch der Staub verzogen hatte und die Konturen der Restfundamente zu erkennen waren, witzelte Adolf Roesch, seit September neuer Vorstandsvorsitzender der LEAG, fast unvermeidlich zu Staatssekretärin Barbara Meyer: „Die Nachbartürme stehen ja noch“. Ein etwa 20-köpfiges Team um Sprengmeister Jens Rapp aus Württemberg hatte ganze Arbeit geleistet. Auf die Frage des Niederschlesischen Kuriers, ob so ein Auftrag Standard sei, antwortet dieser: „Das ist schon etwas besonderes hier. Aber grundsätzlich haben wir schon mit Kühltürmen Erfahrungen gemacht. Das war allerdings nicht im Lausitzer Revier sondern im Ruhrgebiet.“ Außerdem stünden hier ja auch gleich drei Kühltürme, die möglichst ineinander fallen sollten. 1.600 Zünder und Bohrlöcher hätte sein Team die Woche über gesetzt – während sie das Gesamtprojekt schon seit dem Frühjahr beschäftigte. Die Sprengung erfolge mit vollelektronischer Zündtechnik. „Das ist meiner Meinung nach die sicherste Variante“, so Rapp, der am Ende strahlen konnte.

Der Boxberger Kraftwerksleiter Carsten Marschner informierte die Redaktion zuvor über die Geschichte: „Wir reden hier heute von dem Werk II, wo wir heute die Kühltürme sprengen werden. Das Werk II ist 1973 in Betrieb gegangen und war dann vollständig in Betrieb 1975. Wir haben praktisch dort sechs Blöcke gehabt a 210 MW (Megawatt). Installiert waren dann in diesem Werk insgesamt knapp 1.300 MW. Das gleiche hatten wir aber auch noch davor. Von 1971 bis 1973 haben wir das Werk I in Betrieb genommen.“ Die Außerbetriebnahme im Werk II sei 1996 erfolgt, womit man dort auf 23 Jahre Betrieb und davor bei Werk I auf 27 Jahre Betrieb bis zur Außerbetriebnahme 1998 zurückblicken konnte. Im Anschluss viele Jahre über eine Industriebrache zu verfügen sei jedoch nicht ungewöhnlich.

Es sei also üblich abzuwarten, bis sich ein geeignetes Nachfolgeprojekt abzeichne. „Heute ist dieser Tag, die Tür dafür zu öffnen um den nächsten Schritt zur Umgestaltung unseres Energiestandortes zu machen“. Die Standortweiterentwicklung bedeute nun vor allem einen großen Batteriestandort zu schaffen.
Insbesondere die Perspektive hatte auch Staatssekretärin Barbara Meyer aus Dresden gelockt. Sie betonte vor der Sprengung der drei Kühltürme ihre Wehmut; in der Vorweihnachtszeit könne man aber auch sagen „Jauchzet, frohlocket“, denn damit werde auch etwas neues eingeläutet. Das klang in der Presseankündigung zur Sprengung seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung bereits überschwänglich. „Das Kraftwerk Boxberg wandelt sich vom traditionsreichen Standort der Braunkohleverstromung zum grünen Flexibilitätskraftwerk“, hieß es positiv gedeutet im Hinblick darauf, dass der grüne Flatterstrom infolge der Energiewende erst einmal in der „Big Battery“, die hier nun entsteht, gespeichert werden muss.

Die LEAG will hier zudem aus Windkraft- und Solaranlagen sowie mit Wasserstoff ab 2029 Strom erzeugen. So hatte die LEAG zwischen den zu sprengenden Türmen und der Film- und Fotoplattform auch werbewirksam ihre Plakate gespannt: „Gigawatt factory“ und „Wir schaffen Platz für Zukunft“, so dass keine Kamera diese Botschaft nicht präsentiere.
Doch selbst der MDR hatte am 19. November aus der Zeitung „die Welt“ zitiert, dass der Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Ralph Tiesler damit rechne, dass es in den kommenden Monaten „zu zeitlich begrenzten Unterbrechungen der Stromversorgung“ komme. Betreiber würden gezielt Netze abschalten, „um die Netze zu schützen und die Gesamtver-sorgung nicht zu gefährden.“ Laut Markus Krebber, Chef des Energieversorgers RWE, habe Deutschland unbemerkt der Öffentlichkeit Anfang November am Rande eines Kollaps gestanden und zu zehnfachen Kosten noch mit Strom aus dem Ausland ausgleichen können. Im Januar seien die Tage noch kürzer und ohne Wind und Sonne an einem Hochbelastungstag drohe bald ein Blackout.

Till Scholtz-Knobloch / 14.12.2024

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