Kamenz wird zum Drohnen-Terminal
Drohnen – wie hier die von Mike Hohmann – stehen im Mittelpunkt der Bemühungen auf dem Flugplatz. Foto: Archiv
Das Kompetenzzentrum für autonomes Fliegen auf dem Kamenzer Flugplatz nimmt zumindest auf dem Papier Gestalt an. Erste Projekte stehen kurz vor der Verwirklichung.
Kamenz. Ein halbes Jahr ist es her, dass auf dem Kamenzer Flugplatz das Kompetenzzentrum „autonomes und elektrisches Fliegen“ (AEF) aus der Taufe gehoben wurde. Sechs Monate, in denen vor allem hinter den Kulissen angestrengt daran gearbeitet wurde, die Vision von der Entwicklung des Flugverkehrs von morgen voranzutreiben. Zeit für die Protagonisten, eine erste, wenn auch noch sehr frühe Zwischenbilanz zu ziehen. Der Oberlausitzer Kurier beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist auf dem Flugplatz vom Kompetenzzentrum jetzt schon zu sehen?
Die Antwort lautet schlicht und ergreifend: nichts. „Dafür ist es jetzt tatsächlich noch zu früh“, so die übereinstimmende Auskunft der Professoren Johannes Markmiller (TU Dresden), Hubertus Domschke (BTU Senftenberg/Cottbus) sowie von Thomas Ernstberger. Letzterer hat als Geschäftsführer der AEF gGmbH vor Ort die Fäden in der Hand und kann daher am Besten über die Aktivitäten Auskunft geben. Als erstes, so berichtet er, wird es am Tower sichtbare Veränderungen geben: „Im März sollen die Vertragsverhandlungen mit der Flugplatz Kamenz GmbH abgeschlossen sein, dann wollen wir mit der Rekonstruktion der unteren beiden Etagen beginnen“, so Thomas Ernstberger. Diese sollen zum „Innovationstower“ ausgebaut werden – einem Ort, in dem Startup-Unternehmen und Forschungseinrichtungen Räume für ihre Arbeit, insbesondere für Meetings und Kommunikation, finden. Und auch für die brach liegende Gastronomie, so deutet Thomas Ernstberger an, gibt es einen Interessenten.
Hinsichtlich des Hangars, in dem die am Netzwerk Beteiligten künftig ihre Fluggeräte und sonstige benötigte Technik unterbringen können, rechnet Thomas Ernstberger „jeden Tag“ mit der Baugenehmigung, sodass dieser im Sommer stehen kann. „Dies ist die Grundvoraussetzung für die Ansiedlung von Firmen“, betont der Geschäftsführer. Zwei von ihnen – Meshmerize und Campus Genius (beides Ausgründungen der TU Dresden) – stellten sich bereits im September 2020 in Kamenz vor und wollen hier Fuß fassen. Beide beschäftigen sich mit der Kommunikation zwischen sowie mit Drohnen.
Welche Vision verfolgt das Kompetenzzentrum?
Kamenz soll zu einem der führenden Standorte für die Entwicklung und Erforschung des autonomen, also unbemannten Fluges, werden. Dafür hat das Netzwerk bereits 41 Partner gefunden, darunter Hochschulen (TU Dresden, BTU Cottbus/Senftenberg, Hochschule Zittau/Görlitz), Vereine und Firmen. „Sie beschäftigen sich unter anderem mit den Themen künstliche Intelligenz, Einsatz von Elektro-Antrieben oder der Wasserstofftechnologie in der kleinen Luftfahrt“, so Thomas Ernstberger. Bis jetzt dürfen Drohnen mit bis zu 25 Kilogramm Gewicht in Kamenz aufsteigen, künftig sollen es bis zu 100 Kilogramm sein. Für solche Flugkörper bedürfe es geeigneter Antriebe, an denen in Kamenz geforscht werden soll. Das Testfeld, in dem die Drohnen erprobt werden, soll die Form von zwei Korridoren erhalten, die von Kamenz nach Reichenbach sowie nach Hoyerswerda führen. „In Hoyerswerda sind die Sana-Kliniken unser Partner, die intensiv an medizinischen Themen arbeiten“, so Professor Hubertus Domschke von der BTU. Man habe gemeinsame Anwendungsfelder identifiziert, die eine Teststrecke zwischen Hoyerswerda und Kamenz erfordern. Worum es dabei konkret geht verrät er noch nicht, nahe liegt jedoch der Transport von Medikamenten mittels Drohne. In Reichenbach geht es um Anwendungen für die Landwirtschaft, Partner ist hier die „Gemeinnützige Forschungsgesellschaft für dezentrale Energiesysteme“ (Gedes) e.V. Gegenwärtig befinden sich die ersten Projekte in der Antragsphase um Fördermittel von Bund und Freistaat Sachsen.
Was haben Kamenz und der Flugplatz davon?
Man könnte auch anders herum fragen: Was hat die AEF von Kamenz und vom hiesigen Flugplatz? „Wir haben hier einen wegen der Nähe zu Dresden und der vorhandenen Luftfahrtkompetenz optimalen Standort“, schätzt Professor Johannes Markmiller, Lehrstuhlinhaber für Luftfahrttechnik an der TU Dresden, ein. Freilich soll auch der Flugplatz von den Aktivitäten des Netzwerks profitieren: „Wir wollen hier die Infrastruktur verbessern und einen Anreiz für Ansiedlungen im geplanten Gewerbegebiet schaffen“, wie Thomas Ernstberger betont. Investitionen zwischen fünf und zehn Millionen Euro seien realistisch. Er räumt auch mit einer offenbar kursierenden Befürchtung auf: „Auch wenn sich unser Reallabor auf dem Modellflugplatz befindet, können die Modellflieger in Zukunft wie bisher ihrem Hobby nachgehen.“ Es sei nicht so, dass künftig pausenlos Drohnen aufsteigen.