Kein Weihnachten ohne verkohlte Gans
Die einst ganz weiße Gans kam am Heiligen Abend ganz schwarz aus der Röhre. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Unter den letzten beiden Geschichten, die wir zu den Festtagen im Rahmen unseres Aufrufes „Ihr ’verrücktes’ Weihnachten“ veröffentlichen, darf in einer auch das obligatorische angebrannte Festmahl nicht fehlen. Johanna Ruschke (66) aus Rietschen hat uns dieses Erlebnis geschrieben.
Rietschen. „Unsere fünf Kinder waren 1985 noch klein und glaubten an den Weihnachtsmann. Ich wollte partout eine gute Köchin und Hausfrau sein und wagte mich zum ersten Mal an einen Gänsebraten. Wir hatten den Sommer über fünf Gänse gefüttert. Vier Gänse waren dann kurz vor Weihnachten mehr oder weniger verschenkt oder für kleines Geld abgegeben worden. Denn sie waren nicht wirklich fett geworden, eher mager und ohne Federn sahen sie noch dürrer aus. Die fünfte Gans sollte unser Festtagsbraten werden. Ich heizte den Küchenherd an, wälzte das Kochbuch und schob die Gans hinein in die Bratröhre. Anfangs lief alles glatt und es duftete herrlich. Dann kam mir aber die Idee, Christkindl zu spielen. Mein Mann sollte mit den Kindern draußen im Schnee spazierengehen und ich läutete aus der Ferne ein Glöckchen. Dabei musste ich genau aufpassen, dass sie mich zwar hören, aber nie sehen durften. Ich sprang also immer hinter Schuppen, Bäumen und Hecken herum und bimmelte fleißig. Und wie das so ist, vergaß ich meinen Gänsebraten. Als ich zurückkehrte, war die Gans ganz schwarz und es stank fürchterlich. Es war absolut nichts mehr zu gebrauchen an diesem Gerippe. Es gab dann Kartoffelbrei mit Rührei. Eine Gans habe ich seitdem nie wieder gebraten. Das Erlebnis sitzt zu tief.“
Klaus Hemmerling aus Niesky erinnert sich in der zweiten Geschichte an seine Kindheit.
Weihnachten in schwerer Zeit
Niesky. Wieder einmal stand Weihnachten vor der Türe – „in der schlechten Zeit“ nach dem Weltkrieg. Mutter und Vater mussten ganz schön laufen, um etwas auf den Gabentisch zu bringen. Wir empfanden es als keine schlechte Zeit, denn der Essenstisch war immer reichlich gedeckt. Traditionell gab es am 24. Dezember zu Mittag Nudeln mit Gänseklein. Mal war die besorgte Gans zu schwer, mal war sie zu fett. Es war jedes Jahr dasselbe: Die Gans war nie die richtige. Und die vom Vorjahr war immer besser als die jetzige. Abends gab es dann immer die Grieben von der Gans, ausgebraten mit Zwiebeln und Apfelstücken. Während die Mutter immer die ganze Arbeit erledigte, hatte sich der Vater am späten Nachmittag über das Braten der Gänsegrieben hergemacht. Aber das ist schon wieder eine Geschichte für sich, wie sich die Eltern mit der Gans beschäftigten und meine Schwester und ich unseren Spaß daran hatten. Die selbst gestrickten, kratzenden Wollstrümpfe von den Omas, der Pferdewagen oder das Auto und die Holzeisenbahn, der kleine Handwerkerkasten, die Kinderpost und der Stempelkasten waren alles schöne Geschenke für mich. Meine Schwester begeisterte sich mehr für die Puppenküche, die jedes Jahr mit irgendeiner Neuerung erschien für ihre Puppe Ursula und die Stammbuchblümchen. Die ganzen Geschenke gaben es natürlich nicht alle an einem Weihnachtsabend, sondern waren die Summe mehrerer Weihnachten. Mit fortschreitendem Alter lagen auch Bücher, Briefmarken zum Sammeln und praktische Dinge für den Alltag in der Schule und der Freizeit auf dem Gabentisch. Und damit war die Zeit angebrochen wo diese Dinge zunehmend die Spielsachen verdrängten. Unsere Eltern hatten uns so erzogen, dass wir neben dem ausgesprochenen Dankeschön für die Weihnachtsgeschenke auch ihnen etwas schenken sollten und damit auch wollten. Meistens bastelten wir etwas mehr oder weniger praktisches, besorgten für den Vater eine Hand voll Zigarren oder ein Päckchen Pfeifentabak, sangen gemeinsam ein Lied oder sagten in verteilten Rollen ein Gedicht, passend zum Winter und zur Weihnachtszeit.