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Kleine Küsschen halten „Bruni“ jung

Kleine Küsschen halten „Bruni“ jung

Simone Hohlfeld führt als Magd Brundhilde viel große und kleine Besucher über den Oybin. Foto: Archiv/privat

Was ist das bitteschön für eine „Frischzellenkur“?  Simone Hohlfeld feiert mit ihrer historisch verkörperten, über 600 Jahre alten Burgmagd Brunhilde 20. Geburtstag. Seit 2005 zierliche Frau aus Hainewalde als „Bruni“ viele große und kleine Besucher über den Oybin. 

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Natürlich ist „Bruni“ über die Geschichte von Burg und Kloster Oybin im Wandel der Zeit bestens informiert. Foto: Archiv/privat

Oybin. Simone Hohlfeld spielte anfangs bei den Ritterspielen die Magd des Raubritters Michelsberg, einer Oybiner Sagengestalt auf dem Oybin. Regie führte damals Harald Warmbrunn. „Ich liebe seit meiner Kindheit Sagen, Märchen und Legenden und nahm mit zunehmendem Alter alles auf, was mit Historie unserer Heimat zu tun hat. Nach dem Stück führte ich die Gäste über die Naturbühne durch die Ritterschlucht auf den Oybin zum Ort des Geschehens. Was sie durch die Geschichten, die sie gerade spielerisch erlebten, auf dem Oybin erkunden können, das habe ich den Besuchern in der Rolle als Brunhilde nahegebracht“, erinner sie sich. Der damalige Kastellan der Burg Dirk Keil entdeckte und bestärkte Simone Hohlfeld darin, ihre eigene Kreation der Führung zu schaffen. „Und dann nähte ich mir auch mein eigenes Gewand dazu“, berichtet sie. 

Simone Hohlfeld ist die „Bruni“, „sobald ich gewandet bin und mein Häubchen trage.“ Zu ihrer „Ausstattung“ zählen unter anderem das Unterkleid aus Leinen, ein Wollgemisch im Winter, ein langer Rock oder ein Überkleid, meist grün, je nach Wetter Miederweste oder Jüpchen, ein Gürtel mit allen wichtigen Utensilien wie Holzlöffel, Kupfertrinkbecher und Almosenbeutel und ihr großer Schlüsselbund. Je nach Jahreszeit verwandelt sich Simone Hohlfeld in circa 15 bis 20 Minuten in die Magd Brunhilde. Sie verkörpert die Schicht derer, die auf der Burg die Wirtschaft erledigten, damit viele Aufgaben hatten, über die Rolle der Frauen und Kinder auf der Burg zu berichten weiß und von der Herrschaft so manches aufschnappt. Natürlich ist „Bruni“ über die Geschichte von Burg und Kloster im Wandel der Zeit bestens informiert, „maßregelt“ auch so manchen Gast mit einem kecken Spruch und Augenzwinkern.

Die Magd Brunhilde schaut aber auch über die Landesgrenzen und kann viele Zusammenhänge mit der Herrschaft Böhmens und den Entwicklungen allgemein im 14. Jahrhundert in volksverständlicher Form erzählen.„Ich bin in der einstigen Zeit drin, sobald ich vor den Gästen stehe und nehme sie geistig in die verschiedenen Epochen mit“, sagt sie. Dabei gelingt es Brunhilde meistens, die Fantasie der Teilnehmer soweit zu bringen, dass sie sich die Burg und Klosteranlage in voller Pracht vorstellen können. Fragen kommen in der Regel hinterher – die meisten Gäste staunen erst einmal. 

Simone Hohlfeld hat bei ihren Führungen schon viele lustigen Anekdoten erlebt: „Kinder glauben anfangs nie, dass ,Bruni’ über 600 Jahre alt ist und versuchen mit gekonnt gestellten Fragen, mich aus der Rolle zu bringen, um dann meine Altersangabe widerlegen zu können. Das gelingt ihnen zum Vergnügen der Erwachsenen kaum.“ Die Mädchen und Jungen würden zum Beispiel fragen, „wo ich schlafe, was ich im Winter mache, warum ich auch neue Schlüssel dabei habe, ich nicht barfuß gehe, was ich esse oder wo mein Handy steckt?“
Die kleineren Kinder möchten alle an ihrer Hand gehen und drängeln oder zanken sich um den ersten Platz an ihrer Seite: „Manchmal konnte ich kaum laufen, weil sie sogar an meiner Schürze hingen.“ Wunderschön seien die alljährlichen „Zuckertüten-Führungen“, wo Kinder der „Bruni“ erklären, was eine Zuckertüte ist. „Der Kindergarten überraschte mich bei meiner eigenen Hochzeit 2018 mit den Kindern vor dem Standesamt“, erzählt sie. Der „Chor“ sang dort der „Bruni“ ein Lied und schenkte ihr ein großes gebasteltes Herz. Unter den Erwachsenen gab und gibt es sogar manchen Fan bis nach Holland.

Simone Hohlfeld ist nach 20 Jahren in ihrer Mission als „Bruni“ immer noch von unserem Landstrich begeistert: „Das wird auch nie aufhören, ich liebe meine Region und vor allem die Möglichkeit, die Grenzen verschwinden zu lassen und uns ins Herz Europas zu rücken, was mein großes Idol Karl IV. bereits tat. Mich fasziniert unsere große regionale geschichtliche Bedeutung, die Besonderheit der Oberlausitz in ihrer Entwicklung der Sonderstellung unserer königlichen Städte und des Sechsstädtebundes.“ Und sie fährt fort: „In der Gegenwart berührt mich der wachsende Stolz, unsere Architektur zu pflegen und zu erhalten. Wir leben in einer ,Bilderbuch-Landschaft’ und darüber bin ich sehr glücklich. Deshalb möchte ich meinen Teil dazu beitragen, es den Fremden, aber auch den Einheimischen bewusst zu machen.“

Brunhilde wünscht ihren Gästen weiterhin viel Neugier und Wissensdurst, Zeit und innere Ruhe, sich auf die gedankliche Reise einzulassen und mit mehr Verständnis für Geschaffenes in die Zukunft gehen zu können: „Leider geht im momentanen Generationenwechsel die Achtung gegenüber dem, was uns an Bauten vergangener Jahrhunderte erhalten geblieben ist mehr und mehr verloren. Die Anlage von Burg und Kloster Oybin sollte weder als Kletterpark noch als Spielplatz im Sinne des Wortes gesehen werden, sondern als dessen, was sie ist – ein ,Denkmal europäischen Ranges’. Je achtsamer alle damit umgehen, umso mehr Menschen können sie auch in Zukunft bestaunen. Der Oybin und seine einzigartigen Ruinen sind es wert.“ 

Es ist ihr ein kleiner Herzenswunsch zum 20. Geburtstag von „Bruni“, allen großen und kleinen Gästen ein großes Dankeschön zu sagen: „Ich bekomme immer so viel Freude und liebevolle Worte, kleine Küsschen auf die Hand und Umarmungen von den Kindern. Das hält die über 600-jährige ,Bruni’ jung.“ 

Steffen Linke / 18.01.2025

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