Kloster St. Marienthal bald ohne den Psalter?
Nur zu sehr seltenen Anlässen gewähren die Schwestern von St. Marienthal Einblick in ihre Bibliothek. Foto: Matthias Wehnert
Ostritz. Die barocke Klosterbibliothek von St. Marienthal befindet sich innerhalb der Klausur, also dem abgegrenzten, nur den Schwestern vorbehaltenen, Bereich. Das Entsetzen in Fachkreisen ist nun groß, seit am 9. Mai bekannt wurde, dass der Schweizer Handschriftenhändler Jörn Günther den Marienthaler Psalter anbietet. Er gehört zur Klosterbibliothek des 1234 gegründeten Zisterzienserinnenkloster Marienthal, des ältesten noch bestehenden Frauenklosters des Ordens in Deutschland.
„Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, die Zusammenarbeit, die vertraglich geregelt ist, zu beenden“, erklärte Äbtissin Elisabeth Vaterodt in einem Dienstag auf katholisch.de veröffentlichten Interview. Im Blog https://archivalia.hypotheses. org bekundete dessen Betreiber Dr. Klaus Graf noch am Dienstag unter der Überschrift: ’Keine Entspannung in der Causa St. Marienthal: Äbtissin uneinsichtig’: „Die selbstgerechte Klostervorsteherin unterstellt dem Land Sachsen eine Falschaussage, wenn es sagt, man habe vereinbart, ’dass das Land bis Ende Juni Zeit habe, um ein eigenes Angebot für die Handschriften vorzulegen’“. Nach Angaben des MDR würde der Freistaat über 1,2 Mio. Euro anbieten, Schätzungen gehen jedoch von einem Wert von 4 bis 5 Millionen Euro aus.
Im Interview unter katholisch.de hatte Äbtissin Elisabeth jedoch darauf hingewiesen, „Sie können sich sicher sein, dass wir um die Bedeutung des Psalters wissen, und wir haben ihn ja auch jahrhundertelang gehütet und beschützt. Ich muss aber auch mal sagen: In den vergangenen Jahrzehnten hat das Buch hier bei uns in der Bibliothek geschlummert, ohne dass sich irgendjemand dafür interessiert hätte. Insofern verwundert mich der öffentliche Aufschrei jetzt schon ein bisschen.“ Es gehe letztlich auch um Sanierungskosten in Millionenhöhe nach dem Neißehochwasser 2010. Man sei sogar an Altersrücklagen der Schwestern gegangen,
Der Marienthaler Psalter stammt aus dem 13. Jahrhundert. Die biblischen Psalmen stammen aus der Zeit Moses (ca. 1.440 v. Chr.) bis in die Zeit Esras (ca. 450 v. Chr.).
Zum Text war im Oberlausitzer Kurier Löbau/Zittau und dem Niederschlesischen Kurier Görlitz/Niesky auch der folgende Kommentar von Till Scholtz-Knobloch zu finden:
Die Empörung über den möglichen Verkauf des kulturgeschichtlich unermesslich wertvollen Psalters des Klosters St. Marienthal ist riesig. Doch die Absicht eines Verkaufs offenbart eigentlich viel Tiefgründigeres. Niemals in der Geschichte gab es weniger Nonnen, Klosterbrüder oder Schwestern. Das Dilemma ist nicht allein den vielen Versuchungen der säkularen Welt geschuldet. Diese legt umgekehrt einem althergebrachten Ordensleben immer mehr Steine in den Weg. Wie lässt sich im Dienste der Allgemeinheit wirken, wenn heute – um nur ein Beispiel zu nennen – nichts mehr ohne Mindestlohn geht? Doch der Psalter ist mehr noch als Allgemeingut der Besitz derer, die aus seinen Botschaften Lehren für ihr Leben bis heute ableiten. Die Tragik ist: Der Druck lastet nun auf denen, die am wenigsten Mammon huldigen.