Königsbrücker Heide ist Wildnisgebiet
Die Wildnisstation dient der Durchführung kleinerer Veranstaltungen sowie als Stützpunkt für Juniorranger. Sie ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Foto: Archiv
Königsbrück. Das Naturschutzgebiet Königsbrücker Heide ist seit Mittwoch Wildnisgebiet nach den Kriterien der internationalen Naturschutzorganisation IUCN. Damit hat es als erstes Gebiet in Deutschland dieses Prädikat verliehen bekommen.
Sachsens Umweltminister Wolfram Günther nahm die Anerkennungsurkunde aus der Hand des IUCN-Vertreters Dr. Eick von Ruschkowski in Königsbrück entgegen. Die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) würdigt mit der Auszeichnung vor allem, dass rund 80 Prozent des über 7.000 Hektar großen Schutzgebiets der natürlichen Entwicklung überlassen bleiben.
Umweltminister Günther sprach von einem Meilenstein in den jahrelangen Bemühungen. „Dass die Königsbrücker Heide jetzt als Wildnisgebiet ausgewiesen ist, ist ein Riesenerfolg für die Natur und für die Menschen in der Region. Ein Wildnisgebiet in einem dicht besiedelten Land ist keine Selbstverständlichkeit. Die Königsbrücker Heide ist ein einzigartiger ökologischer Schatz. In Zeiten von globalem Artensterben und Lebensraumverlust ist das unbezahlbar. Hier kann Natur Natur sein, hier haben unzählige Arten wichtige Rückzugsräume. Außerdem können wir von der Wildnis und ihrer natürlichen Dynamik lernen, wie wir anderswo Arten retten können. Und wir fördern in der Königsbrücker Heide, das Naturerleben, die Umweltbildung und die regionale Entwicklung. Denn das Wildnisgebiet wird auch Besucherinnen und Besucher anziehen.“
Der Vertreter der IUCN, Dr. Eick von Ruschkowski, gratulierte im Namen der internationalen Organisation und betonte: „Die Königsbrücker Heide zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Entwicklung von einem Militär- in ein Wildnisgebiet aus, Die Auszeichnung der Königsbrücker Heide als IUCN-Wildnisgebiet Kategorie Ib stellt ein Novum für die Bundesrepublik dar und bringt internationale Anerkennung nach Sachsen. Sie spiegelt nicht nur wider, dass wir als Gesellschaft in der Lage sind, der Natur auch etwas zurückgegeben, was wir vorher sprichwörtlich verwüstet haben, sondern auch, dass Naturschutz einen langen Atem braucht, weil natürliche Prozesse Jahrzehnte oder noch längere Zeitperioden in Anspruch nehmen.“
Wesentlich für die Auszeichnung der Königsbrücker Heide war, dass eine gerade im mitteleuropäischen Maßstab große Fläche im Umfeld wenig Infrastruktur aufweist und somit über eine Pufferzone verfügt. Wichtig war auch der Rückbau der Infrastrukturen und die Erstellung einer NSG-Verordnung, die natürlichen Prozessen freien Lauf lässt und menschliche Eingriffe minimiert.
Besucherinnen und Besucher werden mehrere Möglichkeiten geboten, die Wildnis und ihre Entwicklung vor Ort zu erleben. Genannt seien Themenpfade wie der Biberpfad oder die Heidepfade und Aussichtsmöglichkeiten.
Die Wildnisstation dient der Durchführung kleinerer Veranstaltungen sowie als Stützpunkt für Juniorranger. Die Schutzgebietsverwaltung bietet außerdem geführte Wanderungen und Bus-Exkursionen ins Gebiet an. Auch diese Aspekte waren für die Anerkennung durch die IUCN wichtig.
Das Wildnisgebiet Königsbrücker Heide gehört naturräumlich zum Oberlausitzer Heideland. Es ist geprägt durch eine große biologische Vielfalt, die unter anderem auf einem Wechsel von sehr trockenen und sehr feuchten Standorten und Lebensräumen basiert. Daraus resultiert ein großer Reichtum an teils seltenen Tier- und Pflanzenarten wie Biber, Fischotter, Seeadler, Bekassine, Grauspecht und Rotbauchunke sowie eine Vielzahl an totholzbewohnenden Käferarten, natürliche Eichenmischwälder auf Sandebenen, Schwarzpappeln oder Unterwasservegetation mit bundesweiter Bedeutung. Als ehemaliger Truppenübungsplatz ist die Fläche ein gutes Beispiel einer „sekundären Wildnis“, die sich auf durch Menschen stark beeinflussten Standorten entwickelt.
Die Königsbrücker Heide wurde 1992 als Naturschutzgebiet einstweilig gesichert und 1996 als solches festgesetzt. Nach Neufassung der Schutzgebietsverordnung durch den Landkreis Bautzen (2022) umfasst es eine Fläche von 7.036 Hektar. Rund 99 Prozent der Fläche befindet sich im Eigentum der öffentlichen Hand. Von 1907 bis 1992 wurde die Königsbrücker Heide intensiv als Truppenübungsplatz genutzt. Infolgedessen ist das Gebiet noch heute unter anderem durch Munitionsrückstände belastet.
Kommentare zum Artikel "Königsbrücker Heide ist Wildnisgebiet"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Die Lausitz ist eine durch den Bergbau massiv gestörte Grundwasserlandschaft, die ihren sumpfigen Charakter auf sehr großen Flächen in Sachsen und Brandenburg eingebüßt hat. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Entwicklung zu stabilen landschaftstypischen Hochwäldern oder deren Erhalt. Von daher kann der Wert des Wildnisgebietes Königsbrücker Heide gar nicht hoch genug bewertet werden.
Doch auch in der Königsbrücker Heide bleibt abzuwarten, wohin sich die Sukzessionswälder entwickeln und ob aus den labilen Jungwäldern mit teils hartnäckigen Neophyten wie z.B. der Robinie wieder stabile Ökosysteme mit einem dem ursprünglichen Zustand vergleichbaren Wasserhaushalt entstehen. Beschleunigt oder gebremst wird die großflächige Entwicklung sicher durch die Populationsdynamik der Biber im Zusammenspiel mit dem Wolf. Die Frage bleibt aber, wie der galoppierende Klimawandel dieses Wildnisentwicklungsgebiet stetig stört und ob er ggf. gewichtige Vor- und/oder Nachteile für die Ökosystemstabilität bewirken wird. Noch darf man optimistisch sein, dass das Wildnisgebiet eine gute Zukunftschance hat und sich weiter den historischen Urlandschaften der Lausitz annähert.