„Können beruhigt der Dinge harren“
Thomas Göttsberger hat als Eigentümer Schlüsselgewalt über die Mandaukaserne. Foto: Menschner
Die Zittauer Mandaukaserne ist nach drei Notsicherungen in ihrer Substanz nicht mehr gefährdet. Jetzt wartet eine andere, nicht minder schwierige Aufgabe auf den Eigentümer.
Zittau. Thomas Göttsberger wirkt entspannt, als er an diesem, ausnahmsweise mal sonnigen Nachmittag das Tor am Nordturm der Mandaukaserne aufschließt. „Eigentlich müssten wir jetzt gleich begrüßt werden“, meint er lächelnd. Doch das erwartete Blöken bleibt aus. Von der Schafherde, die seit etwas mehr als einem Jahr das Gelände um das historische Bauwerk vom Bewuchs befreit, keine Spur. „Wer weiß, wo die sich herumtreiben“, meint der Eigentümer des historischen Gebäudes und führt durch den langen, sofort an den ursprünglichen Bestimmungszweck erinnernden Flur in den Südturm.
An diesem begann vor fast sieben Jahren eine erstaunliche Geschichte, die wohl nicht nur in der unmittelbaren Umgebung ihresgleichen sucht. 2015 nämlich drohte diesem heute in einem hellen Beige erstrahlenden Gebäudeteil der Einsturz. Quasi im Handstreich verhinderten engagierte Bürger und Bürgerinitiativen dies, in dem sie in Absprache mit den damaligen Eigentümern die Zwischendecken statisch ertüchtigten und das Dach abdichteten. Von außen erhielt der Turm jenen Farbanstrich, der ihn deutlich von den noch nicht bearbeiteten, mausgrauen Gebäudeteilen abhebt. Nicht nur den Einsturz des Südturmes konnten die Engagierten so abwenden, sondern auch den von der Stadt Zittau eigentlich geplanten Abriss des gesamten Gebäudes.
Dass Thomas Göttsberger als Privatperson zum Eigentümer der Mandaukaserne wurde, erklärt er aus heutiger Sicht so: „Die Eigentümer-GmbH wäre sonst an einen Geschäftsmann aus Namibia verkauft worden. Da es ungünstig gewesen wäre, einen Eigentümer zu haben, der so weit weg ist, bin ich in die Bresche gesprungen, damit der Eigentümer hier vor Ort ist.“ Wie viele schlaflose Nächte und graue Haare ihm das bereitet hat, verrät Thomas Göttsberger nicht. Wohl aber seine Motivation: „Ich habe im Westen erlebt, wie ein historisches Gebäude nach dem anderen aus den Städten verschwunden ist und diese dadurch ihr Gesicht verloren haben. Hier in der Oberlausitz fühlte ich mich an meine Kindheit erinnert: So viel historische Bausubstanz, die erhalten blieb und die erhaltenswert ist.“
Freilich gehen die Meinungen gerade zu letzterem auseinander. Thomas Göttsberger und die von ihm mit initiierten Stadtforen in Görlitz und Zittau haben sich in diesen Kontroversen einen Namen als kritische und streitbare Fürsprecher des Denkmalschutzes gemacht. Nicht immer sind diese Bemühungen von Erfolg gekrönt.
Im Falle der Mandaukaserne waren sie es aber. Und das, weil das Engagement nicht nur rhetorisch vom Rednerpult aus, sondern auch ganz handfest mit Spitzhacke und Boschhammer erfolgte. Auf den Südturm folgte der Nordflügel, der ebenso kurz vor dem Einsturz stand. Hier wurden 2016/17 Dach und Mauerwerk erneuert. Die Sächsische Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack hatte die Denkmalschützer damals klar gegen Vorwürfe aus der Politik, entgegen den Absichten der Stadt Zittau Tatsachen schaffen zu wollen, in Schutz genommen und erklärt: „Die Mittel sind für die Notsicherung vorgesehen, um Gefahr für Leib und Leben abzuwenden.“ 2020 schließlich nahmen sich Eigentümer Thomas Göttsberger und seine zahlreichen Unterstützer den Mittelbau als letzten akut gefährdeten Gebäudeteil vor. Nach dem Abschluss dieser Maßnahme kann er jetzt resümieren: „Die Mandaukaserne steht trocken und sicher. Wir können jetzt beruhigt in die Zukunft schauen und der Dinge harren, die da kommen.“
Welche Dinge das sein werden, weiß aber auch Thomas Göttsberger noch nicht. Um sich über die gewaltigen Dimensionen der Mandaukaserne klar zu werden, muss man sich ins Innere des Gebäudes begeben. Muss über die endlosen Flure wandern, an denen in regelmäßigen Abständen die Türen zu den früheren Soldatenstuben in ihren Angeln ächzen. Muss die Treppenhäuser mit ihren kunstvoll gedrechselten Geländern erklimmen. Muss durch die zerbrochenen Fensterscheiben der Obergeschosse einen Blick über die Türme von Zittau werfen, den man in dieser Form sonst wohl nirgends hat. Muss die frisch eingebauten, gewaltigen Deckenbalken im Mittelbau bestaunen, ohne selbst ermessen zu können, unter welchen Mühen sie hierher gelangt sind. Muss die Riesenhalle der beiden Dachgeschosse auf sich wirken lassen, an deren Seiten kleine Verschläge das Hab und Gut der früheren Bewohner aufnahmen. „Die Mandaukaserne hat eine Nutzfläche von 12.000 Quadratmetern“, weiß Thomas Göttsberger. „Damit ließe sich schon einiges anfangen.“ Große Hoffnung hatte er auf die Erweiterungspläne der Hochschule sowie auf die Ansiedlung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gesetzt, doch beide Institutionen entschieden sich für Neubauten in Steinwurfweite. „Das DLR hatte öffentlich erklärt, die Mandaukaserne geprüft zu haben. Ich kann nur sagen: Auf mich ist niemand zugekommen“, zeigt sich der Eigentümer verwundert. Doch aus der Ruhe bringt ihn das nicht. „Baudenkmäler brauchen einen langen Atem“, weiß er bereits aus vielfältiger Erfahrung. Und: „Nicht immer erntet ein Eigentümer die Früchte seiner Bemühungen selbst.“ Thomas Göttsberger jedenfalls bleibt entspannt.
Kommentare zum Artikel "„Können beruhigt der Dinge harren“"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Die Mandaukaserne wird noch lange stehen bleiben... niemand wir sich finden dort zu bauen. Nicht alle alten Häuser sind zu retten, man sollte sich auf das Stadtzentrum konzentrieren.