Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Kooperation statt Konkurrenzdenken in und um Bautzen

Kooperation statt Konkurrenzdenken in und um Bautzen

Bei Baubürgermeister Heiko Nowack (li., hier mit Oberbürgermeister Karsten Vogt) sollen die Fäden hinsichtlich des Strukturwandels in Bautzen zusammen laufen.

Die Stadt Bautzen will sich für den Strukturwandel neu aufstellen. Dazu gehört auch ein Paradigmenwechsel im Verhältnis zu den Nachbargemeinden.

Bautzen. „In der Vergangenheit haben wir es verteufelt, wenn Gemeinden wie beispielsweise Großpostwitz Baugebiete ausgewiesen haben. Das ist jetzt anders.“ Was der Bautzener Oberbürgermeister Karsten Vogt damit ausspricht, ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel. Blickte die Stadt in den vergangenen Jahren eher skeptisch über ihre Grenzen, in der Sorge, dass junge Familien in die Nachbargemeinden abwandern (was ja auch in Größenordnungen der Fall war), so hat jetzt offenbar ein Umdenken eingesetzt. „Wir können den Strukturwandel nur bewältigen, wenn wir Stadtentwicklung auch als Regionalentwicklung gemeinsam mit unseren Nachbarkommunen verstehen“, erklärt Karsten Vogt. Und das bedeutet, auch Großpostwitz, Doberschau-Gaußig, Großdubrau oder Kubschütz Entwicklungsmöglichkeiten zuzugestehen, auch wenn dies (scheinbar) zu Lasten der Stadt geschieht. 

Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Erkenntnis, „dass wir den Flächenbedarf im Zuge der Strukturentwicklung nicht allein abdecken können und dafür auf das Umland angewiesen sind.“ Denn die Stadt Bautzen hat anspruchsvolle Ziele formuliert: „Wir sind innerhalb des Strukturwandels das Arbeitsplatz-Zentrum der Region“, so Oberbürgermeister Karsten Vogt. So gibt es in Bautzen bereits jetzt 26.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze (da sind Beamte und Selbstständige noch gar nicht mitgezählt), was 668 pro 1.000 Einwohnern entspricht – eine stolze Quote, die kaum eine andere vergleichbare Stadt vorweisen kann. 18.000 Menschen pendeln von außerhalb ein, um in Bautzen ihrer Arbeit nachzugehen. Und darauf will sich die Kreisstadt keineswegs ausruhen: „Mit der Ansiedlung des Living Art of Building (LAB) werden weitere hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstehen.“

Auf Nachfrage muss der Oberbürgermeister jedoch einräumen, dass dessen Ansiedlung noch nicht vollständig in trockenen Tüchern ist: „Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat noch nicht endgültig entschieden. Angesichts der Finanzlage des Bundes stehen derzeit alle Neuprojekte auf dem Prüfstand.“ Hinzu kommt, dass sich auch das thüringische Weimar Hoffnung auf das Zentrum (oder zumindest auf Teile davon) macht und dabei vor allem seine Bauhaus-Tradition ins Spiel bringt. „Wir sind gern bereit, mit Weimar zu kooperieren“, so der Bautzener OB. Dass Bautzen komplett leer ausgeht, hält er jedoch für ausgeschlossen. „Zumal die Bundesregierung das Projekt bereits auf der Weltklimakonferenz kommuniziert hat.“ Für das LAB werden aber auch Flächen benötigt. „Wir haben bereits Anfang 2023 verschiedene Areale angeboten, beispielsweise das Globus-Gelände in Stiebitz, die Perfecta-Brache an der Jägerstraße oder das Areal am Vorstau, wo sich derzeit das Landesamt für Schule und Bildung befindet“, so Baubürgermeister Heiko Nowack. Letzteres befindet sich im Eigentum der Stadt und steht in absehbarer Zeit für eine Entwicklung zur Verfügung. 
Doch auch die Ansiedlung des Deutschen Zentrums für Astrophysik in der Region oder von TSMC in Dresden könnten für einen Entwicklungsschub auch in Bautzen sorgen, ebenso die Verleihung des Hochschulstatus an die Berufsakademie oder das Sorbische Wissensforum. Um für all diese Herausforderungen, die auch Chancen sind, gewappnet zu sein, will die Stadt Bautzen ein Projektteam mit insgesamt vier Mitarbeitern installieren, die unter der Leitung des Baubürgermeisters daran arbeiten. Für die Kosten von insgesamt Vier Millionen Euro (über einen Projektzeitraum von vier Jahren) hat die Stadt Bautzen eine Förderung in Höhe von 90 Prozent über das Stark-Programm beantragt; die Eigenmittel in Höhe von 400.000 Euro haben die Stadträte bereits einstimmig bewilligt. Bestandteil des Konzeptes ist ein „Zentrum für Beteiligung, Bildung, Innovation und Transfer“, das sich Baubürgermeister Heiko Nowack als eine Art „FAB-Mobil“ in der Innenstadt vorstellt. Wichtig ist es laut Baubürgermeister und Oberbürgermeister auch, die Sprachkompetenzen (insbesondere für Englisch) zu erhöhen und nach außen das Bild einer weltoffenen Stadt zu vermitteln. All dies soll auch dazu beitragen, den prognostizierten Einwohnerschwund von bis zu 5.000 Menschen bis Mitte der 2030er Jahre abzufedern. Auch mithilfe von Großpostwitz oder anderen Nachbargemeinden. 

Nach Redaktionsschluss ...

... erreichte uns folgende Mitteilung des Landratsamtes Bautzen: „Das Bauforschungszentrum „Living Art of Building“ (LAB) kann nun realisiert werden: der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat das vom LAB-Team um Prof. Dr. Manfred Curbach überarbeitete Konzept am Mittwoch (26. Juni 2024) bestätigt und insgesamt 68,6 Millionen Euro an Fördermitteln freigegeben. In Sachsen und vor allem im Landkreis Bautzen wurde die Entscheidung freudig begrüßt.“

Uwe Menschner / 29.06.2024

Schlagworte zum Artikel

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Kommentare zum Artikel "Kooperation statt Konkurrenzdenken in und um Bautzen"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Siggi schrieb am

    Es ist zu befürchten, dass das LAB für eine Wirkung auf ein klimafreundliches Bauen viel zu spät kommt. Auch gibt es bereits Erkenntnisse zuhauf, die für einen klimafreundlichen Städtebau anzuwenden wären, sowohl hinsichtlich der CO2-vermeidenden Konstruktion als auch im Blick auf die Klimaanpassung. Von Vorhaben wie dem Schliebenparkplatz und dieser unsinnigen Fußgängerbrücke müsste man daher schnell ablassen, wenn man es mit der Sorge um das Klima wirklich ernst meinte. Auch der geplante Autobahnausbau speist sich aus dem Geist von vorgestern. Ursprünglich sollten mit dem Strukturwandel die Weichen für eine lebenswerte und nachhaltige Lausitz gestellt werden. Diejenigen, die jetzt das Ruder übernommen haben, denken aber eher in den Kategorien des vorigen Jahrhunderts.

Weitere aktuelle Artikel