Kurze Wege für junge Straftäter in Görlitz
Hier klappte die Zusammenarbeit schon mal gut: Justizministerin Katja Meier und Innenminister Roland Wöller enthüllten, assistiert von Landrat Bernd Lange, das Schild. Foto: Uwe Menschner
In Görlitz ist jetzt das sachsenweit zweite Haus des Jugendrechts eröffnet worden. In seiner Arbeit steht ein ganz bestimmter Aspekt im Mittelpunkt.
Görlitz. Ein jugendlicher Intensivstraftäter – „nennen wir ihn J.“ – hat in seiner kriminellen Karriere schon mehrfach Bekanntschaft mit verschiedenen Behörden gemacht: Mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Jugendgerichtshilfe beim Landratsamt… Gegen ihn sind auch schon durchaus schmerzhafte Strafen ausgesprochen worden, doch hat ihn das nicht zurück auf den rechten Weg gebracht. Doch jetzt ist alles anders: Nach seinem neuesten „Bruch“ wird J. nach Görlitz in die Gobbinstraße 5 bestellt, wo seit dem vergangenen Donnerstag in unmittelbarer Nachbarschaft zum Polizeirevier das „Haus des Jugendrechts“ sein Domizil hat. Hier findet der junge Straftäter nun alle relevanten Ansprechpartner unter einem Dach, erhält Hilfsangebote und wird sofort intensiv mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontiert. „Vielleicht beeindruckt ihn das so sehr, dass er künftig nicht mehr straffällig wird“, meint Hermann Jöst.
Kommunikation ohne Reibungsverlust
Ob der leitende Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Görlitz tatsächlich an dieses Szenario glaubt, verrät er nicht. Dass das „Haus des Jugendrechts“ viele Vorteile hat, daran lassen er sowie die sächsischen Staatsminister des Inneren und der Justiz, Roland Wöller (CDU) und Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) jedoch keinen Zweifel. „Hier arbeiten Vertreter aller Behörden, die für jugendliche Straftäter zuständig sind – also Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe – unter einem Dach Hand in Hand“, erklärt der Innenminister. Den Jugendlichen bleiben lange und zeitaufwendige Wege erspart, die Kommunikation zwischen den Behördenvertretern kann „auf Zuruf“ und ohne unnötige Reibungsverluste erfolgen. Das Faxgerät muss seltener zum Einsatz kommen. Görlitz ist nach Leipzig das zweite Haus des Jugendrechts, das der Freistaat Sachsen eingerichtet hat. „Anders als in Leipzig, wo es besonders um Intensivtäter geht, liegt in Görlitz der Schwerpunkt auf der Prävention, also der Verhinderung künftiger Straftäter“, betont die Justizministerin.
Darüber freut sich der Görlitzer Landrat Bernd Lange (CDU) besonders. Schließlich war es seine Initiative, die mit entscheidend dazu beitrug, das Haus des Jugendrechts in Görlitz zu etablieren. „Die Verhinderung von Straftaten durch Jugendliche war schon immer ein Schwerpunkt in unserer Arbeit“, erklärt er unter Verweis auf den 2009 eingerichteten „Kommunalen Präventionsrat.“ Dieser vereint Mitarbeiter der genannten Behörden mit Trägern der Jugendhilfe und mit den Kirchen. „Für die Prävention entscheidend ist die ehrenamtliche Arbeit, vor allem in Vereinen. Sie erreicht 95 Prozent unserer Jugendlichen“, zeigt sich der Landrat überzeugt. „Um die restliche fünf Prozent kümmern wir uns hier, im Haus des Jugendrechts.“ Doch es gibt auch sachliche Gründe, die für Görlitz sprechen: „Hier sind besonders viele Jugendliche von Armut bedroht und sehen sich ohne Perspektive. Außerdem ist es aufgrund der Grenznähe leicht, an illegale Drogen zu kommen“, zählt Berko Thomas, Verantwortlicher für Prävention bei der Polizeidirektion Görlitz, die zwei wichtigsten auf.
Ministerin bestätigt: Staatsanwaltschaft ist unterbesetzt
Die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe an den Standorten Weißwasser, Niesky, Löbau und Zittau bleiben als Ansprechpartner erhalten, versichert Landrat Bernd Lange. Allerdings sind nicht alle Landkreise und kreisfreien Städte von dem Konzept überzeugt: So lehnten beispielsweise Chemnitz, Dresden und Mittelsachsen die Umsetzung ab, wie aus der Antwort des damaligen Justizministers Sebastian Gemkow auf eine Anfrage aus dem Jahre 2018 hervorgeht. Bautzen hingegen bekundete ebenso wie Görlitz Interesse und wird voraussichtlich auch der nächste Standort eines Hauses des Jugendrechts sein.
Mit zusätzlichen Stellen für die in Görlitz ansässige Staatsanwaltschaft ist dies jedoch nicht verbunden.
„Wir wissen um die Problematik, dass diese Behörde nicht ausreichend besetzt ist“, versichert Justizministern Katja Meier auf Anfrage. „Es ist nahezu unmöglich, junge in Leipzig ausgebildete Juristen nach Görlitz zu bekommen.“ Und Wolfgang Schwürzer von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden ergänzt: „Wahrscheinlich war es ein Fehler, die juristische Fakultät in Dresden zu schließen.“ Man versuche gegenzusteuern, indem man das Referendariat am Standort Bautzen ermöglicht.
Das Problem, Mitarbeiter für die Oberlausitz zu gewinnen, stelle sich für alle Landesbehörden, so die Ministerin. Und sie versichert diesbezüglich: „Wir bemühen uns intensiv, die Staatsanwaltschaft Görlitz zu stärken.“