Lammert: Die Welt ist viel komplizierter geworden
Der Festredner Norbert Lammert, seines Zeichens ehemaliger Bundestagspräsident, setzte ganz bewusst einen Gegenpol zum üblichen Aschermittwochs-Krawall. Foto: Carmen Schumann
Bautzen. Zum nunmehr 30. Politischen Aschermittwoch konnte der Bautzener CDU-Landtagsabgeordnete Marko Schiemann nicht nur zahlreiche Ehrengäste begrüßen, sondern er durfte sich auch über ein volles Haus freuen. Die Stadthalle Krone war mit über 550 Gästen derart gut gefüllt, dass die obligatorischen Fischsemmeln gar nicht für alle reichten. Dafür gab es „geistige Nahrung“ mehr als genug. Den mahnenden Worten des Gastgebers angesichts des Datums 14. Februar, dem Tag der Zerstörung Dresdens, dass sich so etwas, was 1933 mit Worten von Hass und Gewalt begann, sich niemals wiederholen darf, schloss sich auch Ehrengast Norbert Lammert an.
Der Festredner, seines Zeichens ehemaliger Bundestagspräsident, setzte ganz bewusst einen Gegenpol zu Aschermittwochsreden, die speziell in Bayern immer sehr krawallig daherkommen.
Er schlug dagegen mehr die leisen Töne an. „Es wird nicht laut, nicht lustig und nicht konfrontativ“, kündigte er an. Er erinnerte daran, dass der 14. Februar nicht nur ein bedeutendes Datum für Dresden ist. Am 14.02.1949 bildete sich das erste frei gewählte Parlament in Israel, das bis dato einzige frei gewählte Parlament in der Region. Ebenfalls am 14.02., und zwar 1956, rechnete Chruschtschow mit Stalins Politik ab. Und 1989 erließ Ajatollah Chomeini eine Fatwa gegen Salman Rushdie. All diese Daten hätten direkten oder indirekten Einfluss auf die Welt, in der wir leben.
Die Welt sei komplizierter geworden. Kriege und Krisen, der Klimawandel und die Energiewende bergen kostspielige Folgen. Erstaunlicherweise sehen laut Umfragen die Menschen ihre persönliche Lage besser, als die allgemeine Lage. Dennoch seien wohl die Zeiten ein für allemal vorbei, wo wir uns gemütlich in den Schrebergarten zurückziehen konnten. Durch die Globalisierung seien sich die Menschen noch nie so nah auf die Pelle gerückt, wie jetzt. Dank Internet und TV wissen die Menschen viel mehr voneinander als jemals zuvor. Das habe Einfluss auf ihr Verhalten und ihre Lebensplanung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sind Informationen zeitgleich an jedem beliebigen Platz der Erde verfügbar. Neue Migrationswellen seien vorhersehbar. Und auch der Krieg in der Ukraine wird leider mehr mit uns zu tun haben müssen, als uns lieb sein kann. Ein Sieg Russlands werde neue Migrationsströme auslösen, vermutet der Redner. Es kommt die Sorge auf, wir könnten unsere besten Zeiten hinter uns haben. Erstmals habe die Bundesrepublik mehr als zwei Prozent für Militär ausgegeben. Doch das Sondervermögen ist nichts anders, als Schulden. Laut Umfragen befürwortet die Mehrheit der Deutschen Waffenlieferungen. Norbert Lammert ist der Ansicht, es hätten schon vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine Waffen an die Ukraine geliefert werden müssen. „Der Konflikt wurde nicht verhindert, weil wir Geld sparen wollten“, sagte der Redner.
Zum Thema Demokratie sagte Norbert Lammert, diese sei die einzige zu akzeptierende Ordnung. Doch leider sei die Zahl ernst zu nehmender Demokratien nicht größer, sondern kleiner geworden. Selbst die EU genüge nicht mehr in allen Punkten den Anforderungen. Politische Systeme seien sterblich. Das Dilemma der Demokratie sei, dass sie ihren Gegnern die Mittel zur Verfügung stelle, sie zu beseitigen.
Carmen Schumann