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Landkreis Görlitz: „Haushalt ist starker Tobak!“

Landkreis Görlitz: „Haushalt ist starker Tobak!“

Thomas Göttsberger, hier in seiner Heimatstadt Ostritz, ist einer von 33 Kreisräten, die im Kreistag gegen den Haushaltsplanentwurf der Verwaltung gestimmt haben. Foto: Holger G. Schulze

Während der Bund mit einer Neuverschuldung von einer Billion Euro (in Zahlen 1.000.000.000.000) finanziell kapituliert, ist die Party auch in den Kommunen bald vorbei. Weil sich fragwürdige Klimmzüge nicht mehr beschönigen lassen, ist der Haushaltsplanentwurf des Landrats im Görlitzer Kreistag nun durchgefallen. Kreisrat Thomas Göttsberger ist einer der 33 Räte, die gegen den Haushalt stimmten und erklärt sein Nein.

Landkreis Görlitz. Am 5. März ist das passiert, was keiner so recht glauben wollte, aber scheinbar doch unausweichlich war. Nach kontroversen Diskussionen hat der Kreistag des Landkreises Görlitz dem vorgelegten Doppelhaushalt 2025/26 die Zustimmung verweigert. 33 Kreisräte stimmten mit Ja, 33 Kreisräte mit Nein, so dass der Beschlussvorlage die erforderliche Mehrheit fehlte.

Das Votum fiel damit denkbar knapp aus, doch im Normalfall sichern Verwaltungsspitze und Politik einen Haushalt vorher durch ungefährdete Mehrheiten ab und laufen nicht ins offene Messer. Dieser fast einzigartige Vorgang hat nun zur Folge, dass ohne einen bestehenden Vertrag keine finanziellen Mittel für freiwillige Leistungen ausgegeben werden dürfen. Das gilt etwa in Sachen von Zuschüssen für Kultur- oder Sporteinrichtungen und auch neue Investitionen sind in haushaltslosen Zeiten nicht möglich. Kämmerer Thomas Gampe erklärte gegenüber Radio Lausitz: „Das ist eine dramatische Lage, weil Kassenkredite zum einen natürlich auch bedient werden müssen – das heißt: Wir zahlen Zinsen darauf, zum anderen wird es auch immer schwieriger Banken zu finden, die uns Kassenkredite bewilligen.“

Die CDU stellte sich geschlossen hinter Stephan Meyer

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Hofft Stephan Meyer für den 2. Anlauf auf „Umfaller“ oder gibt es noch Signale für Personaleinsparungen von ihm? Foto: Till Scholtz-Knobloch

Ein Sparpaket, das aus 15 Einzelmaßnahmen bestand, fand keine Zustimmung. Dieses Sparkonzept sollte helfen, die Haushaltslage zu stabilisieren. Der Haushalt wurde von den Fraktionen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – bei einer Enthaltung –, der AfD und dem Bündnis Oberlausitz mit den Freien Sachsen abgelehnt. Auch Mirko Schultze (Linke), Dr. Silvia Gerlach und Tristan Mühl (FW) stimmten gegen den Haushalt. Aus der Fraktion der CDU erlaubte sich kein einziger Mandatsträger, gegen den eigenen Landrat zu stimmen. Die Verwaltung hatte einen Haushaltsplan vorgelegt, der für die Jahre 2025 und 2026 ein Defizit von 167 Millionen Euro vorsah. Dieses Minus ist vor allem auf stark steigende Sozialausgaben zurückzuführen – ein strukturelles Problem, das nach Ansicht des Landkreises nicht in seiner Verantwortung liegt. Zusätzlich sollte über ein Sparpaket abgestimmt werden, das Maßnahmen wie den Abbau von 91 Stellen in der Kreisverwaltung und Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr beinhaltete. Ziel war es, den Sparwillen des Kreistags zu demonstrieren und das Defizit zu verringern. Im Anschluss sollte das Land gebeten werden, durch sogenannte Bedarfszuweisungen den Landkreis bei der Erreichung eines rechtlich konformen Haushalts zu unterstützen.
Thomas Göttsberger aus Ostritz, der im Kreistag für die Fraktion Bündnis Sahra Wagenknecht/Freie Wähler Zittau (BSW/FWZ) sitzt, erläutert gegenüber dem Niederschlesischen Kurier, wieso er dem Doppelhaushalt 2025/26 nicht zugestimmt hat.

Haushaltswahrheit und -klarheit unverhandelbar

Im besagten Doppelhaushalt weist der Landkreis erhebliche Verluste aus. „Einen Großteil dieser Verluste hat die Landkreisverwaltung im Haushalt als Forderungen gegenüber dem Freistaat Sachsen eingestellt. Für das Jahr 2025 sprechen wir von rund 59 Mio. Euro, für das Jahr 2026 von rund 86,5 Mio. Euro“, so Kreisrat Göttsberger, dem man als Finanzbeamten kaum ein Gespür für große Geldbeträge absprechen kann.

Er betont jedenfalls: „Eine entsprechende Anspruchs- oder Rechtsgrundlage hierfür besteht jedoch nicht. Dies hat auch Finanzdezernent Gampe eingeräumt.“ Mit entsprechenden Buchungen im Haushaltsentwurf würden elementare Haushaltsgrundsätze nicht beachtet. „Die Verwaltung hat zwingend den Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit einzuhalten“, so Kreisrat Göttsberger, der vielen Menschen als Vorstandsmitglied der Stadtforen Görlitz und Zittau und mithin durch den Denkmalschutz bekannt ist. Unter anderem ist ihm die Rettung der Zittauer Mandaukaserne zu verdanken. Göttsberger zeigte sich zuletzt mit Blick auf Sanierungen in der Görlitzer Salomonstraße für das neue Landratsamt und nun auch bezüglich der Haushaltsplanungen erstaunt, dass die Kreisverwaltung, der nachgesagt wird, existierende Gesetze und Verordnungen äußerst korrekt umzusetzen, in eigener Sache offensichtlich anders handelt. 
„Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist der oberste Grundsatz allen Verwaltungshandelns. Er besagt, dass die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist. Dies gilt selbstredend auch bei der Erstellung des Doppelhaushaltes 2025/26“, so der aus Oberbayern stammende Kreisrat Göttsberger, der als Stadtrat in Ostritz schon seit 2009 in der Kommunalpolitik aktiv ist.

Die genannten Grundsätze müsse der Landrat gegen sich wirken lassen. Zudem betont er: „Eng verknüpft mit dem Haushalt ist das Haushaltsstrukturkonzept, also die Einsparpläne des Landkreises. Den Kreisräten wurde stolz verkündet, dass der Landkreis bis 2028 rund 15 Millionen Euro an Personalkosten einsparen will – das Gegenteil ist aber der Fall“, so Göttsberger. Und er erinnert daran, dass 2024 durch ein Beratungsunternehmen festgestellt wurde, dass der Landkreis zu viel Personal vorhält. „Im Gutachten wurde ein Personalabbau dringend angemahnt. Tatsächlich ist es so, dass der Personalstand von 1.182 Bediensteten (Stand 2024) auf 1.207 Beschäftigte im Jahr 2028 steigen soll.“

Natürlich könne der Kreis diesen Einsparvorschlag nicht Eins zu Eins umsetzen, da die Besonderheiten des Landkreises als Flächenlandkreis dann nicht ausreichend beachtet würden. Gleichwohl bestünden durchaus erhebliche Möglichkeiten zur Einsparung von Personalkosten. „Zuerst sollte und muss man Einsparmöglichkeiten bei den Leitungsebenen im Landratsamt prüfen“, mahnt Thomas Göttsberger an.

2025 einfach mal den Personalbedarf erhöhen

Nur mit einem Kniff konnte die Verwaltung ihre vermeintliche Einsparung von Personalkosten dem Kreistag gegenüber darstellen. So geht die Verwaltung für das Jahr 2025 einfach von einem wesentlich höheren Personalbedarf aus und reduziert diesen in den Jahren 2026 bis 2028, in der Folge ergibt sich – rein rechnerisch – eine Einsparung auf dem Papier. Eine Information der Kreisräte zu dieser Vorgehensweise sei jedoch nicht erfolgt, „stattdessen wurde diese Personaleinsparung in den höchsten Tönen gelobt. Herr Gampe ließ es sich nicht nehmen, in den Sitzungen der Fraktionen vorzusprechen und für diese Personaleinsparung zu werben“, fasst Göttsberger zusammen. Ihm sei als Kreisrat aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen kann. „So spart der Landkreis keinen einzigen Cent Personalkosten“, so Kreisrat Thomas Göttsberger, der ehrenamtlich auch Mitglied im Vorstand des Bahnhofsvereines Seifhennersdorf e.V. ist.

„Es ist schon starker Tobak, den Kreisräten durch nichts untersetzte Forderungsbuchungen von rund mehr als 145 Millionen Euro den Haushalt unterzujubeln und dann noch Druck auf die Kreisräte zu machen, die korrekt, nämlich mit Nein, abgestimmt haben“, schlussfolgert er. Letztlich sei die Annahme, dass der Freistaat aus der Finanzmisere helfen könne, hochfragwürdig. Fraktionschef Jens Hentschel-Thöricht hatte nach der Kreistagssitzung gegenüber Radio Lausitz erklärt: Einen Haushalt auf dem Prinzip Hoffnung beschließen wir nicht, wir beschließen einen Haushalt auf Tatsachen.“ Mit einem Defizit zu hantieren, das man beim Freistaat geltend machen wollte mit einer Extraforderung, „wo selbst der Finanzminister gesagt hat, dafür gibt es gar keine rechtliche Grundlage“, komme jedoch nicht in Frage.

Kriegen die Fraktionen ihre Leute am 24. März vollzählig?

Der Landkreis Bautzen hat sich unterdes in einer Pressemitteilung mit der Überschrift „Wohngeld, Ukraine & Co: Sozialausgaben im Landkreis Bautzen erneut gestiegen“ vom Dienstag erklärt, wo die Verschuldungstreiber heute liegen. Durch die Wohngeldreform des Bundes habe sich die Zahl der Wohngeldbezieher im Landkreis Bautzen verdoppelt. Durch die Aufnahme von Ukrainern seien die Sozialausgaben angeschwollen. Der Text schließt mit der Hoffnung auf die Beratung mit dem Ministerpräsidenten. In Görlitz ist die Frage mittlerweile bereits die, wie man dem Land den finanziellen Exitus vermittelt. Mit fragwürdigen Zahlen oder dem Eingeständnis aus dem Kreistag: ’Wir kriegen es nicht mehr hin!’ Landrat Dr. Stephan Meyer hat nun angekündigt, am 24. März den Kreistag zu einer Sondersitzung zusammenzurufen, um einen neuen Anlauf für einen Haushaltsbeschluss zu finden. Die bisherigen Signale deuten darauf hin, dass Landrat Meyer weiterhin ohne angemahnte Personaleinsparungen in den zweiten Anlauf gehen wird. Vielleicht wird der ein oder andere, der bislang gegen den Haushalt stimmte umfallen. Hingegen hat die AfD noch Kreisräte, die im ersten Anlauf verhindert waren. Ausgang offen!

Till Scholtz-Knobloch / 16.03.2025

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