Lausitzer Handwerk braucht klare Perspektive

Verriegeln kann im Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht der Ausweg sein. Viele Betriebe in der Lausitz wollen von der Politik Alternativen aufgezeigt bekommen. Pressefoto
Allein der Landkreis Bautzen hat zu Wochenbeginn fast 11.000 Corona-Fälle zu beklagen. Viele Menschen können ihrem Job deshalb nicht nachgehen. Sie sind entweder in Behandlung oder müssen aufgrund der Quarantäneverordnung vorübergehend daheim ihr Dasein fristen. Das hat Folgen für die Wirtschaft. Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, gab einen Einblick, wo zudem der Schuh drückt.
Welche Auswirkungen hat die vierte Welle der Corona-Pandemie auf Ihre Mitgliedsbetriebe in den Landkreisen Bautzen und Görlitz?
Andreas Brzezinski: Betroffen von der Corona-Krise sind fast alle Handwerksbetriebe der Region. Die Auswirkungen reichen von Umsatzrückgängen und Kosten für erforderliche Hygienemaßnahmen über fehlendes Personal durch wegfallende Kinderbetreuung oder Quarantäne bis hin zu Auftragsstornierungen etwa durch ausfallende Veranstaltungen und Materialengpässe. Besonders stark betroffen sind natürlich die Unternehmen, die auf behördliche Anordnung komplett schließen mussten. Dies betrifft derzeit die 426 Kosmetikbetriebe in den Landkreisen Görlitz und Bautzen. Den Kosmetikern ist derzeit wieder die Ausübung ihres Handwerks untersagt. Sie dürfen lediglich medizinisch notwendige Behandlungen durchführen. Sehr schwierig ist die Situation auch für das Lebensmittelhandwerk, dem durch die ausfallenden Weihnachtsmärkte beziehungsweise nicht stattfindende Veranstaltungen wie Weihnachtsfeiern Aufträge wegbrechen. Betroffen von den abgesagten Weihnachtsmärkten ist insbesondere auch das Kunsthandwerk, das seine Waren zu solchen Anlässen anbietet.
Wie werden personelle Notstände kompensiert und wie flexibel sind die Betriebe in dem Punkt?
Andreas Brzezinski: Eine der größten Herausforderungen des Handwerks ist der Fachkräftemangel. Bereits vor Corona haben viele Unternehmen händeringend nach Fachkräften gesucht. Die Corona-Situation verschärft das Problem zusätzlich. Es ist nicht ohne weiteres möglich, einen gut ausgebildeten Mitarbeiter zu ersetzen, der in Quarantäne oder die Kinderbetreuung übernehmen muss.
Auf welche Hilfe und wessen Unterstützung können die Mitgliedsbetriebe in der Lausitz zurückgreifen?
Andreas Brzezinski: Das aktuelle Instrument der Überbrückungshilfe III Plus wird als Überbrückungshilfe IV für die Monate bis Ende März 2022 fortgeführt. Grundsätzlich bleiben die Zugangsvoraussetzungen der Überbrückungshilfe III Plus bestehen. Das bedeutet: Unternehmen müssen einen Umsatzverlust von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Referenzmonat 2019 nachweisen. Für von der Schließung der Weihnachtsmärkte betroffene Unternehmen sollen erweiterte Möglichkeiten im Rahmen der neuen Überbrückungshilfe IV zur Verfügung gestellt werden. Ebenso wird die aktuell geltende Neustarthilfe Plus für Selbstständige fortgeführt. Die Betriebs- und Rechtsberater der Handwerkskammer Dresden stehen allen Handwerksbetrieben des Kammerbezirks zur Verfügung, um unter anderem Hinweise im Umgang mit der Beantragung von Hilfen zu erhalten.
Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf Lieferketten aus und was hat das zur Folge?
Andreas Brzezinski: Bereits seit mehreren Monaten sind auf zahlreichen, den Handwerks-betrieben vorgelagerten Märkten signifikante Preissteigerungen zu beobachten. Als Konsequenz melden 82 Prozent der Betriebe in der aktuellen Herbstkonjunkturanalyse der Handwerkskammer Dresden Einkaufspreissteigerungen. Besonders betroffen sind die Ausbau- und Baubranche aber auch das Lebensmittelhandwerk. Während die Materialengpässe und damit verbundene Preissteigerungen im Bau- und Ausbaubereich in den vergangenen Monaten auch in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen sind, sind die teils heftigen Preissteigerungen bei Fleisch aber auch bei Backzutaten wie Mehl oder Nüssen eher „unter dem Radar“ gelaufen. Eine Entspannung scheint vorerst nicht in Sicht. Um die gestiegenen Einkaufspreise kompensieren zu können, werden die Betriebe nicht umhin kommen, ihrerseits die Preise für die Kunden anzuheben.
Wie viele Mitgliedsbetriebe in den Landkreisen Bautzen und Görlitz mussten coronabedingt bereits kürzer treten beziehungsweise ihren Geschäftsbetrieb aufgeben?
Andreas Brzezinski: Eine genaue Auskunft ist hier nicht möglich, da bei der Gewerbeabmeldung keine Pflicht zur Angabe von Gründen besteht. In wenigen Einzelfällen haben Betriebe bereits vermerkt, dass die Corona-Pandemie der Grund für die Gewerbeabmeldung ist. Aufgrund der behördlich angeordneten Schließungen mussten allein in den Landkreisen Görlitz und Bautzen vorübergehend 469 Friseure und 426 Kosmetiker ihre Handwerksbetriebe schließen. Den Kosmetikern ist derzeit wieder die Ausübung ihres Handwerks untersagt. Sie dürfen lediglich medizinisch notwendige Behandlungen durchführen.
Lars Fiehler, Geschäftsführer Standortpolitik und Kommunikation bei der Industrie- und Handelskammer Dresden, beobachtet die aktuelle Entwicklung genau. In Bezug auf die für viele Menschen noch anstehenden Weihnachtseinkäufe schätzt der Experte die Lage folgendermaßen ein:
„Es dürfte davon auszugehen sein, dass bestimmte Produkte – insbesondere, wenn sie aus Südostasien stammen – bis Weihnachten nicht mehr erhältlich sein werden beziehungsweise wird sich deren Auswahl deutlich einschränken. Das reicht vom Spielzeug über Fahrräder und Turnschuhe bis hin zur Unterhaltungselektronik. Da Angebot und Nachfrage bekanntlich den Preis bestimmen, dürfte auch deutlich weniger mit echten Rabattaktionen zu rechnen sein, es sei denn, es handelt sich um Lagerware, die sowieso abverkauft werden muss. Bei der Geschenksuche sollten daher auf jeden Fall Alternativen zu den auf den Wunschzetteln genannten Dingen in Betracht gezogen werden. Für den stationären Einzelhandel kommt momentan durch die 2G-Beschränkung hinzu, dass ein Teil der Kundschaft dort nicht mehr einkaufen kann. Mit Blick auf die Impfquote in den sächsischen Regionen gehen nicht wenige Händler von 30 bis 40 Prozent Umsatzrückgang aus. Im Umkehrschluss dürfte das einen weiteren Schub für den Online-Handel bedeuten. Dieser kann allerdings an den vorgenannten Lieferproblemen wenig bis nichts ändern.“
Welche Entwicklung erwarten Sie für die Zeit nach Weihnachten und was wünschen Sie sich für das kommende Jahr?
Andreas Brzezinski: Sollten die Corona-Fallzahlen weiter steigen, ist damit zu rechnen, dass es zu weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommen wird. Die Handwerksbetriebe benötigen eine klare Perspektive vonseiten der Politik. Sie muss aufzeigen, wie die Situation zu bewältigen ist. Wichtig für die Unternehmen ist dabei insbesondere eine verlässliche Planbarkeit. Es ist ein Unding, wie zuletzt geschehen, dass die Staatsregierung am Samstagmittag eine Corona-Schutzverordnung herausgibt, die ab Montag gelten soll. Zudem müssen regionale Lieferketten gestärkt werden, um Lieferengpässe und Materialknappheiten zu vermeiden beziehungsweise abzufedern. So können Abhängigkeiten von überregionalen Zulieferern reduziert werden.