Lukas Rietzschel und Uwe Tellkamp: Debatte ohne Debatte
Lukas Rietzschel (links) und Uwe Tellkamp fanden schwer in eine echte Debatte. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Dresden. Der in Räckelwitz bei Bautzen geborene Görlitzer Literat Lukas Rietzschel und sein Berufskollege Uwe Tellkamp haben sich am 2. März in der Dresdner Frauenkirche ein Wortduell zum Thema: „Wie viele Meinungen verträgt die Wirklichkeit?“ geliefert.
Rietzschels in den deutschen Feuilletons gefeierter Erstlingsroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ über Rechtsextremismus im Osten Deutschlands wird ab dieser Woche in Görlitz verfilmt.
Alexander Moritz kommentierte für den Deutschlandfunk Kultur am 3. März polemisch: „Tellkamp antwortete nicht auf die Fragen, sondern trägt vorformulierte Polemik in Versform vor.“ Der Stil der Beantwortung von Fragen fand bei einem Teil des Auditoriums tatsächlich Missfallen, doch letztlich stellte jeder Reim – zweifellos passend einer Frage zugeordnet – konsequent eine Antwort dar.
Verständnisprobleme einer schlecht eingestellten Akustik und mehrfache Bitten der Moderation Alexandra Gerlach (MDR) ließen Uwe Tellkamp letztlich von der scheinbar gehegten Absicht abrücken, den gesamten Abend in dieser Weise zu argumentieren.
Während Gerlach ein in Reimform dargebrachte Kritik an "Journalunken" noch gnädig laufen lässt, wird an späterer Stelle offenbar, dass allein die Moderation durch eine im Kontext befangene Journalistin vielleicht auch keine gute Idee ist. Zum Vorwurf gleichförmiger Coronaberichterstattung zeigt sich gereizt; eine Debatte in den Redaktionen habe es sehr wohl gegeben und nicht etwa die Umsetzung von Vorgaben.
Alexander Moritz konnte der reimenden Kraft von Gedanken jedenfalls nichts Gutes abgewinnen. Das „Empörungsbrauchtum“ habe in Sachsen und Dresden eben eine Tradition, Tellkamp habe eine „Ego-Show“ gefahren. Doch wie in eine echte Debatte überhaupt anbahnen? Dieses Dilemma war auch für den 28-jährigen Lukas Rietzschel nicht leicht zu handhaben. Er punktete am Abend – im Wesen völlig anders – indem er unaufgeregt seine Sicht darstellte und versöhnlich argumentierte. Das brachte die Diskussionen dennoch auch nicht weiter. So drängte er darauf, ein Fundament in Debatten als gegeben zu akzeptieren, so etwa den Charakter des Kriegs in der Ukraine als „Überfall“.
In diesem Moment lag viel Knistern in der Luft, denn der Komplex lässt sich auf die Frage verengen, ob oder in welcher Form ein Ausscheren aus den Sprachvorgaben wirklich zum KO führt. Tellkamp ahnte diese Gefahr und begab sich nicht aufs Glatteis. Seine innere nahezu gekränkte Anspannung war zum Greifen.
Das Dilemma wurde offenbar: Auch ein postuliertes „Wir müssen uns alles sagen“ unterliegt den Regeln eingehegter Debatte. So blieb auch die Redaktion dieser Seite frustriert. Der überwiegende Teil von vor Debattenbeginn eingereichter Fragen aus dem Auditorium wurde von Moderation Alexandra Gerlach (MDR) aufgegriffen. Nicht jedoch die Frage von Oberlausitzer und Niederschlesischem Kurier, ob die Textdarstellung auf den ausliegenden Handzetteln, in der es hieß, nationalistische und rassistische Strömungen nähmen zu und ein ethischen Grundsätzen verpflichteter Verhaltenskonsens verliere auch in demokratischen Staaten an Selbstverständnis und Geltung, nicht selbst bereits eine Form des Framings darstelle.
Kommentare zum Artikel "Lukas Rietzschel und Uwe Tellkamp: Debatte ohne Debatte"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Die angestellten und von uns bezahlten Meinungsmacher (nicht nur im ÖR) sind die Partei(lichen)-Soldaten, ohne die der Politisch-Mediale-Komplex und ihre Selbstversorgungssysteme seine Macht einbüßen würde. Unter dem Label "jeder darf seine Meinung äußern", wird der Meinungskorridor in Wirklichkeit aber mit Hilfe der Lautsprecher in den Sozialen Medien kontrolliert. Wo ist denn die ANDERE MEINUNG im ÖRR zu den bekannten wichtigen, existenziellen Problemen in diesem Land? Ich habe keine gehört und gelesen.
Wer nennt mir Beispiele ! Nur in den "Randmedien" kommt manchmal eine andere Sicht zum tragen- aufgrund der geringen Reichweite, wie hier, völlig ungefährlich für dem P-M-K. Es gibt keine ANDERE SICHT in den institutionalisierten defacto "Regierungsnahen Medien". Tellkamp hat in allem Recht und er darf auch frustriert und wütend sein - gegenüber der ständigen "Hexenjagd", subtil und hinterfotzig zugleich. Schon "umstritten" reicht zur Diskreditierung für immer. Bärbel Bohley hatte die "Machtinstrumente" der Stasi und ihre heutige verfeinerte raffinierter Gebrauch treffend beschrieben.
Meine Randnotizen: Alexandra Gerlach hat sich doch geoutet, "In den Redaktionsstuben wurde heftig gestritten"
Mit welchem Ergebnis denn ? "Auf dem Platz war nichts zu sehen", sgm. Tellkamp.
Am exemplarischen Neben-Thema "Gender-Sprech" hatte auch Rietzschel sich offenbart, in " bestimmten Umfeld " passt er sich einfach an (selbst erstaunt ?). Er als Schriftsteller, der künftig aufpassen muss, wenn er die deutsche Sprache, sein Werkzeug, für seine Arbeit nutzt. Wieviel Schranken im Kopf muss er beachten, die Gedankengänge und Worte umdichten, um sich nicht den Kopf zu stoßen oder das Gehirn zu verknoten ? Die aufgezwungene Sprache verengt nicht nur die Gedankenwelt - sie macht unfrei und erzeugt Sprachbehinderte. Rietzschel auch nur ein Opportunist, um nicht ausgegrenzt zu werden, oder in das unsichtbare Visier zu geraten, er will ja noch Karriere machen und Preise einheimsen.. Diese Thema wäre abendfüllend gewesen.Und Rietschel meint, das würde sich von selbst erledigen ?
Heute im MDR- Kultur : Ein Sorecher ( Kontrolleur ) kritisierte das von Tellkammp Wort "gesund".
Er hatte zur Wehrpflicht gesagt: Es wäre gesund für die Verteidigungsfähigkeit des Landes und auch für die Gesellschaft, und hat dies plausibel begründet. So geht Meinungskontrolle und Inquisition. Rietschel war Tellkamp nicht gewachsen, ein Grünbein eben.
Ein treffende und auf den Punkt gelungene Beschreibung des gestrigen Abends in Dresden.
Ein treffende und auf den Punkt gelungene Beschreibung des gestrigen Abends in Dresden.