Mit dem Elan vieler in eine gute Verfassung
Doris Bach hat die Verfassungsdebatte in Görlitz angestoßen. Die Unternehmerin hat bereits auf mehreren politischen Ebenen getanzt und sucht immer wieder Pionieraufgaben. Foto: Scholtz-Knobloch
Jeden Freitag, 13.30 Uhr, trifft sich in der Görlitzer Brotschmiede in der Langenstraße 32 ein Schar von Menschen, die mithelfen, sich und anderen eine Verfassung zu schenken. Letztlich lebt die Bundesrepublik bis heute nur mit einem „Grundgesetz“, das einst ohne ein Votum aus dem Volke in Kraft trat. Auch nach der Bundestagswahl 2021 gilt diese „Ursünde“ fort.
Görlitz. Ganze westdeutsche Nachkriegsgenerationen sind über den den Schulunterricht in dem Bewusstsein erzogen worden, dass die Bundesrepublik der einzige Staat ohne Verfassung ist. Bis zur Wiedervereinigung betonte die Bundesrepublik den Umstand, ohne eine vom Volk angenommene Verfassung dazustehen, als bewusstes Symbol ihrer eigenen Vorläufigkeit. Doch 1989/90 musste die Ausrede der Eile dafür herhalten, diesen Mangel nicht zu beseitigen – mit dem Einigungsvertrag unterwarf sich nun auch der Osten Deutschlands eigentlich einem „Provisorium“. Das ist in Vergessenheit geraten.
Doch einem Kreis von im Kern etwa einem Dutzend Görlitzern wäre dies als Motivation für ihr Tun ohnehin zu kurz gegriffen. Denn abseits des genannten Makels hat sich in der Langenstraße eine viel weiterer Bogen herausgeschält, der zuletzt in der Überlegung einer von Joseph Beuys inspirierten Aktionskunst gipfelte. Der wohl bekannteste deutsche Künstler der Neuzeit hatte einst den Begriff „Soziale Plastik“ propagiert, um damit Kunst zu kennzeichnen, die den Anspruch hat, gestaltend auf die Gesellschaft einzuwirken.
Doris Bach erläutert als Gastgeberin und Initiatorin der Verfassungsrunde: „Wir haben einen ’VerfassungsFAIRtrag Freie Erde’ zwischen den Menschen ausgearbeitet. Es geht dabei um einen Rechtsstaat ohne Gebietskörperschaften oder Luftraumhoheiten. Es geht bei dieser Idee um Politik, die nicht krankmacht, getragen von dem Gedanken, dass wir in Europa seit 3.000 Jahren eine römische Rechtstradition aufgebaut haben.“ Und diese gelange in der heutigen Zeit an ihre Grenzen. Am Boden, der Luft und Wasser sollten keine Eigentumsrechte möglich sein. Dieses aus römischem Recht entwickelte Verständnis kollidierte etwa, als europäische Einwanderer Indianern Land abkauften und diese den Sinn nicht verstanden, denn ’die Bäume und der Wald gehören doch allen’. Der Sinn der List erschloss sich ihnen erst durch den Eisenbahnbau.
Doris Bach und ihre seit Karfreitag dieses Jahres tagende Runde liegen damit ganz im Trend der Bewahrung der bedrohten Schöpfung. Das habe, so Bach, auch sehr viel mit Görlitz zu tun, denn Jacob Böhme (1674-1725) habe in seiner Aurora den Himmel im Menschen gesehen. Das Prinzip, den Menschen nicht gegen seine Natur wirken zu lassen und ein Verständnis „Ich bin Du und Du bist ich“, jeder sei also Teil von allem, führt so auch dazu, die Ausarbeitungen der Runde nicht im Plenum zur Abstimmung zu stellen. In der Langenstraße wird der Konsens gesucht und so entbrannte vergangenen Freitag eine intensive Debatte darüber, ob und in welcher Form ein Veto eingelegt werden kann.
Das alles passiert übrigens keineswegs im luftleeren Raum. Die allen notwendigen Behörden angezeigte „Verfassungsgebende Versammlung“ in Görlitz ist Teil eines bundesweiten, von Marianne Grimmenstein aufgebauten, Netzwerkes, in dem die Görlitzer mit ihrem Eifer mittlerweile besonders produktiv vorne stehen. Grimmenstein erlangte 2016 durch die größte Bürgerklage der deutschen Geschichte mit 68.000 Klägern und 270.000 Unterstützern einer Petition vor dem Bundesverfassungsgericht Bekanntheit, die sich gegen das Freihandelsabkommen CETA wandte. Das Gericht gab der Bundesrepublik letztlich auf, dass Deutschland das Abkommen so ratifizieren müsse, dass ein einseitiges Kündigungsrecht möglich sei. Grimmenstein wurde 2020 für den Alternativen Nobelpreis vorgeschlagen.
Ähnlich unausgetretene Wege geht auch Doris Bach. Die neunfache Mutter kandidierte 2019 für Motor Görlitz für den Stadtrat, war im Jahr darauf Interimsstadtsprecherin der Grünen in Görlitz und Finalistin im unter Schirmherrschaft der Ministerpräsidentengattin Annett Hofmann stehenden sächsischen Unternehmerinnenpreises „Adelie“.
In ihrem Leben geht es häufig um den Anstoß zu neuen Wegen, ob nun in der Gründungsphase der Waldorfschule oder beim Laden „Bio im Bahnhof“, aus dem sich die Geschäftsführerin der Brotschmiede nach erfolgreichem Aufbau selbst zurückgezogen hat. Und als seien neun eigene Kinder nicht genug, beschreibt sie sich als „Initiativlerin“ von Frei-Lern-Orten zur Weiterentwicklung des Schulwesens, denn hinter der Backstube stellt sie für Eltern und ihre Kinder, die diesen Weg gehen, Unterrichtsräume zur Verfügung. Denn auch im Schulwesen mache sich ein Systemversagen breit. Die Gesellschaft müsse neu lernen, sich selbst zu organisieren, wie sich jeder einzelne eben auch für „unabhängig“ erklären und nur einem GesellschaftsFAIRtrag verpflichtet fühlen könne.
„Wir behalten unsere Stimme“, sei dabei eine wichtige Philosophie, statt seine Stimme bei Wahlen im wahrsten Sinne des Wortes einfach nur „abzugeben“, den eigenen Willen also für vier Jahre zu delegieren.
Kommentare zum Artikel "Mit dem Elan vieler in eine gute Verfassung"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Sehr interessanter Ansatz - wie sollte das in der Praxis ausschauen?
Gruß Tom
Guten Morgen liebe Damen und Herren,
ich finde mich bei Ihren Gedanken wieder, ich interressiere mich sehr für Rudolf Steiner, den Axel Burkart uns als Menschen gut nahebringt. Vor allem Gesellschaftspolitisch mit der Sozialen Dreigliederung, die im rechten Sinne verstanden unsere jetzige Lösung ist. Somit müssen wir gar nicht neu erfinden, wenn dies in der Verfassungsrunde so mit aufgenommen worden ist, dann bin ich ganz bei Ihnen. Wenn dem so ist, wie kann ich mitgestalten?
Herzliche Grüße
Stefanie Herrmann
Es ist höchste Zeit, dass die Bürger der Bundesrepublik Deutschland (GmbH) sich eine e i g e n e. Verfassung geben. Es ist auch höchste Zeit, dass sie nicht mehr ihre Stimmen an A B G E O R D N E T E. abgeben, sondern im digitalen Zeitalter ihre Stimme direkt abgeben. Es gibt bereits Firmen in Deutschland, die derartige Systeme entwickelt haben, so dass wir die Abgeordneten nicht mehr brauchen und auch so einen grossen Teil der Korruption und des Wahlbetrugs ausschliessen können.
Es darf auch keine militärischen Auslandseinsätze mehr geben und schon gleich gar nicht zur Rohstoffsicherung was einem Raubzug gleich kommt.
Weiterhin sollte man den Besitz und den Einsatz biologischer Waffen unter Strafe stellen, egal ob sie gegen Menschen oder Tiere gerichtet sind.
Auch das Clonen von Menschen und die Produktion von Cimären sollte verboten werden.