Muss es zwingend eine neue Leitung sein?
Noch fahren Dieseltriebwagen durch Pommritz und die anderen Haltepunkte an der Strecke zwischen Dresden und Görlitz. Foto: Uwe Menschner
Bei der Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz beharrt die Deutsche Bahn AG auf dem Neubau einer separaten Bahnstromleitung. Die betroffenen Gemeinden reagieren unterschiedlich.
Pommritz/Kubschütz. Die Landesdirektion Sachsen hat das Raumordnungsverfahren für die Bahnstromleitung an der Strecke Dresden-Görlitz zwischen Arnsdorf und Pommritz abgeschlossen. Demnach soll die etwa 60 Kilometer lange Leitung „gebündelt“, also in geringem Abstand parallel zu vorhandenen Stromtrassen, hauptsächlich entlang der Bundesautobahn 4 geführt werden. Hinsichtlich einer möglichen Mitnutzung des bereits vorhandenen Hochspannungsnetzes der SachsenNetze GmbH schließt sich die Landesdirektion der Sicht der Deutschen Bahn AG an, die diese ablehnt. „Den Informationen der DB Netz AG zufolge scheidet die Versorgung der Eisenbahnstrecke Dresden – Görlitz – Grenze Deutschland/Polen mit elektrischer Energie aus dem dezentralen Netz des öffentlichen Stromversorgers aus verschiedenen technischen Gründen aus“, schreibt die Behörde in ihrer „raumordnerischen Beurteilung.“
„An unserer Position hat sich dadurch nichts geändert“, erklärt Dr. Steffen Heine, Geschäftsführer der SachsenNetze GmbH. „Es gibt ein ordentlich ausgebautes Hochspannungsnetz in kurzer Entfernung zur Bahntrasse, und auf den Neubau einer 60 Kilometer langen Bahnstromleitung mit all ihren Auswirkungen könnte aus unserer Sicht verzichtet werden.“ Neu gebaut werden müsste lediglich ein etwa 400 Meter langes Teilstück, das von der bestehenden Leitung zum von SachsenNetze vorgeschlagenen Umrichterwerk in Pommritz in der Gemeinde Hochkirch führt. „Vorausgesetzt, dass man sich mit den betroffenen Grundstückseigentümern einigt, wäre dafür wohl auch kein Planfeststellungsverfahren erforderlich. Die gesamte Planung ließe sich erheblich abkürzen, die Kosten wären deutlich niedriger als bei der zurzeit favorisierten Variante.“ Steffen Heine sieht in der von SachsenNetze vorgeschlagenen Option noch einen weiteren Vorteil: „Dadurch könnte ein wichtiger Beitrag zum herstellungsnahen Verbrauch der in der Region erzeugten erneuerbaren Energien geleistet werden.“
Die Deutsche Bahn AG ihrerseits bringt eine Reihe von technischen Argumenten dafür vor, warum eine Mitnutzung der vorhandenen Infrastruktur des regionalen Stromversorgers für sie nicht in Frage kommt. „Die Ansicht, dass bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die dezentrale Bahnstromversorgung deutlich den Vorzug bekommen würde, können wir nicht bestätigen“, heißt es in einer Stellungnahme der DB Netz. Es gebe „verschiedene technische und betriebliche Nachteile von dezentralen Umrichterwerken gegenüber zentraler Bahnstromversorgung mit Unterwerken.“ Dazu zählten unter anderem „die eingeschränkte Rückspeisung und damit Weiternutzung von Bremsenergie von Triebfahrzeugen, eine schlechtere betriebliche Verfügbarkeit (höhere Störungshäufigkeit) sowie die eingeschränkte Ersatzteilbereitstellung durch die Hersteller.“
„All diese Argumente können uns nicht überzeugen“, stellt SachsenNetze-Geschäftsführer Steffen Heine klar. Er ist nach wie vor davon überzeugt, dass die Nutzung des vorhandenen Netzes mehr Vor- als Nachteile hat und will dies auch in den nachfolgenden Planungsphasen deutlich machen.
Die Gemeinde Kubschütz schließt sich der Sicht der SachsenNetze GmbH an. „Wir sind in der jetzt favorisierten Nordvariante stark von der Flächeninanspruchnahme betroffen“, erklärt Bürgermeister Olaf Reichert (parteilos). In ihrer Stellungnahme hatte die Gemeinde noch weitere Probleme aufgezeigt: „Zahlreiche Ortsteile unserer Gemeinde befinden sich im Nahbereich der geplanten Bahnstromtrasse, was Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erwarten lässt.“ Zudem würden Waldflächen sowie Frisch- und Kaltluftbahnen in Anspruch genommen, die „entscheidenden Einfluss auf das Klima der Stadt Bautzen haben.“
Die Gemeinde Kubschütz bringt zudem für das Umrichterwerk den Standort Waditz ins Spiel, wo die bestehende Hochspannungsleitung nah an der Bahnbrücke vorbeiführt. Dies würde auch die Möglichkeit bieten, auf der Fläche des nahe gelegenen Flugplatzes Bautzen durch Photovoltaik erzeugte erneuerbare Energie für den Bahnbetrieb zu nutzen.
Der Großpostwitzer Bürgermeister Markus Michauk (parteilos) hält die Stellungnahme der Deutschen Bahn AG für nachvollziehbar. „Es gibt jetzt für beide Varianten – mit oder ohne Nutzung des vorhandenen Hochspannungsnetzes – technische und wirtschaftliche Argumente. Ihre Stichhaltigkeit kann ich nicht bewerten. Wichtig ist, dass die Bahnstrecke elektrifiziert wird, das ist ja auch eine der zentralen Forderungen der Bürgermeisterrunde im Bautzener Land.“ Diesem Ziel müsse weiterhin die Konzentration gelten. Das jetzt abgeschlossene Raumordnungsverfahren stellt nur den ersten Schritt dar: „Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist Grundlage für die weitere Planung“, erklärt die Landesdirektion. Weitaus konkreter wird es im anschließenden Planfeststellungsverfahren, in dem Einwände und Anregungen von Behörden, aber auch von Verbänden und einzelnen Bürgern detailliert erörtert werden. Wann das passiert, ist derzeit noch unklar. â