Naturkatastrophe schuf einen See
Am Unverwechselbarsten ist der Berzdorfer See zweifellos mit der Görlitzer Landeskrone im Hintergrund.
Klein und harmlos verlässt das Flüsschen Witka die gleichnamige Talsperre. Doch das war nicht immer so ...
Für Görlitz bahnte sich vor genau zehn Jahren nach dem Dammbruch an der Witka größtes Unheil an. Doch glücklicherweise versagte auch ein anderer Damm.
Region. Der 7. August 2010 begann wie ein ganz normaler Sommertag. Gegen Mittag setzte Regenfall ein, von dem zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnte, welche Folgen er auslösen würde. Zu den schlimmsten Ereignissen zählte der Bruch des Staudamms am Flüsschen Witka gegen 18 Uhr, das vom Fuße des Isergebirges kommend zur Neiße strebt. Eine Flutwelle ergoss sich durch das schmale Tal und ließ Schlimmes für die unterhalb der Einmündung liegenden Städte und Dörfer, insbesondere Görlitz, vermuten.
Tagebau-Restloch wurde zum Berzdorfer See
Dass die Stadt trotz eines historischen Höchststandes des Neißepegels von großen Zerstörungen verschont blieb, ist vor allem dem heutigen Berzdorfer See – damals noch ein nur zur Hälfte gefülltes „Restloch“ – zu danken. „Gegen 22 Uhr überströmte linksseitig die Lausitzer Neiße den Deich zum Berzdorfer See und circa 5 Millionen Kubikmeter Wasser flossen in den Tagebau-Restsee“, heißt es in einem wenig später von einer deutsch-polnisch-tschechischen Expertenkommission verfassten Bericht. Und weiter: „Dies hatte zur Folge, dass der Pegel Görlitz nur noch langsam bis auf 707 Zentimeter im Scheitel anstieg.“ Auch dies waren immerhin noch 29 Zentimeter mehr als der bis dahin geltende historische Höchstwert. „Durch das Einströmen in den Restsee haben sich wahrscheinlich auch die Auswirkungen der Staudamm-Havarie des Speichers Niedów auf die Städte Zgorzelec und Görlitz gemildert“, formulieren es die Experten aus den drei Nachbarländern vorsichtig aber doch bestimmt.
Doch auch für den Berzdorfer See selber hatten die Ereignisse nachhaltige Folgen. „Mit einem Schlag war der See voll“, blickte der damalige Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege im August 2017 auf jenen denkwürdigen Tag fast genau sieben Jahre zuvor zurück. Was zwischen Boxberg und Großräschen oftmals quälend lange dauert – hier geschah es in nur einer Nacht. Allerdings wurde die Entwicklung des Tagebaurestsees vor den Toren von Görlitz durch den plötzlichen Wasserreichtum nicht beschleunigt, sondern vielmehr ausgebremst. „Jahrelang konnten wir keine Bebauungspläne für das Seeufer mehr aufstellen. Vorhaben und Projekte verschwanden wieder in den Schubladen, da die Schadensbeseitigung Vorrang hatte“, so Siegfried Deinege damals. Erst ab Mai 2015 konnten die Planungen für die touristische Entwicklung wieder aufgenommen werden. An den Folgen „krankt“ der Berzdorfer See noch heute.
Neuer Staudamm kann nicht bersten
Doch zurück an die Witka. Denn auch hier erinnert heute kaum noch etwas an das verheerende Hochwasser von 2010. 2018 konnte der wiederhergestellte Staudamm seiner Bestimmung übergeben werden. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wurde er aus Beton und nicht aus Erdreich errichtet. Dieser ist laut dem polnischen Ingenieur Jaroslaw Rzeznicki, der die Planunterlagen für den Wiederaufbau erarbeitet hatte, fest im Untergrund verankert, ein erneuter Dammbruch sei dadurch ausgeschlossen. Dadurch, dass die technischen Anlagen bedienungsfrei funktionieren, verringere sich die Anfälligkeit für Havarien. Gleichwohl wies Jaroslaw Rzeznicki darauf hin, dass die Witka-Talsperre keine Anlage des Hochwasserschutzes darstellt: Das Becken kann die Hochwasserwelle des Witka-Flusses nur minimal reduzieren. Allerdings hat nach seinen Berechnungen auch eine ohnehin äußerst unwahrscheinliche Havarie des Staudamms kaum Auswirkungen auf die Wasserhöhe: Selbst bei einem Wasserdurchfluss, wie er nur alle 500 Jahre vorkommt (also ein Ereignis wie 2010), würde sie den Scheitelpunkt der Lausitzer Neiße um gerade einmal 17 Zentimeter ansteigen lassen. Hauptanliegen der Wiederherstellung des Witka-Staudamms war es ohnehin, dem Kraftwerk Turow seinen Wasserspeicher zurückzugeben. Ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Görlitz gegen die polnische Kraftwerksgesellschaft PGE wegen des Dammbruchs wurde 2014 ergebnislos eingestellt. „Es konnte keine ausreichende Zurechenbarkeit der Schuld zulasten einzelner Verantwortlicher festgestellt werden“, so Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu damals. Insbesondere der damalige Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick hatte auf Konsequenzen für die Betreiber des Kraftwerkes gedrängt.