Nein ehrlich: Die Künstlerseele ist verunsichert...
Mit der Musicalette „Diven sterben einsam“ stand Yvonne Reich zuletzt im Herbst auf der Bühne des Görlitzer Gerhart-Hauptmann-Theaters. Foto: Artjom Belan
Yvonne Reich ist seit 1997 und damit seit fast seit einem Vierteljahrhundert am Gerhart-Hauptmann-Theater. Die Sopranistin konnte zuletzt im Herbst auf der Görlitzer Bühne brillieren, als sie in einem Soloauftritt das Altern einer Diva im Dialog mit sich und dem Publikum Revue passieren ließ. Doch wie erlebt die politisch engagierte Schauspielerin die erzwungene Auszeit von der Bühne?
Görlitz. Reich verkörperte in dem Stück „Diven sterben einsam (…und erst wenn sie gut ausgeleuchtet sind)“ die Rolle der Jane Purcy Mulligan. Die Größe, sich an diesem schwierigen Thema in dem Wissen abzuarbeiten, dass Inhalte auf sie projiziert werden könnten, tritt hinter ihrer Bodenständigkeit mit Blick auf das Team zurück. „Eine tolle Arbeit mit zwei wunderbaren Künstlern: dem Regisseur Stephan Bestier und dem Pianisten Martin Hybler. Wir drei haben im Team so gut zusammengearbeitet, dass die harte Erarbeitungsphase ein wirklicher Zugewinn an Kreativität, aufeinander Einlassen und Freude an der Arbeit in meiner Laufbahn als Sängerin geworden ist“, sagt sie. In dem Stück beantwortete sie als Jane Purcy Mulligan en passant auch die Schauspieler immer wieder nervende Frage, wie sich ein Schauspieler gerade in einer Solorolle so viel Text überhaupt merken könne, schelmisch mit der rhetorischen Gegenfrage in das Publikum: „Werden Sie etwa auch immer gefragt wieso sie dies oder jenes in Ihrem Beruf besonders gut könnten?“.
Doch wie schwer fällt gerade nach solch einer intensiven Rolle die Umstellung vom normalen Arbeitstag auf die verordnete Kurzarbeit in der Pandemie? Als habe Jane Purcy Mulligan Pate gestanden, entgegnet sie: „Gegenfrage: wie schwer ist es, ein Laufrad ohne Dämpfer anzuhalten? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe auch jetzt genug Arbeit mit meinen politischen Verpflichtungen die ‚systemrelevant’ sind“, sagt die Stadträtin aus dem Fraktionsvorstand der Bürger für Görlitz, Ausschussvorsitzende sowie Kreisrätin und ergänzt: „Nein ehrlich: die Künstlerseele ist verunsichert...“ Und so kennzeichne die verordnete Kurzarbeit neben der Planung künstlerischer Vorhaben das bloße Üben, denn „das Instrument Stimme benötigt Training.“
Generalintendant Klaus Arauner musste vor dem Hintergrund der Pandemie zuletzt mitteilen, dass die „Gesellschafter des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau beschlossen (haben), den Spielbetrieb vorerst bis zum 28. Februar einzustellen. Über die weitere Entwicklung muss schrittweise und mit Blick auf die jeweils aktuellen Rahmenbedingungen entschieden werden“, so Arauner weiter. Für die Monate bis zum Spielzeitende bestünden verschiedene Szenarien des Wiedereinstiegs und damit verbunden alternative Produktions- und Spielpläne aller Sparten.
„Ich verstehe die Beweggründe, trotzdem ist das schockierend. Man kann natürlich Entscheidungen in Frage stellen oder mit anderen Entscheidungen aufwiegen, aber was bringt das wirklich? Wäre es nicht viel besser Geld in die Hand zu nehmen und umgehend Filteranlagen für die Zukunft zu installieren, als endlos auf künstlerischen Input zu verzichten? Die Zeit im Stillstand könnte doch für solche Dinge genutzt werden, als Investition in die Zukunft“, sucht Yvonne Reich auch Schlussfolgerungen aus der schwierigen Zeit, zumal Theater bereits im ersten Lockdown „bekanntermaßen die ersten Institutionen waren, die schließen mussten.
Mit dem Theater halte sie über E-Mails und Anrufe jedoch regelmäßig Kontakt. Immerhin: „Ich komme gut über die Runden, wenn ich das mit meiner Zeit als alleinerziehende Mutter vergleiche – gut!“, sagt sie. Bedrückender sei die künstlerische Auszeit. „Theater ist für mich nicht nur Beruf, sondern Berufung quasi mein Lebenselixier“, bekennt sie mit einem hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft: „Ich wünsche mir einen Intendanten, der Musiktheater wie Schauspiel gleichermaßen liebt und fördert. In der neuen Spielzeit ist diese Position mit Daniel Morgenroth besetzt, wir sind alle ganz neugierig. Und dass unsere Theaterlandschaft erhalten bleibt mit festen Ensembles, dass uns die Zuschauer gewogen bleiben und die Verantwortlichen eine gute Hand bei der Auswahl der Stücke für unser Publikum haben.“ Dann gebe es auch wieder viele Seelenmomente mit Publikum und Künstlern und schlussendlich schöne, interessante Rollen und eine gute Zusammenarbeit im Team.“
Und weil dies alles einfach abfärbe richtet sie sich an „unser Publikum: Kommen Sie, sehen Sie, hören Sie, lachen Sie, weinen sie mit Tempo oder Taschentuch von Vati, fühlen Sie – wenn es wieder geht. Vielleicht ein großes Freudenfest für Publikum und Mitarbeiter mit Tanz, ‚Knuddeln’ und einfach guten Gesprächen.“