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Niesky muss in Sachen Welterbe selbst zugreifen wollen!

Niesky muss in Sachen Welterbe selbst zugreifen wollen!

V.l.n.r. beraten Uwe Platner, Otfried Plagwitz, Lothar Halke und Marcel Scholze von den Parkfreunden Niesky am Wartturm über Inhalge zum Tag des Offenen Denkmals. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Zum Tag des Offenen Denkmals präsentiert sich der Nieskyer Wartturm in der Schwesternplantage erstmals im Fahrwasser der Erhebung der Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine zum Welterbe. Bekommt Niesky also künftig das Brüdergemeine-Welterbe mit dem dominierenden Anspruch „Holzhausstadt“ zu sein unter einen Hut?

Niesky
. Marcel Scholze von den Nieskyer Parkfreunden bleibt ganz auf dem Teppich. Der auch selbst forschende Geschichtsfreund ist stolz auf das besondere Profil von Niesky als Holzhausstadt. Im Bewusstsein für die Geschichte der im Holz-, Stahl- und Maschinenbau einst hochinnovativen Firma Christoph & Unmack stehe das mittlerweile geschärfte Profil der Stadt gar nicht zur Disposition. Und das sei auch gut so. Gleichwohl wünscht sich Scholze, dass die DNA der Stadt mit den Wurzeln aus der Brüdergemeine seinen würdigen Platz ebenso findet.

„Wir möchten beim Tag des offenen Denkmals die Frage klären: Inwiefern trifft dieser Weltkulturerbetitel auf Niesky zu?“ Im offiziellen Titel „Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine“ klingt Niesky letztlich mit an, ohne explizit genannt zu sein. Niesky muss also quasi selbst zugreifen wollen. Marcel Scholze leitet jedenfalls ab: „Dabei wollen wir gleichzeitig die grüne Facette der Herrnhuter Siedlungen mal in den Blickpunkt stellen“ und er lässt damit erahnen, dass die Kombination Grünanlagen und Holzhaus durchaus eine Symbiose eingehen könnten – allein ein dies knackig vereinender Werbeslogan der Stadt fehlt quasi. Die Hirnzellen der Nieskyer dürfen also rattern.

Der Parkfreund erläutert: „Herrnhut ist ja der Urquell und punktet mit Internationalität. Herrnhut selbst ist als Siedlung – ich will nicht sagen aus der Not heraus entstanden – aber es gab damals nicht so viel Zeit Herrnhut zu entwerfen. Die Glaubensflüchtlinge waren im Berthelsdorfer Schloss untergebracht. Erst mit der Zeit haben sich die besonderen Anforderungen einer großen Gemeinschaft an die Architektur ergeben. Das typische Aussehen der Herrnhuter Siedlungen ist also erst später entstanden. Erst mit Verspätung entwickelte sich die planmäßige Siedlungsstruktur mit dem zentralen Platz – Niesky und Herrnhut.“

Und so sei auch die ’Botschaft hier am Turm’ die Besonderheit der Grünanlagen – eben als zweites Alleinstellungs-merkmal der Stadt. „Unter anderem mit einem Friedhof in Form eines Barockgartens. Alleen, Gärten. In Niesky sind diese Grünanlagen deutlich übersteigert, weil man neben den Siedlungen auch Parks und Landschaftsgärten angelegt hat. Ein solcher ist auch hier um den Wartturm.“ Diese Übersteigerung sei wohl Folge, dass Niesky im Konzert der Herrnhuter Siedlungen die Bildungseinrichtungen mit ihrer speziellen Pädagogik beherbergte. „Räume für Freiraum – man war also ganz modern. Früher war in und um Niesky nur Heide. Es galt ja auch der Enge der Gebäude zu entkommen. In einem Schwesternhaus haben 60 bis 80 Menschen im Schlafsaal unter dem Dach gelebt. Mit den Grünanlagen bestand ein Ausgleich.“

Der enge Wartturm selbst, in dem die Parkfreunde stets alle Etagen für für ihre Ausstellungen genutzt haben, wird am 8. September beim Tag des offenen Denkmals bei Kaffee und Kuchen also eher der markante Kristallisationspunkt für das grüne Ensemble Niesky sein. Vor allem werden natürlich Führungen auf den Turm und die ihn umgebende Schwesternplantage angeboten. Start ist um 14.00 Uhr, die letzte Führung beginnt um 17.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden erbeten und angesichts der komplett privaten Erarbeitung auch dringend nötig.

Der Wartturm wurde 1835 errichtet. Die sternförmig verlaufenden Wege sind die Überreste jenes um 1800 an gelegten Landschaftsgartens, dessen Zentrum der Turm bildete. Hier fanden sich fremdländische Gehölze, weitere Bauwerke sowie Möglichkeiten zum Flanieren und Ausruhen. Der Wartturm ersetzte einen hölzernen Vorgänger, der 1833 durch einen Orkan zum Einsturz gebracht wurde. Heute überragen Bäume einstige Sichtachsen oder auch den Blick bis zur Schneekoppe, womit sich Aufgaben der Stadtplanung ableiten. Der Turm diente als Feuerwarte zur Bekämpfung von Waldbränden in der Umgegend. Der Nutzung bis in die 90er-Jahre folgten Leerstand und Verfall, bis die Parkfreunde das Erbe nach und nach freilegten.

Dass dies alles noch am Rande stattfindet, stellt die Frage des Warums. Marcel Scholze meint darauf: „An dieser Stelle könnte die DNA von Niesky auch ein Manko haben.“ Dem Wesen nach trage der Glaube und die Demut vor Gott in sich, Bescheidenheit an den Tag zu legen. Gott die Ehre zu erweisen, erlaube nicht, sich selbst zu erhöhen, zu vermarkten oder gar Forderungen zu stellen. Niesky sei einst eine abgeschlossene Welt gewesen, deren Modernität Dörfler im Umland verwirrte und in dessen Welt man auch schwer eindringen konnte. Das wirke in der Mentalität nach. Noch heute gehöre es zum Wesen des Nieskyers, dass es zunächst schwer ist, ihn aus der Reserve zu locken. Mit der Renovierung des Turms soll das trotzdem klappen. „Firma Höp-ner Lacke übernimmt ihre Arbeiten kostenfrei, wir brauchen aber noch ganz dringend ein Baugerüst, um den Wartturm mehrere Wochen auf 18 Metern Höhe komplett einzurüsten“, hat Marcel Scholze einen großen Sponsoringwunsch.

Till Scholtz-Knobloch / 07.09.2024

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