Oberbürgermeisterwahl: Hoffmann gegen Hoffmann in Niesky
Jens Hoffmann strebt nicht den Einzug ins Weißenberger Rathaus (im Bild), sondern in das von Niesky an. Rechts die Gaststätte Jägerheim, die er mit seiner Frau betreibt. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Bei der Oberbürgermeisterwahl in Niesky schickt die CDU am 7. November nicht mehr Beate Hoffmann ins Rennen, sondern unterstützt Kathrin Uhlemann. Das hält die Oberbürgermeisterin nicht davon ab, es ohne diese Rückendeckung noch einmal allein mit Amtsbonus zu versuchen. Eines der Duelle heißt sogar Hoffmann gegen Hoffmann. Dabei handelt es sich jedoch um kein Familienduell. Wer aber ist Jens Hoffmann?
Niesky / Weißenberg / Tetta. Ein waschechter Nieskyer sei er nicht, räumt der Gastronom Jens Hoffmann bei einem Gespräch in der Gaststätte Jägerheim ein, die er mit seiner Frau Katrin gleich gegenüber dem Rathaus betreibt. Der Blick durch die Fenster der Gaststube richtet sich direkt auf das Rathaus. Doch der 49-Jährige, der mit seiner Familie in Tetta lebt, schaut nicht auf das Ziel seiner politischen Begierde, das Rathaus von Niesky, sondern am zentralen August-Bebel-Platz in Weißenberg hat Hoffmann die Amtsstube von Jürgen Arlt gegenüber im Blick, der über eine der kleinsten Städte in Sachsen wacht – Weißenberg.
An zentraler Stelle in Weißenberg hat sich das Jägerheim in 27 Jahren, seit es Katrin Hoffmann gepachtet hat, von einer einstigen „Kutscherkneipe“ zum urigen Gasthof entwickelt, in der Hausmannskost wie „Rinderroulade, wie sie Mutter macht – dazu hausgemachter Rotkohl“ ebenso seinen Platz hat wie „Bandnudeln Aglio e Olio” oder „Filet vom Pangasius-Wels, gemehlt und gebraten; mit Rahmchampignons und Käse überbacken“.
Hoffmann plaudert über die Sage von der Sonnenuhr, in der die Weißenberger wie die Bürger von Schilda die Rechnung ohne die Sonne gemacht hatten und erzählt, dass er längst gerne ein Buch über viele skurrile Gäste geschrieben hätte. Für die Anekdoten über einen blinden Pilger mit Hund oder Japaner, die über die Via Regia ziehen, habe er den Titel „Lokal-Geschichten“ im Sinn.
Doch sein ganzer Aktionsradius hätte Niesky, das er immer als „seine alte Kreisstadt“ empfunden habe, stets umschlossen. „Ich bin in Görlitz im Krankenhaus geboren, in Klitten aufgewachsen, habe im Kraftwerk gelernt und in Niesky erfolgreich Volleyball gespielt“, berichtet er bei einer Tasse Kaffee in der Gaststube.
Und am 31. August habe sich Niesky dann ohnehin unauslöschlich in sein Gehirn gebrannt. Zwei Wochen später ließ er seine Gäste über die Internetseite des Restaurant wissen: „Bis auf weiteres haben wir in der Woche nur noch bis 14.00 Uhr geöffnet. Es hat sich ja sicherlich inzwischen herumgesprochen, was der Grund dafür ist und wir danken Euch allen von Herzen für das Verständnis. Der tägliche Weg in die Uniklinik nach Dresden zehrt ganz schön an den Kräften, aber wir wollen für unseren Junior da sein in dieser Zeit.“
„Mein Sohn weiß, welche Dummheit er begangen hat, als er am Bahnhof in Niesky mit einem Freund auf einen Güterwaggon geklettert ist und einen Stromschlag aus der Oberleitung bekam. Aber es ist auch ein Zeichen dafür, auf welche Ideen Jugendliche in einer Gegend ohne Angebote mitten im Strukturwandel kommen“, sagt Hoffmann. Der 14-jährige Junior trug schwerste Verbrennungen davon. Hoffmann zieht sein Handy und zeigt aktuelle Bilder der Verletzungen. Die ständigen Verbandswechsel ließen sich wie die notwendigen Operationen nur mit Vollnarkose aushalten, doch sein Sohn sei stark und frage, ob er wieder Moped fahren könne. Jens Hoffmann sagt, dass ihn diese Erfahrung aufgerüttelt habe und so wundere er sich, wenn im Jugendtreff in Buchholz nicht die Jugend, sondern die über 40-Jährigen die Zeit verbringen. „Das ist menschlich, aber eigentlich nicht die Idee. Die echten Jugendlichen sind wohl zu wenige, um ihren Anspruch überhaupt geltend zu machen.“
Bei allem Leid habe er nach dem Unfall auch ein Gefühl der Dankbarkeit. Sein Sohn habe nach dem Stromschlag seinen verletzten 17-jährigen Freund durch intuitive Stöße nur mit dem Ellenbogen reanimiert, während er auf dem Containerwagen lag. „So etwas macht schon sehr demütig, wie selbst ein junger Mensch in so einem Moment reagiert.“ Ganz wichtig sei ihm auch der Gang zu den Kollegen der Feuerwehr Niesky gewesen, um für ihren Einsatz für seinen Sohn zu danken. Er habe einen Tag ausgesucht, wo auch wirklich fast jeder da war. Vor einem Herzinfarkt vor zwei Jahren hatte der Tettaer sich viele Jahre selbst in der Freiwilligen Feuerwehr engagiert.
Mit den ganz tiefen Fragen des Lebens sah sich Jens Hoffmann jedoch schon früher konfrontiert, als er nach Spuren des Großvaters suchte, der in Gefangenschaft in Weißrussland verstarb und dessen Vornamen auch der einzige Sohn von Jens Hoffmann in memoriam erhielt. Mit Mitstreitern betreut er Gräber aller Nationen in Niesky, Lodenau, Steinbach, Rothenburg, Kollm, Uhsmannsdorf... er überlegt, schafft es aber nicht alle Orte aufzuzählen.
Als früherer Geschäftsführer des Kreisverbandes der Kriegsgräberfürsorge beneidet er dessen Vorsitzenden, Landrat Bernd Lange, nicht: „Bernd Lange muss immer wieder als Prügelknabe herhalten, dabei ist er ein wirklicher Mensch, mit dem man einfach gerne zusammensitzt.“ Auch über Langes Stellvertreterin, die Görlitzer Friedhofsleiterin Evelin Mühle findet Hoffmann nur die besten Worte.
Und so sehe er auch sich als jemanden an, dem sicher mehr die Kommunikation mit der Bürgerschaft und den Ortsteilen liege als die notwendige Schreibtischarbeit. Doch an dieser Stelle wird er auch mit Blick auf seine Konkurrentin Kathrin Uhlemann kämpferisch. „Fördertöpfe sind nicht nur etwas für diejenigen, die täglich mit ihnen jonglieren, Fördertöpfe sind für alle da!“. Sonst müsse man eben von Filz sprechen.
Wohl auch von den eigenen Wechselfällen des Lebens beeinflusst, betont Jens Hoffmann: „An einem kann man mit mir nicht sparen: Bei Freiwilliger Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst. Wenn ich etwas will, dann kann ich penetrant für eine Sache streiten“, sagt er. Dabei ist der Kreisrat Jens Hoffmann in Sachen Kandidatur nicht selbst vorgeprescht, sondern hat sich dem Ruf seiner AfD-Fraktionskollegen gestellt.
„Seit 20 Jahren machen wir auf Rügen Urlaub und in den Urlaub hinein erreichte mich der Anruf, bei dem ich gefragt wurde, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könne.“ Er habe überlegt und in der aktuellen Situation viele Gründe dafür gefunden. „Wenn ich allein daran denke, dass mit dem neuen Fahrplan im kommenden Jahr der Schulweg von Gebelzig nach Mücka über 1 1/2 Stunden dauern kann...“. Zudem läge ihm die Natur am Herzen; für zu wenig Arbeitsplätze an der Bahnteststrecke TETIS dürfe man die nicht aufs Spiel setzen. Der Tourismus biete noch viele Potenziale. Notwendig sei aber ein Fahrradweg von Ödernitz nach Niesky. Und ganz profan: „Ich vermisse bis heute eine öffentliche Toilette in der Innenstadt.