Oberlichtenau: Kein öffentliches Interesse mehr?
Wollen den Stadtratsbeschluss zur teilweisen Einziehung der Straße „Am Dorfteich“ nicht hinnehmen: Schlosseigentümer Andreas Freiherr von Hünefeld, Vereinsvorsitzende Susanne Förster und der Geschäftsführer des CV Oberlichtenau, Maik S. Förster. (v.l.)
Der Pulsnitzer Stadtrat hat einen Teil der Straße „Am Dorfbach“ in Oberlichtenau eingezogen. Die christlichen Vereine und der Schlosseigentümer protestieren vehement dagegen. Wie beide Seiten argumentieren.
Oberlichtenau. Die Vereine CV Oberlichtenau und cv-aktiv reiseDienst protestieren mit einem offenen Brief gegen den „Beschluss zur Einziehung eines Teilabschnittes der öffentlichen Straße ’Am Dorfteich’ von Oberlichtenau“, den der Pulsnitzer Stadtrat in seiner Novembersitzung gefasst hat. Darin heißt es unter anderem: „Der Zuwegung zu Bibelland und Barockschloss wird das öffentliche Interesse aberkannt und alle Lasten des Straßenbaus (Beleuchtung, Instandsetzung, Entwässerung, Haftung) werden den Anliegern aufgebürdet. Dieser Beschluss trifft uns als gemeinnützige Vereine und Ehrenamtler ‚volle Breitseite‘. Wenn das die Art und Weise ist, wie in unserem Ort ehrenamtliches Engagement gewürdigt wird, dann ist das weder zu verstehen noch zu akzeptieren.“
Die Vorsitzende des cv-aktiv reiseDienst e.V., Susanne Förster, erläutert dazu auf Anfrage des Oberlausitzer Kurier: „Es handelt sich um die einzige wirklich behindertengerechte Zuwegung zum Bibelland. Nachdem aus öffentlichen Fördergeldern eine behindertengerechte Bushaltestelle und eine öffentlich zugängliche Behindertentoilette (die Einzige im Pulsnitztal!) gebaut wurden, ist es ein verhängnisvolles Signal, behinderten Bibelland- und damit Stadtbesuchern klar zu machen: ‚Es besteht an Eurem Besuch kein öffentliches Interesse.‘ Dass auch die CDU mit ihrer Stimmenthaltung das Bibelland als christlich-missionarische Initiative maßgeblich behindert, betrachten wir angesichts der fortschreitenden Entchristlichung unserer Gesellschaft als kontraproduktiv – auch hinsichtlich der bevorstehenden Kommunalwahlen.“
Seit mehr als dreißig Jahren, so Susanne Förster, seien die christlichen Vereine in Oberlichtenau ehrenamtlich aktiv.
„Neben dem Bau des Jugendzentrums als Neubau und unserer sonstigen Vereinsarbeit ist es uns in unermüdlicher Arbeit gelungen, den ziemlich vergammelten Ortskern neben der barocken Schlossanlage mit mehreren Gebäuden auf rund 10.000 Quadratmetern wieder attraktiv und schön zu gestalten und instand zu setzen. Ungezählte ehrenamtliche Stunden sind bis heute nötig, um all das zu erhalten. Bibelland und Barockschloss sind in Oberlichtenau die Einrichtungen, welche zweifelsfrei die meisten Gäste in den Ortsmittelpunkt locken. Normalerweise kann sich eine Kommune über derartiges Engagement glücklich schätzen.“
Auch der Eigentümer des Barockschlosses Oberlichtenau, Andreas Freiherr von Hünefeld, stellt sich hinter den offenen Brief: „Bei dem Straßenabschnitt, der jetzt eingezogen worden ist, handelt es sich um den einzigen gefahrlosen Zugang zu unserer Schloss- und Parkanlage“, erklärt er. Die Zuwegungen über Großnaundorfer Straße und „Am Schlosspark“ seien für Fußgänger und Radfahrer riskant. „Wir investieren in nächster Zeit 1,6 Millionen Euro in das Dach unseres Schlosses, davon 1,1 Millionen Euro vom Bund bewilligte Fördermittel. Dass da kein öffentliches Interesse an einer gefahrlosen und barrierefreien Zuwegung bestehen soll, erstaunt mich sehr“, so von Hünefeld. Er sieht noch ein weiteres Problem: „Die Einziehung des Straßenabschnitts würde auch zur Folge haben, dass ich selbst für den Abriss der Garage, die einst als Schwarzbau ohne Brandmauer direkt an eines der Kavaliershäuser angebaut wurde, aufkommen müsste. Das sehe ich überhaupt nicht ein.“ Vielmehr fordert er in Übereinstimmung mit den christlichen Vereinen die denkmalgerechte Sanierung des Weges „Am Dorfbach“ als Bestandteil des historischen Ensembles im Oberlichtenauer Dorfkern sowie den Abriss der Garage durch die Stadt Pulsnitz. „Wenn die Stadt kein öffentliches Interesse erkennt, dann muss auch ich Konsequenzen ziehen“, betont der Schlosseigentümer. Diese könnten beispielsweise in der Aufstellung von Drehkreuzen an den Parkzugängen bestehen, um Eintritt zu kassieren. Oder darin, die Austragung der Dienstbarkeit „Zugänglichkeit des Schlossparks für die Öffentlichkeit“ aus dem Grundbuch anzustrengen.
Kay Kühne, der Bauamtsleiter der Stadt Pulsnitz, nimmt im Auftrag von Bürgermeisterin Barbara Lüke wie folgt Stellung: „Zunächst ist festzustellen, dass der Stadtrat auch in einem wichtigen Teil dem Antrag des Vereines nachgekommen ist. Dieser hatte nämlich eine öffentlich gewidmete Fläche mit Vereinsanlagen überbaut. Der Stadtrat hat damit dem Antrag auch in einem wichtigen Teil entsprochen. Dem vorangestellt seien auch nochmal die Abstimmungsergebnisse. Dem Beschlussvorschlag haben sich der Ortschaftsrat und der Technische Ausschuss vorher einstimmig angeschlossen. Der Stadtrat hat letztlich ebenso bei nur einer Gegenstimme dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zugestimmt.“ Und weiter: „Wir halten es nicht für sachgerecht seitens der christlichen Vereine, allen Beteiligten nach jahrelanger Unterstützung in vielfältigen Fällen jetzt eine Würdigung des Ehrenamtes abzuerkennen, wenn in einem Fall mal eine Entscheidung getroffen wurde, die nicht vollumfänglich den Willen eines Vereines entspricht.“ Grundsätzlich sei festzustellen, „dass mit der Entwidmung des Weges dieser weder in seinem Zustand noch in seinen Benutzungsrechten für den Verein geändert wird. Es ändert sich lediglich die Rechtsgrundlage, auf der die Benutzung erfolgt. Den Nutzern und deren Gästen wird ein kostenfreies privatrechtliches Überfahrts- und Wegerecht zugesichert. Damit bleiben auch die Zuwegung und die im Eigentum des Vereines stehende, nicht öffentliche Haltestelle unverändert. Es erfolgt keine Einschränkung seitens der Stadt.“ Die Beschlussfassung habe auch grundsätzlichen Charakter: „In der gesamten Stadt Pulsnitz ist kein Fall bekannt, bei dem ein Weg, der weder eine Erschließungs- noch eine Verbindungsfunktion hat, als öffentliche Straße gewidmet ist. Vergleichbare Fälle gäbe es in der Stadt vielzählig. Im Sinne der Gleichbehandlung musste auch die Abwägung erfolgen, ob man erforderlichenfalls weitere Wege öffentlich widmen würde, um private Grundstücke von der Rückseite zusätzlich zu erschließen. Darüber hinaus beginnt die angesprochene Entwidmung erst hinter der Einfahrt zu dem Wohnhaus. Auch das bleibt also gesichert.“
Die Unterzeichner des offenen Briefes und Andreas von Hünefeld wollen nun Widerspruch gegen den Stadtratsbeschluss einlegen und behalten sich auch vor, nötigenfalls den Klageweg zu beschreiten.