Olympiasieger und Oberlausitz-Fan
Die Liebe zur Heimat zieht sich wie ein roter Faden durch die Lebensgeschichte von Wolfgang Mager, dem zweifachen Olympiasieger aus Reichenbach.
50 Jahre ist das her: Wolfgang Mager (li.) mit Trainer Jörg Weissig und Zweier-Partner Siegfried Brietzke am Tag ihres Triumphes in München. Foto: privat
Wolfgang Mager aus Reichenbach feiert am 24. August seinen 70. Geburtstag. Und noch ein weiteres wichtiges Lebensereignis jährt sich für ihn bald – zum 50. Mal.
Reichenbach. Einige Dutzend Damen und Herren im schon etwas reiferen Alter haben sich zum Gruppenfoto formiert. In der hintersten Reihe steht ein großgewachsener Mann mit Mittelscheitelfrisur, der ein Schild in die Höhe hält. Es zeigt das bekannte Wappen mit der gelben Zinnenmauer und dem sich darüber wölbenden strahlend blauen Himmel und trägt die Aufschrift „Meine Heimat Oberlausitz.“ Das Foto entstand bei einem Treffen von Medaillengewinnern der Olympischen Sommerspiele 1972 in München; der Mann mit dem Schild heißt Wolfgang Mager und ist in Reichenbach (Gemeinde Haselbachtal) zu Hause.
In den kommenden Wochen jähren sich für ihn zwei wichtige Lebensereignisse: Am 24. August feiert Wolfgang Mager seinen 70. Geburtstag, und am 2. September liegt sein erster Olympiasieg, gemeinsam mit Siegfried Brietzke im Ruderzweier ohne Steuermann in München errungen, genau 50 Jahre zurück (der zweite folgte 1976 im Vierer ohne Steuermann.)
Insbesondere seiner Nachbarin und guten Freundin Erika Schäplitz ist es ein Herzensanliegen, dass Wolfgang Mager im Vorfeld dieser zwei besonderen Daten die ihm gebührende Würdigung erfährt. Akribisch hat sie aufgeschrieben, was der erfolgreiche Sportler ihr in sicher vielen Gesprächen berichtete: Von der zwischenzeitlich oftmals kolportierten Story, wie er sich auf einen Aufruf von Heinz Quermann in der damaligen Kultsendung „Zwischen Frühstück und Gänsebräten“ meldete, mit dem großgewachsene Jungs für den Rudersport an der DHfK Leipzig gesucht wurden; davon, wie eine Erkrankung die dritte Olympiateilnahme (und einen möglichen weiteren Olympiasieg) in Moskau 1980 verhinderte.
Vom beruflichen Werdegang, der über eine Stelle als zivil beschäftigter Sportlehrer an der Offiziershochschule Kamenz hin zur Arbeit in Wohneinrichtungen für Kinder und Jugendliche führte.
Über einige Dinge freilich kann nur der baldige Jubilar selbst angemessen berichten, und so ist er der Bitte von Erika Schäplitz gefolgt, sich gemeinsam mit ihr mit dem „Oberlausitzer Kurier“ zu treffen. Über die Eindrücke zum Beispiel, die er aus München mitbrachte und die ihn ein Leben lang prägten. „Der Grundtenor für mich war: Warum führt die Menschheit überhaupt Krieg? Wir haben uns gemeinsam mit Japanern und US-Amerikanern fotografieren lassen und mit Italienern Spaghetti gegessen. Menschen, die offiziell als Einwohner verfeindeter Staaten galten. Doch hier war alles so locker und freudbetont“, erinnert sich Wolfgang Mager. Diese Kontakte wurden auch nicht unterbunden. Sein obligatorisches Geschenk zum 20. Geburtstag, den er in München feierte, durfte er sich allerdings nicht selbst bei Walther Tröger, dem Bürgermeister des olympischen Dorfes, abholen; das „übernahm“ die DDR-Mannschaftsleitung für ihn. München sollte für Wolfgang Mager aber auch zu einem traumatischen Erlebnis werden: „Ich war wohl der erste, der die Attentäter mit der Kalaschnikow vom gegenüberliegenden Balkon aus gesehen hat. Da lag der erste Erschossene schon auf dem Boden.“ Die ohnehin für diesen Tag geplante Abreise wurde nun forciert, „wir sollten schnell unsere Koffer packen und in die Tiefgarage gehen.“
Die Stadt München sollte für Wolfgang Mager und seine Familie von schicksalhafter Bedeutung bleiben. Einer seiner Söhne lebt dort mit seiner Familie. 2019 kamen hier zwei Enkel als Frühchen zur Welt, die eigentlich nur geringe Überlebensaussichten hatten. „Ich dachte mir: In München hatte ich so viel Glück. Die Jungs schaffen das.“ Und sie schafften es tatsächlich. Wolfgang Magers zweiter Sohn lebt heute in Ludwigshafen, die Tochter in Leipzig. Für ihn selbst kam es nie in Frage, die Heimat zu verlassen. Selbst dann nicht, als er zum Stellvertreter Manfred Ewalds als Chef des DDR-Sportbundes DTSB auserkoren wurde. „Ich wollte das aber nicht. Ich wollte als ganz normaler Sportlehrer arbeiten.“ Den Oberen widersetzte man sich aber nicht ungestraft, und so blieb Wolfgang Mager sein Berufsziel verwehrt. Erst nach der Wende erfüllte sich sein Wunsch, mit Kindern zu arbeiten – als Erzieher, später auch mit dem Abschluss als Heilpädagoge: „In meiner Abschlussarbeit beschäftigte ich mich mit dem Einfluss von ADHS, also Hyperaktivität, auf die sportliche Leistung.“ Parallel baute er im Ehrenamt die Jugendarbeit beim ASB in Sachsen mit auf und wurde Landesjugendleiter.
Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn als Ruderer hat Wolfgang Mager keine Ruderkelle mehr in die Hand genommen. Das änderte sich erst Anfang dieser Woche, als er Anna Kinski und Ulrich Kons auf ihrer Bootstour für die Aktion „Pro Retina“ zugunsten von Sehbehinderten ein Stück auf der Elbe begleitete. Diese Art von Engagement ist Wolfgang Mager immer sehr wichtig gewesen. Zumeist nutzte er dafür das Fahrrad, das ihm nach seiner aktiven Zeit zum liebsten Sportgerät wurde und mit dem er beim Radsportverein Demitz-Thumitz eine verschworene Gemeinschaft gefunden hat. So startete er seit 1997 stets bei der Tour der Hoffnung zugunsten krebskranker Kinder und organisierte selbst Touren um den Keulenberg sowie durch die Landkreise Bautzen und Görlitz. Anfang 2020 wurde ihm seine Leidenschaft jedoch fast zum Verhängnis, als er bei Grüngräbchen von einem Transporter angefahren und einfach zurückgelassen wurde. Mit schweren Verletzungen musste Wolfgang Mager ins Krankenhaus. 2020 war auch das Jahr, in dem er nach langer und akribischer Vorbereitung mit zwei Begleitpersonen zu einer 10.000-Kilometer-Fahrradtour im Sinne der Völkerverständigung von Wladiwostok nach Dresden aufbrechen wollte. „Durch Corona wäre sowieso nichts daraus geworden. Zu der Idee bekenne ich mich aber auch heute noch, auch wenn ich den Krieg selbstverständlich ablehne“, betont Wolfgang Mager.
Mit den von ihm organisierten Hilfsaktionen konnte Wolfgang Mager viele Menschen von der Schönheit der Oberlausitz begeistern, die wiederum ihren Freunden und Bekannten davon erzählten. „Eigentlich ein idealer Oberlausitz-Botschafter“, meint Nachbarin Erika Schäplitz. „Angefragt wurde er als solcher aber nie.“ Die Liebe zur Heimat – sie ist für Wolfgang Mager ein Herzensanliegen. Und so tauchte er dann beim Treffen der Medaillengewinner als bekennender Oberlausitzer auch mit dem eingangs erwähnten Schild auf: