Orgel wird stromlos erklingen
Reinhard Schäbitz testet den Klang der einzelnen Pfeifen in der Kirche von Nieder Seifersdorf. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Nieder Seifersdorf. Reinhard Schäbitz sitzt an der Orgel der Wehrkirche von Nieder Seifersdorf und spielt immer wieder die Manuale herauf und herunter. Hin und wieder verharrt er bei der ein oder anderen Pfeife, spielt diese kurz an oder lauscht dem Klang über mehrere Sekunden. Chef Ekkehard Groß, Orgelbauer aus Waditz in der Gemeinde Kubschütz, klettert derweil durch den Orgelkasten, um auf Zuruf des Kollegen noch einmal die ein oder andere Pfeife zum Nachstimmen zu entnehmen. Dabei kennt Reinhard Schäbitz seine „Wackelkandidaten“ mittlerweile aus dem FF – es ist quasi die letzte Feinjustierung, nachdem die Orgel zerlegt, gereinigt, ausgebessert und völlig neu zusammengefügt wurde.
Jeder Orgelbauer ist im Grunde nicht nur ein hervorragender Orgelspieler mit perfektem Gehör und Erinnerungsvermögen angesichts der Fülle der Pfeifen, sondern auch Historiker. Reinhard Schäbitz: „Durch die Restaurierung der Buckow-Orgel in Sohland am Rotstein gab es viele Hinweise durch einen ähnlichen Aufbau. Bei Nachforschungen wurde uns überhaupt erst klar, dass die Nieder Seifersdorfer Orgel auch von Buckow stammt“. Hier habe sich der Erhaltungszustand dann als wesentlich besser erwiesen.
Carl Friedrich Ferdinand Buckow aus Hirschberg im Riesengebirge (Jelenia Gora) steht sowohl für die Fortsetzung einer langen schlesischen Tradition im 19. Jahrhundert, also auch für neue Einflüsse aus anderen Regionen. Die Weihe seiner Orgel fand am 26. September 1841 statt. Buckow stammte aus Danzig und brachte damit auch viele bauliche Besonderheiten seiner west- und ostpreußischen Heimat in die speziellen schlesischen Traditionen ein. „Er hat in Schlesien gebaut hat aber dann, was für die damalige Zeit etwas besonderes ist, das preußischen Staatsgebiet auch für seine Arbeit verlassen – wobei Nieder Seifersdorf ja noch Schlesien ist“, stellt der Orgelerbauer fest.
1827 trat Buckow in die Werkstatt von Johann Joseph Schinke in Hirschberg ein. Dort arbeitete er auch am Neubau der Sonnenorgel von St. Peter und Paul in Görlitz mit. 1829 verließ er Schinkes Werkstatt und eröffnete im selben Jahr ein eigenes Geschäft in Hirschberg. Sein Werksverzeichnis umfasst 54 Instrumente, von denen noch drei, je eines in Wien, in der zwischen der Slowakei und Ungarn geteilten Stadt Komarn (Komárno/Komárom) und in Nieder Seifersdorf erhalten sind. Den Höhepunkt seines Schaffens krönten zwei Orgeln in Wien, die 1858 für die Piaristenkirche Maria Treu errichtete Orgel und die neue Orgel für die kaiserliche Hofkapelle.
Die gerettete Orgel in Nieder Seifersdorf wird am 24. Juni mit einem ersten Konzert wiedereingeweiht. Nach dem Festgottesdienst um 8.45 Uhr und einem anschließenden Frühschoppen in der Alten Pfarre werden Ekkehard Groß und seine Mitarbeiter eine Führung an die Orgel machen. Um 12.00 Uhr erkling „Orgelmusik auf der Höhe des Tages“. Nach einer Laudatio um 19.00 Uhr gibt es um 19.30 Uhr ein Konzert mit Prof. Martin Strohhäcker aus Dresden an der Orgel. Die Blasebälge treten dabei Gewinner eines Castings vom Oktober. Der Titel lautet „Stromlos Nr. 1“, denn ohne Zuhilfenahme des Stromanschlusses sollen von nun an einmal jährlich die Pfeifen wie in alter Zeit durch menschliche Kraft ertönen.