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Philip Kiril von Preußen: "Gott versorgt die seinen!"

Philip Kiril von Preußen: "Gott versorgt die seinen!"

Philip Kiril von Preußen schaute auch bei der Oberlausitzer Ruhmeshalle (Dom Kultury) vorbei, die sein Ururgroßvater Kaiser Wilhelm II. einweihte. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Im Herbst 1902 weihte Kaiser Wilhelm II. die Oberlausitzer Ruhmeshalle in Görlitz ein. 120 Jahre später war sein Ururenkel Philip Kiril von Preußen, der als Pastor und Grundschullehrer arbeitet, als Referent der Glaubenskonferenz der Freien evangelischen Gemeinde vergangenes Wochenende Gast in der Stadt. Der Niederschlesische Kurier begleitete ihn zum heutigen Dom Kultury und hatte Gelegenheit zu einem Gespräch.

Görlitz.
Philip Kiril von Preußen sieht man das ständige Nachdenken an, das er scharfsinnig und dabei meistens lächelnd in klare Worte fasst. Seine Gegenwart an sich ist wie eine Einladung zum Gespräch, auch wenn der Einstieg das Dilemma nicht umschiffen kann. Philip Kiril ist nicht nur Urahn von Kaiser Wilhelm II., sondern über diesen auch Urahn von Queen Victoria. Schaut man da angesichts des Bedeutungsverlustes der eigenen Familie, das kaiserlich-königlich ja ranghöher ist als die heute „Windsor“ genannten Häuser Sachsen-Coburg-Gotha (Elisabeth II.) oder Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (ihr 2021 verstorbener Gatte Prinz Philip) nicht etwas neidisch-sentimental „in die Röhre?“.

„So würde ich darauf nicht schauen. Das ist ein regierendes Königshaus und zu dem aufzuschauen gebührt sich auf jeden Fall. Wobei mir die standesrechtliche Sichtweise fern liegt“, sagt er eingangs und nennt ein Beispiel: „Wir bekamen einmal an meinem Gymnasium im meiner holsteinischen Heimat Plön einen Prinzen von Hessen an das angegliederte Internat. Ich dachte mir: Donnerwetter! Jetzt haben wir einen Prinzen an unserer Schule“, und er lacht über diese Erinnerung herzhaft. Denn dann sei ihm eingefallen: „Ich bin ja selber Prinz.“ Allerdings habe er die Adelsperspektive eben nicht mit der Muttermilch aufgesogen. Er habe jedoch einmal einen Briefwechsel mit seiner Verwandten, der Queen, geführt. Dass Elisabeth auch im Tod so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, freue ihn, denn die Monarchie trage ja viele Vorteile in sich – und zwar nicht allein folkloristische. So hätten die Milliarden an den Bildschirmen die christlichen Zeremonien der Trauerfeier miterlebt, mit der Elisabeth auch im Tod noch für den christlichen Glauben hätte werben können.

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Philip Kiril von Preußen zeigte auch im Interview mit dem Niederschlesischen Kurier seine Ausgeglichenheit. Foto: K. Kandzia

Da Philip Kirils Vater nicht standesgemäß die bürgerliche Waltraud Freydag heiratete, bestimmte Großvater Louis Ferdinand von Preußen Enkel Georg Friedrich – seinen Vetter – zum Chef des Preußenhauses. Hat dieser Bedeutungsverlust also seiner christlichen Demut erst den Weg geebnet? Im Vortrag am Vorabend des Interviews betonte er ja, wir seien letztlich alle Kinder eines noch Höheren – „Königskinder“.

Diesmal antwortet Philip Kiril spontan: „Ja, ich bin mir sicher, dass dies ein Grund ist. Nicht umsonst, lädt Jesus die zu sich, die mühselig und beladenen sind (Matthäus 11,28). Und die nicht so auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die sind für so etwas viel empfänglicher, als die, denen es immer gut geht und die Gott – scheinbar – nicht brauchen.“ Mutet es da nicht fast romantisch an, dass er den Lebensunterhalt als Lehrer und Pastor gänzlich aus eigener Kraft bestreitet oder gehört zum familiären Ausgleich heute wenigstens noch eine Apanage?

Zweiklassenmentalität anders als bei William und Kate

Nein, eine Apanage bekomme er ebenso wenig, wie er Anteil am Hausvermögen habe. „Ich habe einmal einen Brief auf eine solche Anfrage bekommen, aus dem dann sehr deutlich hervorging, dass diese Apanage nur für sogenannte Mitglieder des Hauses gedacht ist und nicht – wie ich es da las – für sogenannte ‚Namensträger‘. Wenn man das auf England übertrüge, hieße das, dass William wegen Kate enterbt würde samt ihren Kindern – undenkbar!“

„Aber ‚bei Preußens‘ herrscht immer noch in einer Zweiklassenmentalität“, sagt er und fügt nach kurzem Überlegen an: „Dass Georg Friedrich selbst nicht hausgesetzmäßig geheiratet hat, war gestern beim Vortrag nicht mein Punkt, aber die Bestimmungen des Hauses sagen, dass man eine Evangelische heiraten müsse; das hat Georg Friedrich geflissentlich ausgesetzt, indem er eine Katholikin ehelichte.“ Mit Großvater Louis Ferdinand, mit dem er erst mit 24 Kontakt bekam, habe er sich jedoch noch versöhnlich treffen können und hege keinen Groll. Und Georg Friedrich? Konnte es mit ihm nie Begegnungen auf rein menschlicher Basis geben, weil aufgrund des ’Erstgeborenenstatus‘ eine potenzielle Gefahr in der Luft liegt?

Der Prinz sagt: „Es gibt üblicherweise eine Familienzusammenkunft im Jahr auf der Burg Hohenzollern; dort war ich jedoch noch nie eingeladen. Nach dem Tod unseres Großvaters habe ich gleich Kontakt zu Georg Friedrich aufgenommen, mit dem Ziel eines freundschaftlichen Kennenlernens. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten klappte das. Es ist nach ein paar Treffen allerdings leider im Sande verlaufen.“ Ganz ohne eigene Güter verteidigt Philip Kiril seinen Vetter dennoch bei der Frage nach dessen Restitutionsforderungen. „Man stelle sich vor, die Albrecht-Brüder (Aldi) wären enteignet worden, nur weil sie viel besitzen. Es ist rechtlich völlig legitim, dass er diese Forderungen stellt – ob es weise ist, ist eine andere Frage. Der Gegenwind ist aber oft sehr sozialistisch beziehungsweise von Neid geprägt“, meint er und erzählt vom eigenen Heim. „Wir haben es real erlebt. Gott versorgt die seinen! Uns gab er ein Pfarrhaus bei Berlin, das uns von der Herrnhuter Brüdergemeine angeboten wurde, nachdem wir eine Anzeige geschaltet hatten: ‚Acht Preußen kommen nach Berlin und suchen Wohnraum‘.“

Das Haus hebe sich von denen in der Nachbarschaft etwas ab, vor allem durch einen recht großen Garten. „Man merkt, dass Gott dafür gesorgt hat, dass wir uns wohlfühlen können. Meine Frau und ich sind in Holstein im Grünen großgeworden. Der Garten ist ein uriges Paradies für Kinder, schrieb jemand treffend formuliert“, sagt er lächelnd und man spürt, dass er in diesem Moment von schönen Erinnerungen ergriffen ist.

Ein aus dem Müll geretteter Gameboy

Da die Haltung von Kindern oft Spiegelbild des Elternhauses ist, stellt sich die Frage, wieviel sein ältester Sohn Paul, der als Start-Up-Unternehmer („Digital Aid“) Vorständen erläutert, wie sie in der digitalen Welt verantwortungsvolle und zugleich zukunftsfähige Entscheidungen treffen, vom Vater hat. Wieviel von Philip Kiril – wieviel „Moderne“ – ist also in der Welt der Bits und Bytes in ihm? Der Prinz erläutert: „Wenn man in etwas hineingeboren ist, dann saugt man das natürlich viel leichter auf. Dabei haben wir unsere sechs Kinder eigentlich – was elektronische Medien betrifft – medienarm erzogen.“ Paul habe mit 13 oder 14 einen Gameboy bekommen.

„Das war aber eine Hinterlassenschaft von unseren Vormietern in einem großen Karton, der eigentlich für den Sperrmüll bestimmt war. Aber ich brachte es als sparsamer Mensch nicht übers Herz, dass nun alles im Müll landet. Er war damit selig, weil der veraltete Gameboy für ihn etwas ganz neues war. Insofern ist es schon lustig, dass er diesen beruflichen Weg nun gefunden hat. Ich bin Gott aber sehr dankbar, dass das wichtigste – der Glaube an unseren Herrn – bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Er verbindet beides in guter Weise miteinander.“
Doch wie ist bei all dem der Blick auf die Güter, von denen die Familie im Osten so viele hinterlassen hat – über Görlitz hinaus? Es gab die Jagden im oberschlesischen Pless (Pszczyna), das Tal der Schlösser im Riesengebirge oder die kaiserliche Sommerresidenz im ostpreußischen Cadinen (Kadyny). Letztlich ist ja auch der Hochmeister des Deutschen Ordens als Repräsentant der einst mit Polen verfeindeten ‚Kreuzritter‘ heute gern gesehener Gast in Ostpreußen.

Lauert da nicht eine Aufgabe auch für Philip Kiril, der in der heute zu Sachsen gehörenden Stadt mit preußischer Seele meint: „Ein komplexes Thema. Das wichtigste ist für mich, dass wir hier keine bleibende Heimat haben, sondern auf dem Weg sind in unsere himmlische Heimat und von daher ein großes Hängen an den Dingen nicht angebracht wäre. Das habe ich stark verinnerlicht. Aber auf der menschlichen Ebene ist es für mich schon schmerzhaft, wenn ich mir bewusst mache – fast egal in welche Stadt ich komme –, was alles verlorengegangen ist. Wenn mich jemand aus Polen einlädt und es in den zeitlichen Rahmen passt, dann komme ich auch gerne – solche Anfragen hatte ich bislang noch nicht. Bislang habe ich mich berufen gesehen, Brückenbauer zu Gott hin zu sein. Damit hatte ich bislang alle Hände voll zu tun. Hinzu kommt noch mein Herzensthema, der Schutz des ungeborenen Lebens und die eigene Familie soll zeitlich ja auch nicht zu kurz kommen.“

Erbe auch des russischen Zarenhauses

Auf Hochzeitsreise war er mit seiner Frau in Forst und Breslau, aber nicht in Görlitz. Die freie evangelische Gemeinde hat ihn nun zu einem Familienbesuch eingeladen. Beim Abschied auf dem Bahnhof erfährt eine Dame, dass neben ihr der Prinz von Preußen steht und macht reflexartig einen Diener vor Philip Kiril, der seinen zweiten Vornamen aufgrund der Abstammung vom Zarenhaus der Romanows trägt. Großmutter Kira Kirillowna Romanowa heiratete Louis Ferdinand.

Bei der Abfahrt des Zuges kontert er ein augenzwinkerndes, huldvolles Winken, wie es gekrönte Häupter aus der Kutsche zu tun pflegen. Philip Kiril macht diesen Spaß mit und verabschiedet sich auf Gleis 7 mit eben dieser Geste herzhaft lächelnd im Zug Richtung Cottbus.

Till Scholtz-Knobloch / 08.10.2022

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