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Polens Sejm stellt sich der Schlesischen Tragödie

Polens Sejm stellt sich der Schlesischen Tragödie

Blick in den Sejm in Warschau. Foto: Klaudia Kandzia

Schlesien/Warschau. In Polen hat sich in der Nachwendezeit für die Geschehnisse in Schlesien nach dem 2. Weltkrieg – ausgehend von der Wissenschaft – der Name „Schlesische Tragöde“ etabliert. Er fasst die Vertreibung von Millionen von Schlesiern, Plünderungen, Morde, Vergewaltigungen, Inhaftierungen in Arbeitslagern sowie Verschleppungen in die Sowjetunion zusammen. 80 Jahre nach Kriegsende fand dieser Themenkomplex am 7. Januar nun seinen Weg ins polnische Parlament.

Zuvor hatten die beiden oberschlesischen Woiwodschaften Schlesien mit Sitz in Kattowitz (Katowice) und Oppeln (Opole) 2025 zum Gedenkjahr der Tragödie proklamiert. Die oberschlesische Senatorin Halina Bieda von der Bürgerkoalition (KO) beantragte, der Tragödie polenweit zu gedenken. „Die Massaker in Miechowitz (Miechowice) bei Beuthen (Bytom), wo 380 Menschen ermordet wurden und in Boguschütz (Boguszyce) bei Beuthen, wo mindestens 270 Menschen getötet wurden, stehen symbolisch für alle bis heute nicht ermittelte Opfer und für die Massendeportationen in sowjetische Arbeitslager, aus denen viele der Deportierten nie mehr in ihre Heimat zurückkehrten.“ Brisanz brachte der Satz „Die kommunistischen Behörden der ‚Volksrepublik‘ Polen (...) setzten die Repressionen (...) fort“, in der Resolution, die von der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, dem Senat, per Akklamation angenommen wurde. Erstmalig wurde damit eingeräumt, dass nicht nur die Sowjets, sondern auch polnische Behörden Schuld auf sich luden.

In der ersten Kammer Polens, also dem Sejm wollten Vertreter der rechtsorientierten Konföderation (Konfederacja) durchsetzten, dass das Gedenken nicht nur auf 1945 zu begrenzen sei, sondern 1939 einbezieht, da Schuld ursächlich von Deutschen ausgegangen sei. Historische Debatten in Polen haben eben politisch umgedrehte Fronten zu Deutschland.

Letztendlich wurde mit 406 Ja-Stimmen, 22 Enthaltungen und zwei Gegenstimmen entschieden, dass: „der Sejm (...) die unterdrückte Zivilbevölkerung ehrt und allen gedenkt, die ihr Leben und ihre Gesundheit verloren haben, sowie an diejenigen, die verfolgt wurden, weil sie die Erinnerung an diese Ereignisse aufrechterhalten haben.“ Eine Begleitausstellung im Sejm wird später auch im Europaparlament gezeigt und dürfte auch ein späterer Anwärter für das Schlesische Museum in Görlitz sein. Bedingt durch den Verbleib eines Teils der Oberschlesier wird in Polen „Schlesien“ oft jedoch nur als „Oberschlesien“ gedacht, womit die Debatte in gleicher Weise Niederschlesien ’ohne Schlesier’ nicht erfasste.

Till Scholtz-Knobloch / 27.01.2025

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