Preiswerte Ernährung ist ein Grundbedürfnis
Gerade in Zeiten wie diesen raten Experten, direkt beim Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten einzukaufen. Foto: Matthias Wehnert
Verbraucher können steigenden Lebensmittelpreisen nur begrenzt ausweichen, da einerseits die Preise im gesamten Sortiment steigen und es andererseits für die Gesundheit wesentlich ist, eine ausgewogene, vielfältige Ernährung zu praktizieren. Dabei sollten pflanzliche Lebensmittel – bevorzugt frisches Gemüse, Obst und Vollkornerzeugnisse – etwa zwei Drittel an der Ration ausmachen und tierische Lebensmittel etwa ein Drittel.
Grundsätzliche Empfehlungen sind:
• Einkauf gut vorbereiten (Was ist vorhanden und was will ich essen? Was wird gebraucht bis zum nächsten Einkauf?).
• Grundpreise vergleichen, wobei jedoch auch immer die unterschiedliche Qualität der Produkte mit berücksichtigt werden sollte.
• Gerichte selbst zubereiten aus frischen Zutaten.
• To go-Produkte und fertige Snacks durch selbst Zubereitetes ersetzen.
Vor allem für Menschen mit geringen Einkommen sind die Preissteigerungen nach Angaben der Verbraucherzentrale zu einem Problem geworden. Denn der Hartz-IV-Satz für Lebensmittel liegt pro Tag bei etwa 5,20 Euro – das reiche nicht für eine gesunde Ernährung. Da die Lebensmittelpreise seit dem Sommer 2021 stark angestiegen seien und Handel und Ernährungsindustrie weitere Preissteigerungen angekündigt hätten, ist es aus Sicht der Verbraucherschützer höchste Zeit für politisches Handeln, um Menschen mit geringen Einkommen zu unterstützen. Gefordert werden deshalb:
• eine deutliche Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze, sodass auch bei hohen Lebensmittelpreisen eine gesunde Ernährung möglich ist,
• Sonderzahlungen für Personen mit niedriger Rente und Bezieher von Grundsicherung,
• eine Beitragsreduzierung für die Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen, Hochschulen oder für Geringverdiener in Unternehmen, im öffentlichen Dienst und in sozialen Einrichtungen,
• eine Senkung der Mehrwertsteuer bei Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten sowie
• eine Unterstützung der Einrichtungen, die Mahlzeiten für Obdachlose anbieten.
Zahlreiche Lebensmittel werden teurer, die Gründe dafür sind verschiedener Natur. Experten raten zu einem bewussten, sparsamen und geplanten Umgehen mit Nahrungsgütern. Eine Momentaufnahme.
Bautzen. Erst verschwinden Sonnenblumenöl und Mehl für Wochen aus den Regalen deutscher Supermärkte. Auch eine bestimmte Senfsorte ist hier und dort nicht zu bekommen. Jetzt droht Medienberichten zufolge als nächstes der Einwegtomate womöglich ein ähnliches Schicksal. Entsprechende Produkte könnten zumindest teurer werden. Als Hintergründe dafür wurden Hamsterkäufe, steigende Energiepreise sowie ein Mangel an Verpackungen wie Flaschen und Dosen angeführt. Außerdem würden italienische Landwirte auf lukrativere Feldfrüchte umsteigen – etwa Futtermais und Getreide. Italien sei der mit Abstand wichtigste Produzent von Tomaten, die für den deutschen Markt in Konserven abgefüllt werden. Wo soll das aber am Ende alles hinführen, fragen sich zunehmend Verbraucher, die beim Personal an den Kassen sowie den Fleisch- und Käsetheken der Supermärkte ihrem Unmut Luft verschaffen. Das kann ein Sprecher des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) durchaus nachvollziehen, denn nicht alles müsste so sein, wie es derzeit ist: „Hamsterkäufe führen nur dazu, dass Lieferketten unter Druck geraten, Produkte zeitweise nicht geliefert werden können und so scheinbar rar sind. Entsprechend kann es zu Preisanstiegen kommen, die nicht sein müssten.“ Doch das ist nicht der alleinige Grund dafür, dass die Verbraucher dazu gezwungen sind, bei einigen Waren immer tiefer ins Portemonnaie zu greifen: „Preise steigen aufgrund eines geringeren Angebots und/oder einer gestiegenen Nachfrage. Das Angebot verringert sich, wenn tatsächlich Produkte wegen fehlender Rohstoffe nicht mehr in den ursprünglichen Mengen produziert werden können, wie es etwa beim Sonnenblumenöl der Fall ist. Deutschland deckt beispielsweise seinen Bedarf an Sonnenblumenöl zu 94 Prozent über Importe. Die Ukraine mit 51 Prozent und Russland mit 27 Prozent sind die weltweit wichtigsten Exportländer hierfür.“ Wegen des Krieges in der Ukraine werde es bei Sonnenblumenöl wahrscheinlich auf absehbare Zeit weiter Engpässe geben.
Butter und Lachs, um weitere Beispiele zu nennen, bei denen jüngst eine Preissteigerung zu beobachten war, seien auch schon vor der kämpferischen Auseinandersetzung teurer geworden. „Während der Butterpreisanstieg auf das rückläufige Milchangebot in Deutschland zurückzuführen ist, führte eine weltweit verstärkte Nachfrage nach Lachs zu dessen Preisanstieg.“ Hinzukomme ein übergreifendes Problem in Gestalt der stark gestiegenen Energie-, Diesel-, Rohstoff- und Baukosten. „Diese belasten die gesamte Wertschöpfungskette und müssen letztendlich an den Endkonsumenten weitergegeben werden.“ Es werde daher empfohlen, bei bestimmten Produkten wie Sonnenblumenöl auf Alternativen umzusteigen. „Für diejenigen, die nicht auf bestimmte Produkte verzichten wollen oder können, empfiehlt sich der Blick in andere Verkaufsstätten“, betonte der Ministeriumssprecher. Unter anderem führte er in dem Zusammenhang Bioläden an. „Hier sind die Produkte aktuell oftmals noch vorhanden.“ Von Hamsterkäufen rät er auf jeden Fall ab: „Das Anlegen eines begrenzten Vorrats ist gut und wichtig, sollte aber bedacht geschehen.“ Gleichzeitig beruhigte der Behördenmitarbeiter: „Die Versorgung mit Lebensmitteln ist gesichert. Die EU und Deutschland bauen mehr an, als sie verbrauchen.“
Dabei kann es auch bleiben, wenn die Europäische Union bestimmte Pläne für die nahe Zukunft in der Schublade stecken lässt, zeigt sich Stefan Triebs, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes „Bautzen-Kamenz“, überzeugt. „Die Politik sollte aktuell alles weglassen, was die Anbaufläche und Erntemenge der europäischen und deutschen Landwirtschaft weiter verknappt und die Preise weiter treibt“, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung. „Ich denke an die geplante Zwangsstilllegung von Flächen ab dem Jahr 2023, das Verbot beziehungsweise die Reduzierung des Einsatzes von Dünger in Nitratgebieten oder den weiteren Verzehr von landwirtschaftlichen Flächen durch Straßen und Gewerbebau.“ Bis zum Beginn der Pandemie habe es innerhalb von Europa im Verhältnis die günstigsten Preise für Lebensmittel gegeben. Doch das werde wohl vorbei sein.
Grundsätzlich seien die Preisanstiege in erster Linie auf den Krieg in der Ukraine aber natürlich auch auf die allgemeine Marktentwicklung zurückzuführen, meinte David Thomas, Geschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen. Konkret nannte er in dem Kontext die Verknappung der Ressourcen, Lieferschwierigkeiten und vor allem steigende Energie- und Rohstoffpreise. Der Handel profitiere in „keinster Weise“ von notwendigen Preiserhöhungen. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. „Die gestiegenen Kosten können nicht in vollem Umfang weitergegeben werden. Zudem ist die Anschaffungsneigung laut Konsumbarometer weiter rückläufig.“
Demnach trübt sich die Verbraucherstimmung im Mai weiter ein. Allerdings nimmt das Papier offenbar in erster Linie Bezug auf allgemeine Anschaffungen, ohne dabei speziell auf die Lebensmittelbranche einzugehen. „Die aktuelle Situation zeigt erneut auf, wie wichtig regionale und kurze Wertschöpfungsketten sind“, erklärte unterm Strich der SMEKUL-Sprecher. „Diese sollten weiter gestärkt werden. Jeder Verbraucher und jede Verbraucherin kann durch den täglichen Einkauf Einfluss auf das System nehmen, jedes gekaufte Produkt vom regionalen Erzeuger stärkt die regionale Wertschöpfung und macht sie krisenfester.“ Einen Überblick über Erzeuger und Verarbeiter in der Region biete ein Regionalportal. Auch das Konzept der Marktschwärmereien habe sich im Freistaat „sehr gut“ etabliert. Es biete eine Möglichkeit, sich mit regionalen Produkten zu versorgen. Gleichzeitig sei klar, dass steigende Preise für Menschen und insbesondere Familien mit geringen Einkommen ein großes Problem darstellen und die Teuerung auch ein soziales Konfliktpotenzial beinhalten kann. Deshalb habe die Bundesregierung Entlastungsmaßnahmen wie die Absenkung von Energiesteuern oder das sogenannte Energiegeld auf den Weg gebracht.
„Preiswerte Ernährung und Wohnraum mit Nebenkosten stellen ein Grundbedürfnis dar“, meinte wiederum Stefan Triebs. Auch er warnte: „Wenn dieses gefährdet wird, kann es zu Unruhe unter der Bevölkerung kommen.“ Gleichzeitig verschweigt der Chef des Regionalbauernverbandes aber auch nicht, mit welchen Schwierigkeiten die Landwirte zu kämpfen haben: „Durch die gestiegenen Kosten benötigen wir höhere Erlöse. Dünger kostet im Moment das Drei- bis Vierfache gegenüber dem vergangenen Jahr, Diesel das Doppelte. Deshalb wird an den Preisen nicht viel zurückzudrehen sein in den kommenden Jahren.“
Allerdings hat Stefan Triebs auch etwas erfahren, womit er nicht hinterm Berg halten will: „Mir ist zum Beispiel bekannt, das ‚Bautzner Senf‘ in Bayern billiger und im vollen Umfang zu kaufen gibt. Hier spielt eindeutig das Verhalten des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) eine Rolle. Durch den Ausfall der Ukraine und Russland als Nahrungsmittelexporteure ist eine gewisse Knappheit da, die auch ausgenutzt wird.“ Die großen Ketten des deutschen LEH unterhielten oftmals direkte Beziehungen zu Herstellern und Erzeugern und würden auf diese Weise den Lebensmittelgroßhandel umgehen, hieß es aus dem SMEKUL.
Doch wie vieles im Leben hat auch eine Entwicklung wie diese vielleicht eine gute Seite. „Positiv wäre einerseits ein gesteigertes Bewusstsein für die wichtige Arbeit die im Bereich Land- und Ernährungswirtschaft geleistet wird, für regionale Lieferketten und andererseits auch hinsichtlich des Themas Lebensmittelverschwendung“, sagte der Ministeriumssprecher. Bisher würden allein in Deutschland circa 75 Kilogramm an Lebensmittelabfall pro Einwohner und Jahr anfallen, wovon mindestens 33 Kilogramm insbesondere bei den Verbrauchern selbst vermeidbar wären. „Erhöhte Preise tragen oft zu einem solchen gesteigerten Bewusstsein auch hinsichtlich eines verringerten Lebensmittelabfalls bei.“