Privater Rettungsanker für die Traumatisierten
Joachim Trauboth ist Initiator des bundesweit wohl einmaligen Projektes zur Bewältigung von Kriegstraumata bei Flüchtlingen aus der Ukraine. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Joachim Trauboth hat es geschafft, am Mittwoch nun auch Sachsens Sozial- und Integrationsministerin Petra Köpping in die von ihm ins Leben gerufene psychologische Beratungsstelle und Selbsthilfeeinrichtung für aus der Ukraine geflohene Frauen und Kinder zu lotsen. Auch die Ministerin bezeichnet den Anlaufpunkt in der Görlitzer Elisabethstraße vorort als „einmalig“.
Joachim Trauboth erläutert Staatsministerin Köpping Inhalte der in Görlitz geleisteten Hilfen. Foto: Till Scholtz-Knobloch
Görlitz. In der Elisabethstraße 40 steht Joachim Trauboth mit seinen helfenden Mitstreitern am Mittwochnachmittag, 28. September 2022, vor Sozialministerin Petra Köpping, Landrat Dr. Stephan Meyer und Oberbürgermeister Octavian Ursu und beklagt in einem Nebensatz, wie verletzend er es empfinde, wenn ukrainische Flüchtlinge in Deutschland eines Sozialtourismus’ bezichtigt würden – Worte die CDU-Chef Friedrich Merz über viele Ukrainer gewählt hatte, um kurz darauf von Parteifreunden zurückgepfiffen zu werden. Zwar kann sich jeder auf dem Parkplatz der Lotos-Tankstelle an der Straße 94 hinter der Autobahngrenze ein Bild über den täglichen Ansturm auf die über Wochen ausgebuchten Reisebusse in die Ukraine machen, aber Joachim Trauboth, der sich als Protagonist einer Willkommenskultur lange Zeit im Internet auf ausgiebige Streitdebatten einließ, viel einsteckte und viel austeilte, sieht die Dinge vorrangig aus einer anderen Perspektive.
Er berichtet vor der Ministerin, wie er im Februar die geflohene Nadja in unwürdigen Verhältnissen in Polen kennenlernte. Er habe zu ihr gesagt „Raus hier“ und mit der Hilfe von Freuden Platz für sie in Görlitz gefunden. Und er habe später mit Helfern neben Nadja gestanden, als diese am Telefon erfahren habe, dass ihr Mann von einen Kopfschuss getroffen worden sei. Dies sei die Initialzündung für ihn gewesen, breit angelegt Hilfen zu organisieren, nachdem er in Ferngesprächen zahlreiche Rückschläge bei der Suche nach Unterstützung für Nadja erleben musste.
Mit der initiierten Unterstützung sei die Überzeugung dagewesen, diese eben auch anderen Opfern zugute kommen zu lassen. Und diese Unterstützung bestand zuvorderst in der „Sammlung“ anderer geflüchteter Ukrainerinnen, die als Sozialpsychologinnen oder Sozialpädagoginnen mit wertvollem Know How selbst in Görlitz gestrandet waren.
Der Sozialdemokrat Trauboth war einst aus dem westfälischen Münster nach Görlitz gekommen und scheint von seinem Wesen jedoch ganz und gar nicht geschaffen für den Ruhestand. Er und Parteifreund Harald Prause-Kosubek aus Niesky-See organisierten Räumlichkeiten, die die Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische-Oberlausitz mbH (ENO) zur Verfügung stellt, während Prause-Kosubek seinen Draht zum Möbelwerk Niesky zur Ausstattung der Räume spielen ließ. Private Spenden und das Dach des Vereins „Görlitz für Familie e.V.“ seien weitere Stützen der Arbeit. Die ehrenamtlichen Ukrainehelfer betreuen wöchentlich 80 bis 100 Kriegsflüchtlinge, wobei das Herzstück die psychologische Beratung ist. Dabei würden nicht alleine Traumata aufgearbeitet, vielfach wäre auch einfach das Gefühl wichtig, in der Fremde nicht verloren dazustehen.
Joachim Trauboth warb bei der Ministerin vor allem darum, dass „seine“ fünf Diplompsychologinnen, zwei Sozialpädagoginnen, eine Kinderärztin, eine Logopädin und eine Kommunikationsmanagerin, die alle aus der Ukraine stammen, selbst auch eine dauerhafte Perspektive für ihr Tun finden und nicht von andern Trägern noch „abgeworben“ werden. Ihre Beratungsangebote mit Gruppensitzungen, Teenagergruppen, Gesprächszirkeln oder Kunst- und Märchentherapie könnten das PSZ Sachsen (Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete) erweitern. Die Ministerin betonte, dass deutsche Sprachfertigkeiten nötig seien, im Grundsatz bestehe aber die Option, dass die ukrainischen Expertinnen in Anlehnung an das PSZ damit auch ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten könnten.
Joachim Trauboth sieht seinen Dienst eingebunden in die Arbeit vieler „Demokraten“, was er jedoch kontextlos ohne Erläuterung vermeintlicher Bedrohung seiner Arbeit stehen lässt. Aber gut: Wer den Mut hat zu helfen, der hat auch das Recht (gesellschaftlich) zu kritisieren – und sei es in einer Andeutung.
Kommentare zum Artikel "Privater Rettungsanker für die Traumatisierten"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Ich finde gerade gesellschaftliche Arbeit würde geflüchteten helfen den Kopf frei zu bekommen, oder sollen wir Görlitzer Bürger lieber für die Geflüchteten die gesellschaftliche Arbeit machen? Wir dürfen uns das fremdsprachliche Telefonieren in überhöhter Lautstärke anhören. Mit Ihrer Einstellung kann man leider die SPD in Sachsen nicht mehr wehren.