Prosit Neujahr 2024 mit Halbwertzeiten
Manchen Neuregelungen aus der Politik ab 2024 könnte wie bei diesem Feuerwerk über der Landskron-Brauerei in Görlitz noch etwas im Wege stehen. Foto: Matthias Wehnert
Im neuen Jahr kommen auf die Deutschen eine ganze Reihe an gesetzlichen Neuregel-ungen zu. Viele stehen im Zeichen steigender Belastungen und mehr Bürokratie. Andere könnten aufgrund der fatalen Finanzlage seitens von Verfassungsrichtern noch zu Fall gebracht werden.
Berlin. Der Blick auf gesetzliche Neuregelungen zur Jahreswende gehört zur festen Tradition in unserer Zeitung. Doch vieles ist heute anders als einst. Seit das Bundesfinanzministerium infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds eine Haushaltssperre erlassen hat, könnten auch Projekte wanken, die die Bundesregierung sich selbst als verfassungskonform attestiert. Bundeskanzler Olaf Scholz geht davon aus, dass der Bundestag in seiner ersten Sitzung im neuen Jahr abschließend über den Haushalt 2024 beraten wird. Bis dahin gilt erst einmal eine „vorläufige Haushaltsführung“.
Der Umweltbonus für E-Autos musste bereits dran glauben. Die Bundesregierung hat am 13. Dezember beschlossen, die Förderung zu beenden. Schon seit 18. Dezember können keine neuen Anträge mehr für den Umweltbonus beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt werden.
Nicht rütteln will das Bundeswirtschaftsministerium an der neuen Heizungsförderung – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestagshaushaltsausschusses. Förderanträge sollen ab Ende Februar bei der KfW eingereicht werden können. Das Gebäudeenergiegesetz soll den Verzicht auf fossile Energien wie Öl und Gas festschreiben, bringt jedoch viele Immobilienbesitzer aber an den Rand des Finanzierbaren. Dieses hat die Bundesregierung – siehe Verfassungsgerichtsurteil, das ein Loch von 60 Milliarden Euro gerissen hat – selbst übersprungen. Getarnt sind Schulden zunehmend bereits in 29 „Sondervermögen“ – also faktisch Schuldenaufnahmen. Die größten waren der Coronafonds mit 150 Milliarden Euro, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit 200 Milliarden Euro und die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Dabei hatte die Universität Heidelberg errechnet, dass im bisherigen Ukrainekrieg viel CO² ausgestoßen wurde.
Derartige Folgekosten sind hier noch nicht einmal eingepreist. Der Bundesrechnungshof kommt jedenfalls schon jetzt auf 869 Milliarden Euro an „Sondervermögen“ – also Extraschulden – und eine Gesamtverschuldung des Bundes von 2,4 Billionen Euro, die vor Aufnahme der zahlreichen Extraschulden mit 1,6 Billionen Euro faktisch bereits auch nicht mehr rückzahlbar gewesen waren. Vieles spricht dafür, dass das Bundesverfassungsgericht 2024 weitere Eingriffe gegen den politischen Übermut vornehmen dürfte. Dabei hatte der Bundestag den Finanznöten zum Trotz die Obergrenze der Parteienfinanzierung jüngst rückwirkend bis 2018 auf 188,4 Millionen Euro beschlossen.
Mindestlohnanstieg
Höheren Kosten entgegenstehend steigt immerhin der Mindestlohn zum 1. Januar um 41 Cent an und liegt dann bei 12,41 Euro pro Stunde. 2025 wird dieser in einem weiteren Schritt um erneut 41 Cent auf 12,82 Euro klettern. Bürgergeld- oder Sozialhilfeempfänger erhalten um zwölf Prozent höhere Leistungen.
Gastronomie
Ab 1. Januar steigt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent, obwohl der Kanzler die dauerhafte Minderung versprochen hatte. Die Regelung betrifft auch das Essen an vielen Kitas und Schulen. Mit einem weiteren Gastronomiesterben ist zu rechnen.
Krankenkassenzusatzbeitrag
Der Krankenkassenzusatzbeitrag steigt auf 1,7 Prozent. Die Erhöhung soll helfen, das Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherung zu drosseln. Die Versicherten zahlen dabei die Behandlungen von Bürgergeldempfängern mit, wobei dieser Personenkreis im Zeichen der Zuwanderung dramatisch angestiegen ist.
Kinderkrankengeld
Gesetzlich krankenversicherte Eltern können ab dem neuen Jahr bis zu 15 Arbeitstage pro Kind unter zwölf Jahren Kinderkrankengeld beziehen, Alleinerziehende 30 Arbeitstage.
Kein Kinderreisepass mehr
Mit dem neuen Jahr werden keine neuen Kinderreisepässe mehr ausgestellt, verlängert oder aktualisiert. Jetzt gibt es nur noch den normalen Reisepass. Bis Jahresende 2023 ausgestellte, noch gültige Kinderreisepässe gelten noch bis Gültigkeitsende.
Führerscheinumtausch
Wer zwischen 1965 und 1970 geboren ist und noch einen rosafarbenen oder grauen Führerschein hat, muss diesen bis 19. Januar in ein Karteformat umtauschen, wenn er kein Verwarngeld über 10 Euro riskieren möchte.
Aufenthalt von Ukrainern
Die Aufenthaltserlaubnisse von Flüchtlingen aus der Ukraine gelten nun komplett über 2024 hinaus bis zum 4. März 2025 fort. Dies hat das Bundesinnenministerium auf Weisung der EU durch Verordnung festgelegt, der der Bundesrat zustimmte. Dies gelte auch, wenn derzeit ein Aufenthaltstitel bis 2024 vermerkt ist. Der Landkreis Görlitz etwa sieht darin sowohl „eine Entlastung der Betroffenen als auch der Ausländerbehörden.“
Elektronische Patientenakte
Mit dem Digital- und dem Gesundheitsdatenschutzgesetz sind Krankenkassen ab 15. Januar zur Führung einer elektronischen Krankenakte verpflichtet. Wer dem widersprechen will, muss nach Information durch die Krankenkasse innerhalb von sechs Wochen widersprechen. Scheinbar will aber die EU ein Widerspruchsrecht mit einer übergeordneten europäischen Initiative vielleicht auch noch ausschließen.
E-Rezept
Ab Neujahr sollen in Krankenhäusern sowie Arzt-, Zahnart und Psychotherapiepraxen verpflichtend E-Rezepte ausgestellt werden. Das elektronische Rezept erhalten Patienten in der E-Rezept-App, als Ausdruck oder auf ihrer elektronischen Gesundheitskarte. Das E-Rezept „soll“ ab 1. Januar in allen deutschen Apotheken eingelöst werden können.
Transparenter Autofahrer
Ab 7. Juli 2024 müssen alle PKW (Fahrzeuge der Klasse M1) sowie N1-Fahrzeuge laut EU-Vorgabe einen Event Data Recorder (EDR) haben. Dieser zeichnet zum Beispiel Geschwindigkeit, Motordrehzahl, Airbag-Status, Anschnall-Status oder Lenkwinkel auf. Über das digitalisierte Auto lassen sich Unfälle besser rekonstruieren. Der Bundesdatenschutzbeauftrage sieht die Entwicklung hochproblematisch. Damit könnte „lückenlos kontrolliert werden, wer wann wo und wie gefahren ist.“ Denkbar wäre z.B. auch das Nichtstartenkönnen bei Fehlverhalten aller Art, das von Versicherern derzeit bereits geprüft wird.
Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR)
Mit dem Neujahrstag wird das Recht von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) um eine rechtsfähige, eingetragene „Außen-GbR“ erweitert (eGbR). Diese staatliche Eingriff wird verpflichtend, wenn als GbR Grundstücksgeschäfte getätigt werden sollen.
„Heizhammer“
Wenn es das politische und möglicherweise noch juristische Gerangel überlebt, sollen nach zähem Streit um das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) neu eingebaute Heizungen in Neubauten zumindest zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Außerhalb davon werden Neuregelungen durch den Beschluss einer Wärmeplanung der betreffenden Gemeinde verpflichtend, in Großstädten ab Mitte 2026, in allen anderen Kommunen bis 100.000 Einwohner ab Mitte 2028. Dennoch sollte bei einem Heizungstausch die Langfristigkeit der Investition berücksichtigt werden. Bestehende fossil betriebene Heizungen dürfen längstens bis Ende 2044 betrieben werden. Bei Öl- und Gasheizungen, die ab 2024 eingebaut werden, ist spätestens ab 2029 auf steigende Anteile erneuerbarer Energien zu achten (2029 15 Prozent, 2035 30 Prozent, 2040 60 Prozent).
Gas, Heizöl, Kraftstoff
Darüber hinaus steigt der vom Bundestag so betitelte „CO²-Preis“ von 30 auf 45 Euro pro Tonne unter anderem bei Gas, Heizöl oder Benzin – Kosten, die letztlich an den Verbraucher weitergereicht werden. Schon beim zunächst geplanten Anstieg auf „nur 40 Euro“ war die Rede von Erhöhungen um 0,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh), 2,03 Cent pro Liter Heizöl, 2,8 Cent pro Liter Benzin sowie 3,2 Cent pro Liter Diesel.
Umsatzsteuer für Gas und Fernwärme
Ab 1. März 2024 fällt der ermäßigte Umsatzsteuersatz auf Gas und Fernwärme von derzeit sieben Prozent weg. Dieser steigt sprunghaft wieder auf 19 Prozent an.
Private Solaranlagen
Ab 2024 wird das Netzanschlussverfahren für Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) bis 30 Kilowatt Leistung (kWp) beschleunigt. Bei der Inbetriebnahme neuer Anlagen sinken ab 1. Februar die Vergütungssätze um einen Prozentpunkt. Weitere Absenkungen um je ein Prozent erfolgen dann halbjährlich.
Kommentare zum Artikel "Prosit Neujahr 2024 mit Halbwertzeiten"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Zu Transparenter Autofahrer.
Dort fehlen wichtige Details - nämlich, dass EDR-Pflicht nur für neue Fahrzeuge und
für die vom Importeur oder Hersteller zu erwirkende EU-Typgenehmigung gilt.
Erfahrungsgemäß sind Ausnehmen möglich.
Die zugrundeliegende EU-Verordnung vom 27. November 2019 enthält auch die Pflicht für Reifendrucküberwachung.
Technisch relevant und zu erwähnen wäre noch, dass die Daten schon seit 2000 in Fahrzeugsystemen erfasst, verarbeitet und gespeichert werden. Airbags, Gurtstraffer … fast alles im Auto funktioniert inzwischen Datenbestände und rechnergestützt.
Standortverfolgung oder Fahreridentifikation oder „Nichtstartenkönnen bei Fehlverhalten aller Art“ wird ohne die EU-Verordnung und technisch völlig anders realisiert.