Pulsnitz feiert sein saniertes Rathaus
Bürgermeisterin Barbara Lüke (li.) sieht sich mit dem Abschluss der Rathaussanierung am Ende eines langen, steinigen Weges.
Das neu gestaltete fünfte Fenster im Ratssaal zeigt eine medizinische Szene und den Blick über Oberlichtenau auf den Keulenberg.
Rathäuser waren schon immer – neben Kirchen, Schulen und eventuellen Sitzen der Landes- oder Gutsherrschaft – Mittelpunkte des städtischen Lebens. Doch nicht immer und überall wurde das so gesehen.
Pulsnitz. „Ein Rathaus heutzutage zu sanieren, ist nicht leicht“, konstatiert auch die Pulsnitzer Bürgermeisterin Barbara Lüke (parteilos) und spricht damit aus einer fast zehnjährigen Erfahrung mit der Sanierung ihres eigenes Dienstsitzes. „Immer wieder bekamen wir zu hören: Ist das denn wirklich nötig? Sollten wir das Geld nicht lieber in die Sporthalle stecken?“, sagte sie in ihrer Rede zur offiziellen Inbetriebnahme des Pulsnitzer Rathauses nach mehrjähriger umfassender Sanierung vor wenigen Tagen.
Die Antwort der Bürgermeisterin und letztlich auch der Stadträte auf diese rhetorische Frage lautete: Ja, es ist nötig. „Das Rathaus ist der Kern der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Niemand könnte geboren werden oder sterben ohne das Rathaus und die Verwaltung, die darin sitzt“, formulierte sie möglicherweise etwas überspitzt. Denn: Freilich kann man auch ohne Rathaus geboren werden. Doch bedarf es wie in fast jeder Lebenslage eines offiziellen Aktes, damit dies auch formell Gültigkeit erlangt – und sei es das Ausstellen einer Geburtsurkunde. Doch freilich steckte noch viel mehr hinter der Entscheidung, das Rathaus zu sanieren: „Wir wollten es nicht verkommen lassen, sondern wieder im alten Glanz erstrahlen lassen“, so Barbara Lüke. Und der erste Teil des Satzes stellte keineswegs eine Übertreibung dar: „Wer in den ersten Stock zum Trausaal oder zum Bürgermeister wollte, musste erst mal die Wandverkleidung abnehmen und eine Sicherung einschrauben – wir hatten nämlich keine Lichtschalter im Flur. Die Sicherungen waren von 1910, und man sah die Alu-Strippen, an denen unsere Leitungen hingen“, nannte die Bürgermeisterin nur ein Beispiel.
Dieser unsichere Zustand der Elektroinstallation wurde durch einen ebenso unzureichenden Brandschutz ergänzt, sodass das Dachgeschoss leer gezogen werden musste – es hätte im Brandfall keine Möglichkeit zur Evakuierung gegeben. Kurz und schlecht: „Es war entsetzlich, und schon unter meinem Vorgänger Peter Graff wurde 2016 ein Holzschutzgutachten in Auftrag gegeben. Dies war der Beginn der Odyssee, die heute endet.“
Es ging also nicht nur um die Marktplatz-Ästhetik, sondern auch um den Schutz von Menschenleben.
So zog die Pulsnitzer Stadtverwaltung im November 2019 in eine Villa in der Goethestraße. „Wir haben gesagt: Wir rutschen jetzt zusammen, das wird für die zwei, drei Jahre schon gehen.“ Doch ein Vierteljahr später kam Corona. Die Abstände konnten nicht eingehalten werden, und so musste das Ordnungsamt wieder ausziehen. Doch die Epidemie hatte auch noch andere Auswirkungen: Preissteigerungen und Bauverzögerungen: „Abends ging es noch, und am nächsten Morgen kam der Corona-Bescheid.“ Barbara Lüke ging auch auf die komplizierte Finanzierung ein, die sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzte: „Sonst hätten wir das niemals stemmen können.“ Überraschungen während des Baus taten ein Übriges dazu, dass sich die Kosten letztlich auf 6,2 Millionen Euro summierten (ursprünglich geplant waren 4,3 Millionen Euro). Die akribische Kostenanalyse und -kritik wurde zum festen Bestandteil der Stadtratssitzungen. „Ein Neubau wäre einfacher gewesen“, resümiert die Bürgermeisterin. „Aber dann hätten wir eine Ruine am Marktplatz gehabt.“ Glücklicherweise kam es nicht dazu.
„Es ist auch kein Prachtbau entstanden, sondern ein funktioneller Zweckbau“, fügt Bauamtsleiter Kay Kühne hinzu. „Die Bereiche mit viel Publikumsverkehr befinden sich im Erdgeschoss, die eher rückwärtigen Bereiche in den Obergeschossen.“ Prächtig ist allerdings der neue Ratssaal, der sich genau eine Etage unter seinem Vorgänger befindet – da, wo sich vor dem Umbau ein Lichthof und noch früher eine Polizeistation befanden. Die vier Bleiglasfenster aus dem früheren Ratssaal fanden hier einen neuen Platz, ergänzt um ein fünftes Fenster, an dessen Stelle sich im Obergeschoss eine Tür ins Nirgendwo befunden hatte. Dieses fünfte Fenster zeigt einen Arzt und den Keulenberg – Bezug nehmend auf die vielfältige medizinische Landschaft in Pulsnitz sowie auf die Eingemeindung des „Keulenbergdorfes“ Oberlichtenau.