Radler noch unsicher auf den Schutzstreifen
Auf der Steinstraße gibt es seit etwa einem Jahr einen Schutzstreifen für den Radverkehr. Aber nicht alle Autofahrer halten sich daran, diesen Streifen nur bei Bedarf zu befahren. | Foto: kk
Bautzen. Nicht mehr ganz neu sind die gestrichelten weißen Linien auf Straßen in der Bautzener Innenstadt. Aber nicht alle Autofahrer können mit diesen Schutzstreifen für den Radverkehr etwas anfangen. Und einigen Radfahrer ist es zu gefährlich, darauf zu fahren.
Die Steinstraße ist Teil einer wichtigen Ost-West-Route durch die Stadt. Für Radfahrer gibt es hier seit fast einem Jahr einen Schutzstreifen. In jede Richtung grenzt eine gestrichelte Linie rechts am Fahrbahnrand einen Bereich ab, den die Radfahrer benutzen müssen. Denn hinter dem Bordstein beginnt der Fußweg, der für Radler über zehn Jahre tabu ist.
Tatsächlich ergibt sich täglich folgendes Bild: Viele Radfahrer – vor allem jüngere – radeln selbstbewusst auf dem Schutzstreifen. Andere bleiben dagegen auf dem Fußweg. „Vor allem ältere Radfahrer berichten, sie hätten Angst den Schutzstreifen auf der Fahrbahn zu benutzten“, erklärt Martin Ritscher, Sprecher der ADFC-Ortsgruppe Bautzen (Allgemeiner deutscher Fahrradclub e.V.).
So verhält man sich richtig, wenn ein Schutzstreifen für den Radverkehr auf der Straße markiert ist:
Der Autofahrer...
• darf den Schutzstreifen nur bei Bedarf überfahren und den Radverkehr dabei nicht gefährden.
• darf bei Rückstau den Schutzstreifen in der Regel nicht überfahren, um darauf zu halten. Der Gegenverkehr muss in diesem Fall seinerseits bedarfsweise den Schutzstreifen überfahren.
• muss beim Überholen einen ausreichenden Seitenabstand zum Radfahrer gewährleisten. Ist dies wegen Gegenverkehr nicht möglich, darf nicht überholt werden.
• darf dort, wo der Schutzstreifen markiert ist, nicht parken.
Der Fahrradfahrer...
• muss auf einer Fahrbahn mit Schutzstreifen diesen benutzen und zwar nur den in Fahrtrichtung rechts liegenden.
• darf den parallel zur Straße verlaufenden Gehweg nur dann wahlweise benutzen, wenn das Verkehrszeichen „Radfahrer frei“ dies erlaubt.
• darf bei Stau auf der Fahrbahn vorsichtig rechts an den Autos vorbeifahren, wenn genügend Platz vorhanden ist und muss auf plötzlich aussteigende Personen achten.
Er selbst hält die aktuelle Situation auf der Steinstraße für besser als vorher. „Die Radwege neben dem Fußweg waren oft von parkenden Autos, Mülltonnen oder tief hängenden Plakaten verstellt“, sagt er. Außerdem würden Radfahrer auf dem Schutzstreifen von den Autofahrern besser wahrgenommen und damit sinke die Unfallgefahr an Kreuzungen.
Ähnlich fällt die Einschätzung von Matthias Almert aus. Er ist Leiter der Abteilung Allgemeine Ordnung und Verkehr und erklärt, dass in Deutschland seit einigen Jahren innerorts Schutzstreifen für Radfahrer gegenüber baulich abgegrenzten Radwegen bevorzugt werden. „Dies entspricht möglicherweise nicht dem subjektiven Sicherheitsempfinden vieler Radfahrer“, so Matthias Almert. Aber die meisten Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt seien, passieren an baulich abgegrenzten Radwegen im Bereich von Kreuzungen und Grundstückseinfahrten. „Je besser der Radverkehr im Blickfeld des Fahrzeugverkehrs bleibt, desto geringer ist die Unfallwahrscheinlichkeit“, sagt der Amtsleiter.
Matthias Almert und Martin Ritscher empfehlen Radfahrern, die nicht über die Steinstraße fahren möchten, Parallelrouten zu nutzen. Um von Ost nach West durch die Innenstadt zu kommen, kann man auch über die weniger von Autos befahrenen Nebenstraßen radeln, beispielsweise über Rosenstraße und Kornmarkt oder Holzmarkt, Töpferstraße und Wendischer Graben.
Martin Ritscher fährt viel lieber auf dem Radfahrschutzstreifen. Er weiß aber auch, dass es Mut verlangt, im fließenden Verkehr zu fahren. „Vor allem beim Stau überfahren die Autos die gestrichelte Linie und lassen den Radfahrern keinen Platz“, berichtet er. „Die Autofahrer müssen dazulernen und respektieren, dass Radfahrer auf der Straße unterwegs sind und der Schutzstreifen normalerweise nicht befahren werden darf.“ Weiterhin fordert das ADFC-Mitglied die Bautzener Radfahrer auf, sich den Platz, den sie brauchen auch zu nehmen. „Ich fahre nach außen offensiv, bedenke aber immer auch Fehler, die andere machen können“, sagt Martin Ritscher. Ideal wäre es, die Hochbordwege für Radfahrer zurückzubauen und so mehr Verkehrsfläche auf der Straße zu schaffen. Doch Martin Ritscher ist klar, dass diese Kosten – vor allem wenn die Straßen gerade erst erneuert wurden – keiner tragen wird.
Geplant ist auf der gesamten Ost-West-Verbindung entlang der Staatsstraße S 111 zwischen Stiebitz und der Kreuzung Löbauer Straße/Paul-Neck-Straße Schutzstreifen für den Radverkehr anzulegen, teilt Amtsleiter Matthias Almert mit. „Lediglich auf der Friedensbrücke und im unmittelbaren Kreuzungsbereich Löbauer Straße/Paul-Neck-Straße wird es auch mittelfristig Abschnitte mit baulich getrennter Führung der Radwege geben“, erklärt er. Mit Verbesserungen für die Sicherheit der Radfahrer sei auch nach dem grundhaften Ausbau der Schilleranlagen im kommenden Jahr zu rechnen. Durch die andere Anordnung der Parkplätze vergrößert sich der zur Verfügung stehende Platz für den Verkehr.
Kommentare zum Artikel "Radler noch unsicher auf den Schutzstreifen"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Zum genannten Beitrag habe ich folgende notwendige Anmerkungen zu machen.
Es ist alles richtig, was im genannten Beitrag von den Herren Almert und Ritscher zur Situation mit den Schutzstreifen für Radfahrer in der Steinstraße dargestellt wird. Auf zwei entscheidende Sachverhalte sind Sie aber nicht eingegangen.
Zum Ersten ist es so, dass die Fahrer von Mittelklasse-PKW, das sind geschätzte 80% der PKW-Fahrer, im Begegnungsverkehr auf der Steinstraße gezwungen werden den Schutzstreifen zu befahren, weil Sie keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zum entgegenkommenden PKW einhalten können. Sie werden also durch die geringe Restbreite der Straße außerhalb der Markierungen der Schutzstreifen genötigt zu den überwiegenden Tageszeiten zumindest teilweise auf beiden Schutzstreifen zu fahren. Die Markierung der Schutzstreifen musste eben erst erneuert werden, was nicht an der Qualität der Markierungsanstriche sondern am fast durchgehend notwendigen Befahren durch PKW, LKW und Busse liegt. Die zuständige Verwaltungsvorschrift zur StVO sagt aber aus, dass Schutzstreifen nur auf kurzen Passagen bei Bedarf vom Kfz-Verkehr überfahren werden darf und nicht durchgängig, wie es in der Steinstraße gezwungener Maßen üblich ist und legt fest, dass die verbleibende Restfahrbahnbreite der Straße außerhalb der Markierungslinien beider Schutzstreifen mindestens 4,50 m sein muss. Diese Restbreite ist in der Steinstraße nicht gegeben und dieser Zustand würde sich, so wie geplant, auch auf der Löbauer Straße fortsetzen.
Zum Anderen möchte ich nicht an winterliche Straßenverhältnisse auf der Steinstraße nachdenken. Schnee und Schneematsch werden dann, wie im letzten Winter geschehen und von mir radfahrend beobachtet, auf Teilen der Schutzstreifen geschoben, was ein Radfahren dann noch gefährlicher macht.
Der Artikel müsste damit m. E. überschrieben werden mit „Radler sind auf den Schutzstreifen gefährdet“.
Stefan Franz, Bautzen