Rekonstruktion, wo Sachsen und Preußen friedlich koexistierten
Der Görlitzer Jörg Giessler (zweiter von links) und seine Mitstreiter nach getaner Arbeit. Foto: privat
Görlitz / Sibyllenort (Szczodre). Jörg Giessler ist ein Wandler zwischen den Welten. Aus Emsdetten in Westfalen stammend, ist er heute gleichermaßen in Görlitz und Breslau zuhause, wo er Polen in der deutschen Sprache unterrichtet. Als geschichtsverständiger Pendler möchte Giessler, der das Facebookprofil „Schönes Schlesien“ betreut, Deutsche und Polen mit Projekten zusammenführen.
Und so war er jüngst auch die treibende Kraft bei einem Gemeinschaftsprojekt des Landesverbandes der Landsmannschaft Schlesien und der 2019 gegründeten Initiative zur Erhaltung schlesischer Kulturgüter sowie des Staatsforstes Oels (Olesnica) und der Gemeinde Langewiese (Dlugoleka) – beide in Niederschlesien.
Nach zwei Jahren Hin und Her zwischen den polnischen Behörden und den Aktivisten aus Deutschland konnten Mitte Mai Aufräumarbeiten im Schlosspark Sibyllenort (Szczodre) aufgenommen werden. „Wir trafen uns am Lieblingsort seiner Majestät, Albert I. von Sachsen, der 1902 starb, und dessen Gattin, der letzte Königin von Sachsen, Carola, die ihm ein Kreuz widmete“, sagt Jörg Giessler von der Initiative zur Erhaltung schlesischer Kulturgüter. Er ist kein Unbekannter in Sibyllenort, denn bereits vor einigen Jahren hatte Giessler bei Aufräumarbeiten am dortigen evangelischen Friedhof mitgewirkt. „Sybillenort war unserer Initiative wichtig, da dort der letzte sächsische König starb“, betont er. Durch den Kontakt zum dortigen Pfarrer wusste Giessler, dass die Gemeinde Langewiese den Schlosspark mit dem dortigem Kreuz für touristische Zwecke nutzen möchte. „Bei einem Spaziergang durch den Park ist mir die Idee gekommen, dass dieses Kreuz saniert werden sollte. Aber damals gab es unsere Initiative noch nicht“.
Seinen Namen verdankt Sibyllenort der zweiten Frau von Herzog Christian Ulrich von Württemberg-Oels. 1685 kaufte er das Dorf und nannte es zu Ehren seiner Gattin Sibylle Maria von Sachsen-Merseburg – Sibyllenort. Zwischen 1685 und 1692 ließ er dort ein barockes Schloss erbauen, das Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts umgebaut und vergrößert wurde und wegen seiner Pracht „Schlesisches Windsor“ genannt wurde. „Unser großer romantischer Dichter Joseph Freiherr von Eichendorff hat dieses Schloss 1803 besungen, weil es so kostbar und geschmackvoll war“, berichtet Giessler stolz.
Heute erinnern an die einstige Pracht nur noch eine Parkanlage sowie ein Kreuz, „dessen Marmorplatte mit dem Relief König Alberts von Sachsen gewaltsam abgerissen wurde. Dieses Denkmal ist für unsere Initiative besonders wichtig, denn es zeigt die enge Verbundenheit Sachsens mit Schlesien“, sagt Giessler.
Im Laufe der Jahre sank das Kreuz immer tiefer ins Erdreich ab, Wildwuchs und Bäume versperrten die Sicht auf das König-Albert-Denkmal. Mit Hilfe polnischer Forstarbeiter konnten die Bäume gefällt und damit die Sichtachse zum Kreuz wiederherstellt werden.
Wurzeln wurden mit einem durch Gemeindevorsteherin Justyna Jasewicz gestellten Radlader entfernt und die tief eingesunkenen Granitsteine ausgegraben, gehoben und wieder an die ursprüngliche Stelle gesetzt. „Anschließend wurde das Areal von uns eingeebnet und mit weißem Schotter abgedeckt, so wie es früher einmal war“, freut sich Giessler. Nun sollen um das Denkmal Azaleen und Rhododendren gepflanzt werden, dies wurde den Freiwilligen seitens des Arboretums im nahe gelegenen Woislowitz (Wojslawice) versprochen. Auch eine neue Tafel mit dem Konterfei König Alberts wird vom Kamenzer Steinmetz Jörg Demski am Kreuz angebracht. Und wenn in Sibyllenort die Einweihung des renovierten Denkmals durch ist, steht bereits der nächste Ort auf der Sanierungsliste der Initiative: „Die Sanierung des Bismarckturms in Johnsdorf (Janowek) in der Nähe von Reichenbach (Dzierzoniow) oder aber des Garnisonsfriedhofs im oberschlesischen Neisse (Nysa).“ Doch dies muss noch mit den polnischen Gemeinden bzw. den Trägern der Liegenschaften abgesprochen werden. Bis es so weit ist, werden erst einmal neue Kräfte und finanzielle Mittel gesammelt.
Kommentare zum Artikel "Rekonstruktion, wo Sachsen und Preußen friedlich koexistierten"
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Liebe Frau Kandzia, während einer der Könige in Sybillenort starb, war es zugleich Rückzugsort des abgedankten König Albert III, ich fand diese Geschichte aus dem Mund einer seiner Enkeltochter erzählt, auf jeden Fall auch spannend. Dazu: Der letzte sächsische König, Friedrich August III., ein Wettiner aus der albertinischen Linie, zog sich nach seinem Verzicht auf den Thron am 13. November 1918 auf seinen schlesischen Besitz zurück, auf das Schloss Sibyllenort,