Rittergut wird abgerissen
Wenn es ein Sinnbild für den Begriff „morbide Idylle“ gibt, dann ist es das Rittergut Reichenau.
Reichenau. Das Reichenauer Rittergut soll verschwinden. Der Gemeinderat der Gemeinde Haselbachtal hat den Abriss des historischen Gebäudekomplexes beschlossen. Die Kosten in Höhe von (voraussichtlich) knapp 490.000 Euro sollen zu 90 Prozent aus Mitteln des Landesprogrammes „Brachenberäumung“ kommen. Das Rittergut Reichenau wurde laut Regionalmanagement des Leader-Gebietes „Dresdner Heidebogen“ erstmals 1248 genannt und hatte „die Struktur eines Vierseitenhofes mit Herrenhaus und Wirtschaftsgebäuden.“ Das Herrenhaus wurde demnach bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgerissen.
Der Heimat- und Museumsförderverein Reichenau hat einerseits Verständnis für die Entscheidung, bedauert diese aber auch. „Seit der Gründung unseres Vereines im Jahr 2001 bemühten wir uns um eine sinnvolle Nutzung des Rittergutes. So wurden in den Anfangsjahren in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Haselbachtal einige Machbarkeitsstudien erarbeitet und Investoren gesucht“, erklärt Vorsitzender Vincent Riemer auf Anfrage. Dies habe sich allerdings in der „touristisch schwachen Gegend“ als schwierig erwiesen. „Allein die Sanierung und die errechneten Unterhaltungskosten wären von unserem Verein nie zu stemmen gewesen. Investoren waren nur am Gelände zu Lagerzwecken interessiert, und ohne tragfähiges Konzept konnte und wollte auch die Gemeinde Haselbachtal nichts investieren. So verfielen die Gebäude immer mehr“, so der Vorsitzende weiter. Der Abriss sei von zwei Seiten zu betrachten: „Natürlich ist es nachvollziehbar, dass die Gemeinde Haselbachtal diesen Schandfleck und das Gefahrenpotential, welches von den Gebäuden ausgeht, beseitigen möchte. Eine Sicherung oder gar Sanierung des Areals ist von ihr nicht zu bezahlen.“ Allerdings verschwinde damit auch der historische Kern des Dorfes. „Die Entwicklung von Reichenau war maßgeblich durch das Rittergut geprägt. Und dass künftig gar nichts mehr außer ein paar Trockenmauern stehen bleiben soll, macht mich persönlich traurig“, bekennt Vincent Riemer. Und berichtet weiter: „Gern hätte unser Verein noch den alten Flachbau übernommen. In früheren Zeiten waren dort die Pferde des Gutes untergebracht. Später wurde das Gebäude rückgebaut und zu einer Garage umfunktioniert. Anhand der Umfassungsmauern und der Ringe in der Wand, an denen früher die Pferde angebunden waren, kann man die Geschichte des Gebäudes heute noch erahnen. Das Gebäude zu ertüchtigen wäre für unseren Verein leicht machbar gewesen.“ Doch leider habe die Gemeinde dies abgelehnt. Um die Geschichte nicht vollständig zu verlieren, möchten der Verein durch eine Informationstafel vor Ort sowie eine Abteilung im Heimatmuseum Reichenau an das Rittergut erinnern: „Mehr wird uns wohl nicht bleiben.“
Kommentare zum Artikel "Rittergut wird abgerissen"
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Diese Entscheidung zum Abriss ist an ästhetikfernem und baukulturell ignorantem Schwachsinn unserer heutigen dekadenten politischen sowie planungs- und genehmigunsbehördlichen Klasse, einfach nicht mehr zu überbieten, vor allem wenn man in Betracht zieht, dass oftmals bedingt durch politische Dummheit nach den üblich stumpfsinnigen Ritualen, beim Beantragen von sog. finanziellen "Fördertöpfen", statt sie in die restaurative Rettung von baulichen Kulturdenkmälern gegen deren vollständigen Verfall zu investieren, von den dafür verantwortlichen, sog. "politischen Entscheidungsträgern", viel lieber in sündteure und teilweise millionenschwere "Machbarkeitsstudien", "europaweite Architektenwettbewerbe", sog. "Gestaltungsbeiräte" und eigenen Behörden-Flachdachklotzkisten investiert und damit allgemeinwohlschädlich als sinnlos Geldverschwendung, einfach "zum Fenster hinauswirft".
Es ist unfassbar, wie mit sehr altem, erhaltenswürdigem Kulturgut umgegangen wird. Speziell im Ruhrgebiet kann man das auch beobachten.
Aber es werden Millionen verschleudert, um zB. Aussichtsplattformen zu errichten, die lächerlich sind und keinen Sinn machen.
Nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg wurden viele Schlösser abgerissen. Damit sollte ein Ende und ein Neu-Anfang signalisiert werden. Meine Eltern wurden aus ihrer Heimat (Schlesien) vertrieben bzw. umgesiedelt. Mit 3 Jahren kam ich nach Döbschke bei Göda. Auch dort wurde das Schloss niedergerissen und die Schlossherrin Frau von Sahr vertrieben.
Meine Eltern haben per Bodenreform 8 ha bekommen und eins von den Wirtschaftsgebäuden. Dort wohnte auch die Köchin von Frau von Sahr. Sie hat dann ihre alte Herrin in ihrer Wohnung ohne Wasseranschluss bis zum Tode wohnen lassen. Ein Bauunternehmer aus dem Nachbardorf und die Bauern im Dorf haben alles weggeschleppt, was wegzuschleppen war. Die Zeit war damals so. Es kam auch auf den Bürgermeister an.
In Semmichau wurde das Schloss nicht weggerissen. Der Bürgermeister hat sich damals bei den Russen sehr stark dafür eingesetzt, damit er paar Flüchtlinge unterbringen konnte. Seine Bemühungen waren erfolgreich. Das Schloss steht heute noch. Einige ringsherum, z.B. in Nedaschütz, stehen auch noch.
Nicht viel anders ist es heute. Auch der Palast der Republik wurde weggerissen. Nicht etwa wegen Aspest sondern, weil ein Symbol der DDR verschwinden sollte. Was mit dem Dresdner Fernsehturm werden wird, weiß keiner!?! Es geht wie immer ums Geld!
Dasselbe ist mit dem Rittergut derer von Seckendorf gemacht worden, in meiner Geburtsstadt! Abgerissen, der Rest zweckentfremdet. Jammerschade
Wer diesen wunderschönen Ort einen "Schandfleck" nennt hat selbst einen gehobenen Dachschaden. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Spiessbürgerliche Primitivlinge, die sich am Erbe von Generationen vergreifen. Was spricht dagegen das einfach stehen zu lassen? Wohl nur die einfältige Dummheit der Agierenden, die wohl noch zuviel Plattenbaublut in ihren rechtwinklig verkorksten Adern haben... Eine Schande, dass solche unfähigen Leute von ebenso unfähigen Ämtern unterstützt werden. Aber sicher gibts auch hier irgendeine Regel auf Papier, die diese fehlprogrammierten Verwaltungsroboter ausführen wollen oder denken (sofern sie dies können) ausführen zu müssen.
Da ich da in meiner Kindheit fast aller 2 Wochen und in den Ferien war bei meiner Großmutter hab ich dort viel erlebt. Ein schönes Fleckchen Erde war das man konnte viel spielen und der Garten oben an der Straße war auch nicht schlecht. Habe auch viel über die schweinezucht erfahren. Meine Großmutter hat da nämlich gearbeitet.
Schade das alles wegkommt. Aber mir bleibt noch die Erinnerung.