Rogowski: „Wir sind abhängig von den jungen Leuten“
Trotz zahlreicher Probleme im Gesundheitswesen schaut der Geschäftsführer der Oberlausitzkliniken, Reiner Rogowski, optimistisch in die Zukunft. Foto: Benjamin Vogt
Das deutsche Gesundheitswesen kränkelt seit Jahren. Zumindest in den Oberlausitzkliniken ist die Lage dabei zwar angespannt, aber im Vergleich zu anderen Region in Deutschland noch stabil, wie der Geschäftsführer, Reiner Rogowski, erläutert.
Bautzen. Es dauert eine Weile, bis man auf die Corona-Zeit zu sprechen kommt. Daran wird schon ersichtlich, dass diese natürlich im Gesundheitswesen zu besonders heftigen Problemen geführt hat, aber gewisse „Krankheiten“ vielleicht eher sichtbar gemacht oder verstärkt, statt verursacht hat. Und so wird im Gespräch mit dem Geschäftsführer der Oberlausitzkliniken auch ein ganz anderes Thema zuerst genannt: die demografische Entwicklung. Dabei gibt es bei diesem Thema zwei Grundaspekte: der eine ist eher positiv, denn durch den medizinischen Fortschritt leben die Menschen länger. Das hat aber auch zur Folge, dass die Alterskrankheiten zunehmen. Und auch der Anteil der älteren Bevölkerung. Das ist an sich noch kein Problem, solange genug junge Leute nachkommen, die dann die Älteren versorgen. Das ist aber eben nicht der Fall und stellt besonders in der Region nicht nur das Gesundheitswesen vor ziemliche Schwierigkeiten. Denn die Oberlausitz hat ein doppeltes Problem in dieser Hinsicht: Nicht nur, dass, wie überall in Deutschland, an sich zu wenig Kinder geboren wurden und werden. Die letzten Jahrzehnte waren zusätzlich noch von Abwanderung besonders der Jungen geprägt. Das hat zur Folge, dass jetzt nicht nur diese Weggezogenen selber fehlen, sondern auch deren Kinder wiederum nicht in der Region aufwachsen. Zwar ist der Abstrom von jungen Menschen aus der Region inzwischen nicht mehr ganz so stark, wie noch vor einigen Jahren, das Missverhältnis von Geburten zu Todeszahlen aber bleibt. Diese Krise hängt vielleicht auch mit einer Krise der Familie in Deutschland zusammen. Auch wenn nach Umfragen der Großteil der Bevölkerung unter Familie die klassische Konstellation von Vater, Mutter und Kindern versteht, ist die Schwerpunktsetzung der Politik doch erkennbar eine andere.
Denn statt dieses als altmodisch und patriarchal diffamierte Modell zu fördern, diskutiert man lieber, ob Kinder überhaupt gut fürs Klima sind oder wie man Abtreibungen möglichst unkompliziert organisieren kann. Die Lösung dieses Problems sollte man also vielleicht nicht von den großen Institutionen erwarten, sondern eben von den jungen Leuten, die zueinander „Ja“ sagen und diese gegenseitige Liebe fruchtbar werden lassen.
Aber mit der Quantität allein ist die Sache nicht getan. Auch die Qualifikation spielt im Gesundheitswesen eine wesentliche Rolle. Besonders in der Zeit, in der durch viele technische Hilfsmittel die Behandlung zwar verbessert, aber auch komplizierter wird. So hat Reiner Rogowski schon vor rund zwanzig Jahren durchgesetzt, dass die Einrichtungen ständig ausbilden. Denn für ihn steht fest: „Wir sind abhängig von den jungen Leuten“. So zeigt er sich auch glücklich darüber, dass allein im vergangenem Jahr 18 neue Fachkräfte eingestellt werden konnten, die man auch selber ausgebildet hat. „Ein großer Schatz für uns“, wie der Chef betont.
Dabei zeigt er auch auf, dass die Oberlausitzkliniken 16 unterschiedliche Berufsbilder ausbilden können. Außer der Psychiatrischen Ausbildung können dabei alle medizinischen Fachbereich abgedeckt werden. So versucht man mit einer hohen Attraktivität den Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Denn diesen gibt es natürlich auch an den Standorten des Unternehmens. Besonders Hebammen, aber auch Krankenschwestern und dabei besonders Kinderkrankenschwestern sucht man händeringend. Ab dem September 2024 will man dabei soweit sein, dass man eigene Fachkräfte komplett in Bautzen ausbilden kann, um die Region für den Nachwuchs noch attraktiver zu gestalten.
Ein weiteres großes Thema war neben der ganzen Personalgeschichte die Bürokratisierung. Dieses steht dabei in engem Zusammenhang mit der Fachkräftefrage, denn jeder Mitarbeiter, der mit irgendwelchen Dokumentationen und anderen Formularen beschäftigt ist, steht in dem Moment nicht für die Betreuung und Behandlung der Patienten zur Verfügung. „Ich brauche die Leute am Patienten“ betont dabei Reiner Rogowski.
Er ärgert sich gewaltig, wenn vonseiten der Kostenträger so getan wird, als gäbe es ständig finanzielle Betrügereien in der Gesundheitsversorgung. Er bezeichnet das auch als ständigen Kampf um die Abrechnung. Einen Zeitpunkt, ab wann dieser Zustand seine Blüten trieb, kann er dabei nicht klar festmachen. Aber deutlich wächst die Belastung durch Verwaltungsdinge kontinuierlich an. Begründet wird das ja oft mit dem vermeinlichten Abstellen irgendwelcher Mängel. Dabei schafft diese „Misstrauensbürokratie“, wie er das nennt, ständig selber Mängel. Nicht zuletzt, da sie wertvolle Arbeitszeit bindet. Außerdem führt diese Grundhaltung auch im erheblichem Maße zur Demotivation von Ärzten und Pflegern. Eine weitere Folge davon ist, dass das alles sehr viel kostet und das Geld „in den Strukturen stecken bleibt“. Die Hauptaufgabe einer Klinik solle doch dabei nicht das Ausfüllen von Zetteln sein, sondern die Daseinsvorsorge der Menschen. Und „das machen wir gern“ betont Rogowski.
Aber natürlich spricht man bei so einer Gelegenheit auch über die vergangenen zwei Jahre. „Wir haben gewaltig gelitten unter Corona“ lautet das eindeutige Fazit des Geschäftsführers. Dabei spielten nicht nur die faktisch messbaren Probleme eine Rolle, sondern ganz besonders auch das, was diese Krisensituation mit den Menschen gemacht hat. So hat ihn besonders die Entzweiung des Personals infolge der Impfthematik Sorgen bereitet. Aber natürlich litten gerade auch die Mitarbeiter, die zum Beispiel durch die Vollschutzanzüge einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt waren. So seien viele auch einfach ausgebrannt oder litten heute anderweitig gesundheitlich unter den Spätfolgen.
Ein anderes gravierendes Problem war aber auch immer der Materialmangel. Dankbar zeigte er sich für die gute Zusammenarbeit mit dem Landratsamt, auch, weil man dort die Priorität auf die Sicherung der Grundversorgung gelegt hat, was auch dazu führte, dass man wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht keine Leute verloren hat. „Mir ist kein Mitarbeiter bekannt, der gesagt hat: aus diesem Grund verlasse ich das Krankenhaus“ betont Rogowski.
Für die Zukunft sieht er besonders auch nach dieser harten Lehrzeit einigen Verbesserungsbedarf. So betont er die Notwendigkeit einer funktionierenden Lagerwirtschaft, aber auch eine bessere Kommunikation und klarere Zuständigkeiten. Die Technik sieht er dabei nicht als Allheilmittel. Denn diese müsse auch funktionieren. Für die Mitarbeiter, die bis heute auch seelisch unter den Folgen dieser Zeit leiden, kann man derweil nur hoffen, dass dort die Zeit so manche Wunde heilt.