Schloss Milkel: Eine Perle erhielt ihren Glanz zurück
Wie aus dem Ei gepellt erstrahlt Schloss Milkel. Kaum zu glauben, aber wahr: Der Südturm (rechts) ist 400 Jahre älter als sein nördliches Pendant.
Musik spielt im Leben von Hermann Fuchs eine wichtige Rolle und half ihm auch über schwere Phasen bei der Schlosssanierung.
Nach 24 Jahren ist das Schloss Milkel von vorn bis hinten durchsaniert. Nur zwei Räume noch nicht – und ein Problem bleibt auf Dauer.
Milkel. Diesmal gibt es zwei Zahlen des Tages. Die eine lautet 80, die andere 78. Denn: 80 Zimmer gibt es auf Schloss Milkel. Und 78 davon hat Hermann Fuchs in den letzten 24 Jahren saniert.
Um ermessen zu können, was das bedeutet, muss man sich zwingend vor Ort begeben und im Inneren des Gebäudes umschauen. Normalerweise ist das auch kein großes Problem, denn der Schlossherr empfängt gern Besuch (wenn der sich vorher anmeldet.) Denn 1000 Worte sagen natürlich nicht mehr als ein Bild und viel weniger als das, was man mit eigenen Augen sieht. Doch wo anfangen? „Beginnen wir im Südturm“, schlägt Hermann Fuchs vor. Schließlich stellt dieser den ältesten Teil des Schlossgebäudes dar und stammt aus dem Jahre 1322. Der Nordturm ist viel jünger, er wurde erst 1720 gebaut. Würde man nicht denken, wenn man vor dem Schloss steht, ist aber so. Doch dazu später mehr.
„Das war völlig irrational“
Dem Südturm geben seine runde Form und das auffällige Zellengewölbe im Inneren ein harmonisches, behagliches Gepräge.
Kein Wunder, dass Hermann Fuchs hier, im ersten Obergeschoss, seine Bibliothek eingerichtet hat. Gemütliche Sessel flankieren einen kleinen runden hölzernen Tisch, umgeben von repräsentativen Bücherschränken. Hier ist der richtige Ort für eine kleine Einführung.
Denn: Irgendwo spukt die Frage im Hinterkopf herum – was bringt jemanden dazu, sich ein Schloss ans Bein zu binden? Noch dazu eines, das in Jahrzehnten intensiver Nutzung, verbunden mit wiederkehrend unsachgemäßer Ausbesserung, in seiner Substanz schwer geschädigt war? Hermann Fuchs beantwortet die Frage mit einem Lächeln und sagt: „Das war völlig irrational.“ Ein Inserat in einer Zeitschrift habe ihn auf die Idee gebracht, die ihn fortan nicht mehr losließ. „Meine Familie und meine Freunde sagten: Du spinnst ja, aber wir unterstützen dich, wo wir können.“ Und dies war – verbunden mit handwerklichem und finanziellem Geschick sowie dem unerschütterlichen Glauben an das Gelingen – der entscheidende Punkt. „Ohne Freunde und Familie hätte ich das nie schaffen können“, sagt der Milkler Schlossherr, als er die Tür zum Stucksaal öffnet. Dieser bildet in seiner rokoko-barocken Pracht das Herz des Schlosses, in dem – wie könnte es anders sein – auch geheiratet wird.
Gleich daneben liegt das Elefantenzimmer, so benannt nach den Figuren, die dem historischen Kamin zur Zierde dienen. Hermann Fuchs kann jede Parketttafel, jede Fliese im Bad, jeden Stuhl im Barocksaal beim Namen nennen. Kein Stück, das nicht irgendwann mal durch seine Hände gegangen wäre. Schnell wird klar: Weniger ist mehr. Alles kann man sich in zwei Stunden eh nicht zeigen lassen, dann lieber eine gezielte Auswahl, dafür intensiv.
Vorbild für Moritzburg, nicht Nachahmer
Beispielsweise der Nordturm: Seine Ausstattung räumt mit einem alten Irrtum auf – dem Irrtum, dass Milkel dem weitaus größeren und berühmteren Schloss Moritzburg nachempfunden sei. „Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Hermann Fuchs, und verweist auf eine eingerahmte Fotografie. Sie zeigt einen Epitaph in der Milkler Kirche, auf dem zu lesen ist, dass Milkel mit dem Bau des Nordturms 1720 in seiner jetzigen Form fertig war. Moritzburg dagegen wurde erst 1724 in Auftrag gegeben.
Hermann Fuchs macht sich seinen eigenen Reim darauf: „Wahrscheinlich war man der Meinung, die Zeit der Kriege hinter sich zu haben und für die damalige Zeit völlig verrückte Architektur ausprobieren zu können – einen Schlossbau, den man nicht mehr verteidigen kann, mit so großen Fenstern, dass ein Reiter mit Pferd hindurchpasst.“
Nun, diese Hoffnung hat sich – aus heutiger Sicht – nicht bestätigt. Dennoch blieb Schloss Milkel von größeren Beschädigungen durch kriegerische Handlungen verschont. Diese traten erst zu Friedenszeiten auf: „Während der Nutzung als Sorbische Sprachschule in der DDR hat man immer wieder Putz und Farbe aufgetragen, aber in völlig ungeeigneter Form.“
Feuchtigkeit bleibt ständiger Begleiter
So blieb die ständig aufsteigende Feuchtigkeit – Schloss Milkel steht rundum im Wasser und wurde deshalb auf Eichenpfählen gegründet – im Mauerwerk gefangen. Die Hauptaufgabe, vor der Hermann Fuchs nach dem Erwerb des Schlosses 1997 stand, war daher die Trockenlegung: „Doch wie soll man ein Gebäude trocken legen, das im Wasser steht?“ 100 Maßnahmen später, „völlig abstrakt und ganz anders als in der normalen Bauwirtschaft“, kann Hermann Fuchs konstatieren: „Das Schloss ist trocken und sollte die nächsten 300 Jahre halten.“ Kiesbetten rings um den Baukörper, die regelmäßig gereinigt werden müssen, führen die ständig nachdrängende Feuchtigkeit ab. Allerdings tauchen mit der Trocknung neue Probleme auf – Risse im Mauerwerk. „Diese Trocknungsschäden werden uns auch künftig begleiten und müssen fortlaufend behoben werden“, weiß Hermann Fuchs. Ärgerlich – aber kein Vergleich zu dem in den letzten 24 Jahren bewältigten Pensum.
Doch wie war das noch mal mit den Zahlen des Tages: 80 Zimmer, davon 78 saniert – was ist mit den anderen beiden? Hermann Fuchs lächelt, sagt aber nichts dazu. Ein Schlossherr darf eben auch Geheimnisse haben ... Kein Geheimnis macht er hingegen um sein Eigentum, das er wie schon vor Corona öffentlich zugänglich halten will: „Außen permanent, im Inneren nach Vereinbarung.“